Die Autobahnschneise durch den Danni

Der Widerstand gegen die A49 und der Aufbau einer internationalen Anti-Autobahnbewegung

| Daniel Haudenschild

Nach jahrzehntelangen Protesten und der Waldbesetzung im Dannenröder Forst (Danni) von 2019 bis zur Räumung im Oktober 2020 wurde die Autobahn A49 am Internationalen Tag des Wjaldes für den Verkehr eröffnet. Der Bau der A49 hinterlässt tiefe Spuren für Mensch und Natur, aber auch Hoffnung durch eine neue internationale Anti-Autobahnbewegung.

Das letzte Teilstück der A49 durch den „Danni“ wurde am 21. März 2025 unter Protest eröffnet. Während die geschlossene Gesellschaft in der Stadthalle von Stadtallendorf das Projekt feierte, protestierten 150 Menschen vor der Tür gegen die Umweltzerstörung. Das 1,4 Milliarden Euro teure Mega-Infrastrukturprojekt wurde vor über 50 Jahren geplant und seitdem auch bekämpft.

Die Verkehrsfreigabe der A49 verlief plötzlich und unangekündigt in der vorherigen Nacht, wohl aus Angst vor Protesten. Daraufhin haben sich Aktivistis im Dannenröder Forst von einer Brücke mit einem Transparent abgeseilt und somit schon die erste Sperrung der neuen Autobahn durchgesetzt. Das Transparent mit der Aufschrift „Alle Wälder bleiben! Unsere Träume lassen sich nicht räumen!“ erinnert an die Waldbesetzung im Herbst 2020 im Danni.

Die dortige Waldbesetzung mit über 175 Baumhäusern und 300 Barrikaden wurde durch Anwohner*innen und Umweltverbände unterstützt, um den Bau der A49 zu stoppen. Die Räumung der Waldbesetzung wurde durch den größten Polizeieinsatz der letzten Jahrzehnte in Hessen geführt, mit 2.000 Einsatzkräften über fast drei Monate hinweg. Die Räumung der Waldschützer*innen und Zerstörung der Baumhäuser war unter anderem durch Polizeigewalt geprägt und von dem (inzwischen abgewählten) grünen Verkehrsminister Hessens, Tarek Al-Wazir, verteidigt (1).

Wirtschaftliche Entwicklung durch Autobahnbau?

Die Autobahngegner*innen kritisieren unter anderem die veraltete Planung und zweifeln an der Kosten-Nutzen Bilanz der A49. Dies untermauert auch eine Studie (2) aus 2004, die darlegt, dass durch die Autobahnerschließung die Kaufkraft in der ländlichen Region weiter in die urbanen Zentren von Kassel oder Gießen abwandern wird. Kleine und mittelständische Unternehmen werden Kundschaft verlieren, und die ländliche Struktur würde weiter geschwächt werden.

Anders sehen dies die A49-Be-fürworter*innen. Sie argumentieren, das Projekt würde die ländliche Entwicklung ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaftsräume Kassel und Gießen erschließen. Die Momentaufnahme zeigt, dass entlang der A49 Gewerbegebiete wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die meisten von ihnen sind jedoch automatisierte Logistikzentren oder globale Fastfood-Ketten. Es gibt kaum neue und attraktive Arbeitsplätze in einer Region, die ohnehin von Fachkräftemangel und einer Arbeitslosenquote von nur 4,5 Prozent geprägt ist.
Zudem zeigt ein genauerer Blick auf die Landkarte, dass die Wirtschaftsräume Kassel und Gießen bereits durch die Autobahnen A5 und A7 verbunden sind. Diese Autobahnverbindungen wurde in der NS-Zeit durch Zwangsarbeiter*innen (3) über die sogenannten Kasseler Berge gebaut. Dadurch bringt die A49 keinen „Lückenschluss“ im viertlängsten Autobahnnetz der Welt, sondern fungiert nur als eine parallel verlaufende und 13 Kilometer kürzere Entlastungsautobahn für den zunehmenden Nord-Süd-LKW-Verkehr. Die Reisezeitverkürzung der neuen Autobahnroute liegt bei marginalen 6:30 Minuten bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120km/h. Die hohen Kosten von 1,4 Milliarden Euro für eine parallel verlaufende Provinzautobahn sprengen jeglichen Rahmen.

Blechlawinen durch die Dörfer

Für das zunehmende Verkehrsaufkommen auf den Bundesstraßen durch die Dörfer in der Region sind die LKWs von Ferrero und die vielen Industriebetriebe in Stadtallendorf verantwortlich. Mit rund 12.000 Arbeitsplätzen und LKW-Abfertigungen im Sekundentakt sind die wirtschaftlichen Interessen für die A49 kein Geheimnis. Dafür hat sich auch das Regionalmanagement Mittelhessen mit der Kampagne JA49 (4) – finanziert durch öffentliche Gelder und die lokale Industrie – eingesetzt. Für schnellere und billigere Transportwege will die Industrie die A49 um jeden Preis.
In vielen Dörfern verursacht der zunehmende Durchgangsverkehr Gesundheitsschäden durch Lärm, Luftverschmutzung und führte zu einem toten Fahrradfahrer durch einen A49-Baustellen-LKW (5). Die Hoffnung auf eine Erlösung vom Dauerleid der täglichen Blechlawinen durch die Dörfer ist für viele Anwohner*innen die A49. Es gab gerade auch von diesen betroffenen Anwohner*innen Proteste für den Bau der A49. Durch die Autobahn werden sich jedoch die Verkehrsströme nur verlagern. Die wissenschaftlichen Fakten (6) sind eindeutig, je mehr Straßen gebaut werden, desto mehr Verkehr entsteht.

