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Appetitliches Pack

Erfolgreiche Aktionen gegen Grafenrheinfeld-Castoren nach La Hague

| Kassiopeia

Im Oktober wurden von Gruppen aus dem Raum Darmstadt gleich zweimal Castor-Transporte aus Grafenrheinfeld auf offener Strecke gestoppt. Der nachfolgende Artikel beschreibt, was dabei zu beachten ist. (Red.)

Die Sonne strahlte, die Castoren auch und wir saßen frühstückend davor. Ebenfalls strahlend, weil es uns gerade gelungen war, einen Castor-Doppeltransport auf freier Strecke im Wald vor Darmstadt zu stoppen. Es waren die vorerst letzten von insgesamt fünf Transporten aus dem AKW Grafenrheinfeld in die Plutoniumfabrik La Hague. Die Termine dieser Tansportserie wurden im Vorfeld durch die NIX-Mehr-Kampagne veröffentlicht. Die ersten beiden Transporte wurden in Darmstadt nur beobachtet.

Der dritte Transport wurde am Bahnhof Kranichstein spontan gestoppt. Zwei Gruppen von drei bis fünf Personen gingen im Abstand von etwa 200 m vor den ca. 80 km/h fahrenden Zug auf die Gleise. Der Zug kam erwartungsgemäß trotz scharfer Bremsung nicht rechtzeitig vor ihnen zu stehen, sondern erst 50 m hinter der zweiten Gruppe, so daß die Leute einen lebensbejahenden Sprung zur Seite taten.

Auch wenn es lebensmüde aussieht, läßt sich das Risiko, vor einen fahrenden Zug zu springen. kalkulieren. Beweglichen Objekten, die sich mit hohen Geschwindigkeiten auf und zu bewegen, begegnen wir alltäglich im Straßenverkehr. Trotzdem ist selbstverständlich Vorsicht geboten, vor allem weil wir mit Bahnanlagen nicht so vertraut sind wie mit Straßen. Um die Risiken zu minimieren, sollten einige wichtige Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden. Der wichtigste Punkt ist es, sich vorher im Klaren zu sein, in welche Richtung mensch vor dem fahrenden Zug wegspringt. Der Rückweg sollte in keinem Fall über ein anderes Gleis führen, da es ansonsten zu Unfällen mit anderen Zügen kommen kann. Außerdem sollte mensch aufpassen, sich nicht gegenseitig im Weg zu stehen. Um ein Gefühl für die Geschwindigkeit von Zügen zu bekommen, ist es auch ratsam, sich vorab mal neben eine Bahnstrecke zu stellen und heranfahrende Züge zu beobachten.

Auch wenn bei der Aktion in Kranichstein nicht alle diese Vorsichtsmaßnahmen beachtet wurden, ist glücklicherweise alles gutgegangen. Obwohl die beiden Stoppgruppen, ohne voneinander zu wissen, auf die Gleise gingen, ergänzten sie sich optimal. Die erste Gruppe verlangsamte den Zug lediglich; erst die zweite Gruppe löste eine Vollbremsung aus, so daß der Zug hinter ihr zum Stehen kam. In der folgenden halben Stunde gab es immer wieder kleinere Sitzblockaden und andere Aktionen. Um nicht von der Polizei festgehalten zu werden, liefen einige AktivistInnen auf den Gleisen voran, so daß der Zug nur im Schrittempo fahren konnte. Die Polizei war mit der unerwarteten Situation derart überfordert, daß sie Verstärkung aus landenden Hubschraubern bekamen.

Vor dem vierten Transport gab es am 13.4. eine Demo mit 500 Leuten im bayrischen Schweinfurt und vor dem AKW. Am geplanten Transporttermin, dem 16.9., wurden in Darmstadt eine Schulschwänzdemo und ein Fest an der Schiene organisiert; außerdem gab es in diesen Tagen zahlreiche andere Aktionen entlang der Transportstrecke. Angeblich wegen Eisenbahnstreiks in Frankreich wurde dieser Transport schließlich verschoben, um eine Woche später zusammen mit dem nächsten loszurollen.

Der Gerechtigkeit halber wurde das unappetitliche Doppelpack in Darmstadt auch prompt zweimal aufgehalten. Das erste Mal durch die Frühstücksblockade der Gewaltfreien Aktionsgruppe, ein weiteres Mal durch die StadtpiratInnen am Bahnhof Kranichstein. Dieses Mal organisierte die GA eine gutgeplante Aktion, auf die sich die Beteiligten im Vorhinein intensiv vorbereitet hatten. Um den Zug zu stoppen, gab es drei Gruppen à 2-3 Personen, die sich im Abstand von ca. 200 Metern im Wald neben den Gleisen versteckten. Aus Sicherheitsgründen suchten wir uns einen sehr langen, geraden Streckenabschnitt aus. Wir wurden eine halbe Stunde vor Eintreffen des Zuges von der Streckenbeobachtung informiert, wobei es die erste Stoppgruppe am schwersten hatte, da sie die Lok anhand der Farbe von dem normalen Schienenverkehr unterscheiden mußte. Außerdem lag es an ihnen, ob die Gruppen auf die Schienen gehen oder nicht. Kommunikation zwischen den Gruppen mit Trillerpfeifen war wegen Hubschrauberlärm unmöglich. Glücklicherweise führte der Umstand, daß sich unsere Presseleute schon an den Schienen befanden und vom Hubschrauber gesehen wurden, dazu, daß der Lokführer über Funk gewarnt wurde und schon vor der ersten Stoppgruppe zum Stehen kam.

Daraufhin fand auf der Schiene ein halbstündiges Frühstück mit Kaffee, Gitarrenmusik und anschließender Räumung statt. Blumen und Picknickdecke boten zusammen mit unserem freundlichen Auftreten eine gelöste Atmosphäre. Obwohl sie keinen Kaffee trinken wollten, reagierten die PolizistInnen wesentlich lockerer und entspannter als noch zwei Wochen vorher. Auf dem Nebengleis hielt ein Personenzug, dessen Insassen uns begeistert zuwinkten! Ausnahmsweise mal verhältnismäßig, wenn auch nicht freundlich, räumte uns der BGS und stellte unsere Personalien fest (einige Fotos wurden gemacht). Im Gegensatz zu den anderen Transporten befand sich diesmal an dem Güterzug ein ganzer Waggon mit Polizei. Ist das ein Kompliment?

Die Kampange gegen die Transporte aus Grafenrheinfeld war insgesamt ein großer Erfolg. Die WAA-Transporte, sonst völlig unbeachtet, erregten diesmal viel Aufsehen und bestrahlten ein zunehmendes Polizeiaufgebot. Uns brachten sie die Erfahrung, das es überall und jederzeit möglich ist, einen fahrenden Castorzug anzuhalten. Mit etwa 20 Leuten und ein wenig Vorbereitung läßt sich auf diese Art und Weise viel Verwirrung stifften.

Unser Tip für den Winter: Häufiges Glühweintrinken oder Schneemensch bauen auf der Schiene macht Spaß und hält gesund!

Warnung

Für den Bereich der S-Bahn Hamburg und Berlin ist darauf zu achten, daß neben den S-Bahn-Gleisen Stromschienen verlaufen! Das Berühren dieser Stromschienen ist lebensgefährlich!! Aktionen sollten also keinesfalls im Bereich von S-Bahn-Trassen stattfindet! Alle anderen S-Bahnen im Bundesgebiet fahren ganz normal mit Stromzufuhr über die Oberleitung, so daß hier keine besondere Gefährung besteht.