spurensicherung

Spurenverwischung?

| Elmar Klink

Eine Stellungnahme zu Anne Niezgodkas Artikel "Die Vermehrung der Drückeberger. Erinnerung an die Geschichte der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden", in: GWR 424, Dezember 2017, S. 13f.

Antimilitaristische Geschichtsschreibung von unten ist wichtig. Einen Beitrag dazu hat Anne Niezgodka vom Duisburger Archiv für alternatives Schrifttum (afas) mit ihrem GWR 424-Artikel “Die Vermehrung der Drückeberger. Erinnerung an die Geschichte der Soelbstorganisation der Zivildienstleistenden” geleistet. Vor dem Abdruck hatte die GWR-Redaktion den Artikel u.a. mit dem ehemaligen SodZDL-Aktivisten und “Ausbruch”-Redakteur Alexander Leuthold diskutiert und nach Rücksprache mit der Autorin um einige Informationen ergänzt. Anne Niezgodkas GWR-Artikel wurde von etlichen Internetseiten gespiegelt und im Januar 2018 gekürzt von der Düsseldorfer Stattzeitschrift “TERZ” 1/18 nachgedruckt. Die folgende Stellungnahme vlöste im GWR-HerausgeberInnenkreis eine Diskussion aus, die sich in der nebenstehenden Antwort von Gernot Lennert auf Elmar Klinks Beitrag spiegelt. (GWR-Red.)

Die verdienstvolle, aber trotz offenbar reichhaltig vorliegenden Archivmaterials unvollständige Erzählung der Autorin gerät an einigen Stellen eher zur Spurenverwischung als Spurensicherung und bedarf der Ergänzung und auch Korrektur. Geschichte ist eben nicht nur aus Archivkartons rekonstruierbar. Ein Interview (oder Nachfrage) mit dem langjährigen Geschäftsführer Peter Tobiassen von der Zentralstelle KDV (s. u.) hätte manches vorab gerade gerückt und ergänzt. Er und ich arbeiteten seit 1977 als studentische Hilfskräfte in den Bremer Bundesgeschäftsstellen der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für KDV (EAK) und Zentralstelle für Recht und Schutz der KDV e. V. mit, denen zu jener Zeit der evangelische Gemeindepastor Ulrich Finckh (*1927) geschäftsführend vorstand. Beide hatten wir 1976/77 fast gleichzeitig beim Sozialen Friedensdienst e. V. Bremen (SFD) den 16-monatigen Zivildienst geleistet und waren gewählte Vertrauensleute der etwa 30-köpfigen ZDL-Gruppe. Seit 1976 waren wir über mehrere Jahre als Berufs-ZDL aktiv in der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden (SOdZDL) und stellten von 1976 bis 1978 die Redaktion und den Vertrieb des Bundesinfos der SO diskussionsforum (diskofo). Bis zu ihrer Selbstauflösung 2014 war Tobiassen Geschäftsführer der Zentralstelle KDV, während ich von 1991 bis 2008 u. a. als KDV-Berater in der Bundesgeschäftsstelle der EAK mitarbeitete.