Die Kosten der A49 für die Natur

Derweil trägt die Natur die höchsten Kosten für den Neubau der A49. Die Autobahnstraße zerschneidet den Dannenröder Forst, ein Trinkwasserschutzgebiet und ein EU-geschütztes Natura 2000 Gebiet. Sie durchtrennt intakte Mischwälder und zerstört wichtige Habitate für etliche Tierarten, wie auch die streng geschützte Bechstein Fledermaus oder den Kammmolch.
Die Autobahnplaner verweisen auf die hohen Kosten für die umfangreichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (7) für die über 750 Hektar versiegelter Fläche. Eine 250 Jahre alte Eiche im Dannenröder Forst kann jedoch nicht kompensiert werden, da alte Bäume ein Mikro-Habitat – wie Höhlen – für spezialisierte Tierarten bildet. Durch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wurden keine Flächen entsiegelt, wodurch die Netto-Flächenversiegelung und der Flächenfraß weiter zunimmt.
Die Kompensierung von zerstörter Natur durch Geld folgt einem kapitalistischen Muster und wird durch Narrative wie Entwicklung, Fortschritt und Modernisierung (8) legitimiert. Der Verlust und die Zerschneidung der Habitate entlang der rund 60 km gebauten A49 kann nicht bepreist werden, insbesondere nicht im Kontext des hiesigen Waldsterbens und der globalen Klima- und der Biodiversitätskrise.

Anti-Autobahnbewegung

Trotz jahrzehntelanger Proteste, Gerichtsverfahren und Geldmangel wurde die privat finanzierte A49 kürzlich für den Verkehr freigegeben. Mit der gebauten Trassenvariante der A49 durch den Dannenröder Forst und ihren verfehlten Planungszielen zur Verkürzung der Fahrzeit sind wohl weder die Autobahnplaner noch die Autobahngegner glücklich. Der Preis für das Mega-Infrastrukturprojekt ist finanziell exorbitant, er wurde auch durch Menschenleben, zerstörte Ökosysteme und beschädigte demokratische Werte bezahlt sowie der 529-tägigen Inhaftierung von Ella (9).

Der Protest im „Danni“ hat eine neue Anti-Autobahnbewegung in Deutschland entfacht. An fast allen neuen Autobahnprojekten regt sich Widerstand durch die Klimagerechtigkeitsbewegung. Zum Beispiel gegen die A100 in Berlin, die A39 bei Lüneburg (vgl. Artikel in dieser GWR) oder die Küstenautobahn A20. Der dezentrale Widerstand setzt sich aus lokalen Bürger*innen-initiativen, Aktionsbündnissen wie Wald-Statt-Asphalt und Umweltverbänden zusammen, die zudem für eine Mobilitätswende kämpfen. In mehreren Nachbarländern gibt es erste Erfolge gegen die Autobahnlobby zu verzeichnen. In Frankreich wurde der Bau der A69 nach Massenprotesten und einem Gerichtsentscheid gestoppt (siehe Artikel in dieser GWR). Der Bau der Lobau-Autobahn in Österreich wurde nach Protesten auf Eis gelegt. In der Schweiz haben die Stimmberechtigten kürzlich gegen das Ausbaupaket von mehreren Autobahnprojekten gestimmt. Die heutige Anti-Autobahnbewegung ist international und baut auf einer historischen Anti-Straßenbaubewegung (11) auf. Wer Straßen sät, erntet Protest.

(1) https://www.graswurzel.net/gwr/2020/
12/danni-bleibt/
(2) https://ediss.uni-goettingen.de/handle/
11858/00-1735-0000-0006-AF12-5?show=full
(3) https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5943-6/deutschland-als-autobahn/
?number=978-3-8394-5943-0
(4) https://www.mittelhessen.eu/mit-uns/arbeitskreise/arbeitskreis-a-49
(5) https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/laubach-ort848772/prozess-am-giessener-amtsgericht-ein-augenblicksversagen-93205209.html
(6) https://link.springer.com/article/10.1007/BF00166216
(7) https://www.deges.de/projekte/projekt/
a-49-as-fritzlar-ohmtal-dreieck-a-5-a-49/
(8) https://wissenschaft-und-frieden.de/
artikel/infrastrukturen-der-gewalt/
(9) Ella: Gefangenschaft überwinden! Aufruf zu Waldverteidigung und Personalienverweigerung. Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2025
(10) https://wald-statt-asphalt.net/
(11) https://ia801805.us.archive.org/2/items/road-raging-zine-leseversion/Road_Raging_Zine_Leseversion.pdf

Daniel Haudenschild forscht an der Uni Kassel zum Umweltkonflikt und die Autobahn 49.