kommentar

Die Realität überholt die Satire

Warum schreibt Frau Ditfurth 'exklusiv' für die "Neue Revue"?

| Jochen Knoblauch

Als vor einigen Jahren im deutschen Fernsehen die Satiresendung “Hurra Deutschland” Furore machte, konnte man kaum seinen Augen trauen. Deutschland + Fernsehen + Satire = Achtung! Hier wird der Staat veräppelt. Besonders durch ein Erlebnis, als der damals sechsjährige Sohn einer Bekannten uns mit den Rufen ins Wohnzimmer lockte: “Kommt schnell, ‘Hurra Deutschland’ läuft gerade”, dabei schaute der Bub doch bloß die ‘Tagesschau’ und einen Auftritt vom damaligen Kanzler Kohl, wurde klar, daß Realität und Satire sehr dicht bei einander liegen können. Das Schandmaul des/der SatirikerIn kann gar nicht groß genug sein, um eines Tages von der Realität überholt zu werden.

Und ähnlich, wie beim Mauerfall der Begriff “Wahnsinn” in seiner Vieldeutigkeit zum Schlachtruf wurde, kommen wir aus diesem unsäglichen Staunen nicht heraus, wenn wir die jetzige Regierung uns betrachten. Hätten wir vor 10 Jahren geglaubt, daß eine Rot/Grüne Regierung die Bundeswehr als Speerspitze in einen Angriffkrieg führt? Wahnsinn! Otto Schily, RAF-Verteidiger, Ex-Grüner, jetzt SPD-Innenminister erklärt kurz nach Amtsantritt: Das Boot ist voll – und stellt sich somit prompt in eine Reihe mit seinen konservativen Vorgängern und Rechtsradikalen. Wahnsinn! Diesen Begriff könnte mensch noch auf einige Kapriolen dieser Regierung anwenden.

Nun, wir sind AnarchistInnen und wissen, daß Macht den Charakter verdirbt, auch wenn einige 180 Grad Drehungen nur damit auch nicht zu erklären sind. Aber gut, das sind eben ‘die dort oben’.

Jetzt gibt es allerdings noch jene, die nicht ‘da oben’ sind, und trotzdem Sachen machen, die einem ins Erstaunen – und ein ‘Wahnsinn’ entlockend – versetzen. Jutta Ditfurth z.B., sie zeigte sich bereits in der Vergangenheit nicht besonders zimperlich in der Auswahl ihrer Buchverlage. Ob Bastei-Lübbe, Econ oder Goldmann (neuerdings dann auch mal wieder der Konkret Literatur Verlag), Hauptsache publizieren – aufgewärmtes, wiedergekäutes oder von ihren MitpublizistInnen (wie Peter Bierl) abgeschriebenes. Geht es der Haus- und Partei-Zeitschrift “Öko-Linx” so schlecht, daß die Chefin sich jetzt bei Blättern wie der “Neuen Revue” verdingen muß um ihr – na, wie soll ich sagen – ‘Geschreibsel’ loszuwerden?

Die Frau, die nie mit dem Rücken zur Wand stehen kann, weil ihre bösen Feinde überall sind, schreibt jetzt eine 10teilige Serie über “Die wahre Geschichte der Grünen”. Zwischen “Happy Birthday, Deutschland”, “Schöne Männer sterben zweimal” (im Innentitel heißt es dann statt “Männer” “Sänger”; es geht nämlich um Rex Gildo, Elvis Presley und Roy Black) und “Ina Werner: “Ich war 15…”. Die deutsche Pam, der 1. Sex” beklagt sich Frau Ditfurth über die bösen Grünen im 4. Teil ihrer Serie mit dem Titel “Joschka Fischers gesammelte Lügen”.

Für wen schreibt Frau Ditfurth das alles? Für ein Publikum, daß sich eigenlich eh nur für ‘bunte Bilder’, fürs Horoskop und die 2000,- DM, die es beim Kreuzworträtsel zu gewinnen gäbe interessiert? Oder für Männer, die sich für den ersten sexuellen Kontakt von Ina Werner interessieren? Das ist ja reinste Missionsarbeit, die sich da Frau Ditfurth aufgebürdet hat. Auch die Tatsache, daß in diesem Heft ein Bericht über die Klimakonferenz in Bonn enthalten ist mit dem Tenor, laß die Menschen mal machen, Mutter Erde – ja, der Ausdruck fällt! – wird sich schon weiter drehen. Schön ist auch der Beitrag: “Jacqueline (22), Hotelfachfrau aus Groitzsch: Ich träume von einer Küche … selbstgebastelt” Und passend dazu gibt es dann Fotos, wo u.a. eine junge Frau, barbusig die Flex schwingt.

Jutta, wir verstehen dich endlich! Sexismus und Feminismus ist kein Widerspruch, und eine undifferenzierte Einheitsfront gegen Rot/Grün ist dank deiner Hilfe auch kein Problem mehr, sitzen wir nicht alle im vollen Boot? Soll das jetzt heißen, wenn die “Junge Freiheit” genügend bezahlt, würde sie da auch schreiben? Der Unterschied wäre ja eigentlich nur der, daß im letzteren Schmierenblatt die LeserInnenschaft vielleicht mehr von Politik verstehen könnte. Bei der Leserschaft der ‘Neuen Revue’ würde ich jedoch eher davon ausgehen, daß Grün eine Farbe ist, die an der Ampel endlich den Ford-Manta in Bewegung setzt.

Auf den Inhalt möchte ich gar nicht mehr eingehen, der ist eigentlich auch egal (von der 4. Teil, und 6 sollen ja noch folgen, und wen interessieren denn heute eigentlich noch Die Grünen, geschweige denn die SPD?). Joschka hat überall immer nur gelogen, von Ökologie hat er eh keine Ahnung und seine Parteiarbeit erstreckte sich eher im “Kartenspielen und Biersaufen”. Toll, werden sich die LeserInnen sagen, der ist genau wie wir! Also, für wen schreibt sie das? Auweia, mir fällt soviel bösartiges dazu ein, aber das behalte ich lieber für mich.

Zu Denken gibt mir bei dieser Thematik eigentlich nur, warum wir als AnarchistInnen anscheinend immer eine höhere Moral haben, als andere Linke, wo wir doch eigentlich frei von jeder Moral sein sollten.

Zum Schluß noch ein Hinweis: Leute, kauft euch bloß nicht diese Hefte – Frau Ditfurth wird das Ganze sicher auch noch mal als Buch herausgeben, und dann hoffentlich zu einem Preis der unter den 30,-DM liegen wird, die ihr jetzt anlegen müßtet, falls euch das interessiert. Wahnsinn ist das schon, aber zum Glück gibt es ja noch Zeitschriften die lesenswert sind.