SO

Die Geschichte der SO (Selbstorganisation), wie man sie im Kurzsprech meistens abkürzte, verzeichnete in den frühen 1970ern einen Aufschwung, eine sehr aktive Mittelphase mit dem Höhepunkt des bundesweiten ZDL-Streiks und der Aktionswoche im Januar 1978 (man sprach damals noch von ZDL statt von Zivis, was erst in den 80er Jahren aufkam), und einen langen Abschwung seit den mittleren 1980er Jahren. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre spielte sie politisch im Grunde keine nennenswerte Rolle mehr, wurde wieder zum Anhängsel der DFG-VK Gruppe in Frankfurt, die freilich nicht mehr den Charakter von früher hatte mit ihrer ideologischen Nähe zur DKP. Man kann einiges über die Geschichte der KDV/Wehrpflicht, des Zivildienstes und mittelbar der SO nachlesen und erfahren aus den beiden Büchern zur Geschichte und Funktion der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer, kurz: Zentralstelle KDV oder Organisation Finckh, wie man sie auf der Bonner Hardthöhe auch respektvoll nannte. 1983 erschien zum 25-jährigen Bestehen der Band “Die Freiheit, Nein zu sagen!” Vor allem in zwei Kollektiv-Artikeln werden darin Inhalt und Verlauf der Verhandlungen zwischen der Vorläuferorganisation der Zentralstelle ab 1953 (Ausschuss der Friedensverbände) und die Geschichte bis 1982 rekonstruiert. Dabei waren früh kontroverse Positionen zwischen antimilitaristisch orientierten pazifistischen Verbands-Vertretern (IDK) und dem Ausschuss-Sprecher Friedrich Siegmund-Schultze vom Versöhnungsbund deutlich geworden. Man befürchtete zu viele Zugeständnisse des diplomatisch geschickt agierenden Versöhnungsbundvorsitzenden gegenüber der Staatsseite bei der Ausführung des KDV-Paragraphen im Grundgesetz bei Gewissensprüfungen und bei der Gestaltung eines sozialen Alternativdienstes als reinem Wehrersatzdienst, wie es dann zum Teil auch bestimmende Realität wurde. Später folgte noch als systematische, organisationssoziologische Studie Für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Einfluss und Bedeutung der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e. V. von Norman Ciezki (Münster 1999). Ferner reflektieren die Entwicklung auch Bücher, die von einigen Totalverweigerern verfasst wurden wie Christoph Bausenwein, Christian Herz, Christoph Rosenthal (der u. a. auch ein Knastbuch dazu schrieb) und den Dokumenten zum Widerstand gegen die Wehrpflicht, federführend zusammengestellt und vorgelegt von Dieter Schöffmann et al (erschienen bei Weber-Zucht).

Der langjährige Praxisbegleiter des Bremer SFD, Heinz Janning, hat als Pädagogik-Diplomarbeit eine intensiv recherchierte und kommentierte Dokumentation (mit Materialband) über die politische Vorgeschichte der Kriegsdienstverweigerung nach 1945 auf Länderebene bis zu den Beratungen im Parlamentarischen Rat verfasst. Die EAK legte 2007 ihr Geschichts-Buch “Nein zu Krieg und Militär. Ja zu Friedensdiensten. 50 Jahre evangelische Arbeit für Kriegsdienstverweigerer” vor. Und aus der Textsammlung “Ulrich Finckh: Vom heiligen Krieg zur Feindesliebe. Beiträge zu Rechtsstaat und Friedensethik” (Stuttgart 2011) kann man einiges aus erster Hand erfahren über die Geschichte der Wehrpflicht/KDV, Bundeswehr und verfassungsrechtliche Manipulationen zur KDV-/Zivildienst-Gesetzgebung. Diverses zur KDV-/Zivildienst-Geschichtsschreibung tragen auch Veröffentlichungen der DFG-VK bei. Als kritisches Standardwerk zur Thematik mit ausführlichem Umfrageanhang ist Albert Krölls Studie Kriegsdienstverweigerung. Das unbequeme Grundrecht anzusehen, die ab 1980 in der Europäischen Verlagsanstalt in mehreren aktualisierten Auflagen erschien. Im von Heinz Janning herausgegebenen, material- und faktenreichen Sammelband Kriegs-/Ersatzdienstverweigerung in Ost und West (1990) wurde nach der Epochenwende 1989/90 erstmals eine Zusammenschau der verschiedenen Länderregelungen und deren Auswirkungen auf die Betroffenen dargestellt und untersucht. Bernd Eisenfeld (ehem. DDR-Bausoldat), Uwe Koch und Stefan Eschler nahmen in ihren Darstellungen “Kriegsdienstverweigerung in der DDR. Ein Friedensdienst?” (1999) und “Zähne hoch, Kopf zusammenbeißen” (1994) die Geschichte der Kriegsdienstverweigerung in der DDR genau unter die Lupe. Patrick Bernhards umfangreiche Untersuchung “Zivildienst zwischen Reform und Revolution: eine bundesdeutsche Institution im gesellschaftlichen Wandel 1961-1982” (München 2005) erfasst und bearbeitet die entscheidenden zwei Jahrzehnte politischer Entscheidungsvorgänge und gesetzgeberischer Regelungsvorhaben zum Zivildienst samt ihrer Folgen für die betroffenen Wohlfahrtsverbände und Dienstleistenden. Ergänzend dazu kann man die Studie “Der Zivildienst als Sozialisationsinstanz” (1996) von Heinz Bartjes betrachten. Daneben existiert noch die materialreiche wissenschaftliche Dokumentation “Wehrpflicht und Gewissen” vom Anwalt und Juristen der Unionsopposition Dieter Blumenwitz im Verfahren zur KDV- und Zivildienstnovellierung 1977/78 vor dem Bundesverfassungsgericht. Soviel zur nachschlagbaren Quellenlage der Literatur.

diskofo”

Unerwähnt lässt die Autorin das bundesweite Organ der SO, “diskofo – diskussionsforum”, das ab 1976 zeitweilig mit 800 bis 1.000 Ex. Auflage erschien und in Bremen mit einfachsten Mitteln redaktionell hergestellt, gedruckt und vertrieben wurde (Streikauflage 1978: 3.000). Es erfüllte als Mitteilungs- und Diskussionsblatt mit Reportagecharakter gerade 1977/78 bei der Organisation des bundesweiten Zivildienststreiks gegen den sog. Leber-Iven-Plan eine überaus wichtige Funktion. Damals war das inquisitorische KDV-Prüfungsverfahren vorübergehend ganz ausgesetzt worden und machte dem Postkartenverfahren Platz. Jede Grußkarte und jeder Brief mit einer Anfrage zur KDV ans staatliche Zivildienstbundesamt wurde als KDV-Antrag registriert und gewertet und führte im Zuge von weiteren gezielten Manipulationen der KDV-Statistik zu einem nur vermeintlichen signifikanten Anstieg der Anträge (70 bis 80.000). Bundesweit streikten – wie wir damals ermittelten – etwa 60 % aller im Dienst befindlichen ZDL meist in größeren Dienststellen, immerhin etwa 15.000 von 25.000, gegen Verschlechterungen im Zivildienst. Zu einer Großdemo in Dortmund mit zentraler Kundgebung konnten 15.000 Menschen mobilisiert werden. Bereits davor wurde im Anschluss an eine Bundesdele-giertenkonferenz der SO in Dortmund mit etwa 100 Teilnehmenden eine symbolische Besetzung des Vinckehofs in Castrop-Rauxel als geplanter ZDL-Sammelunterkunft für einen Tag und eine Nacht organisiert (man setzte die Konferenz dort fort, schlief direkt vor Ort in der Turnhalle und hatte einen Wachdienst eingerichtet). Der Vinckehof galt als zentraler Modellversuch einer Gemeinschaftsunterkunft im Zuge des Leber-Iven-Plans, der eine damals SPD-Verteidigungsminister, der andere Beauftragter für den Zivildienst beim zuständigen Ministerium, beide rechte Kanalarbeiter bei den Sozialdemokraten. Dort sollten ZDL in großer Zahl zentral untergebracht (kaserniert) und nach Bedarf in mobilen Gruppen in der Region eingesetzt werden. Das Projekt wurde nach massivem politischem und ZDL-Protest schließlich aufgegeben, obwohl es anfangs noch mit ersten Einberufenen versucht wurde. Wir machten sogar für das diskofo eine zweiteilige Reportage über die Lage vor Ort, interviewten den staatlichen Zivildienstgruppenleiter und einige der ZDL-Kollegen. Diesmal schliefen wir offiziell als Gäste in einem der Mehrbettzimmer. ZDL zu kasernieren klappte schon zu Beginn der 70er Jahre nicht, als dies auf ähnliche Weise in Schwarmstedt bei Hannover versucht wurde. Damals vermittelte Pastor Finckh bereits im Konflikt zwischen Staat und protestierenden EDLern. Man versuchte es nach 1978 nie wieder. Der Leber-Iven-Plan, den Zivildienst zur lästigen Alternative auszugestalten, der auch noch weitere gravierende Verschlechterungen vorsah, wurde stillschweigend ad acta gelegt. Die perspektivisch angestrebte, grundgesetzwidrige, deutliche Verlängerung des Zivildienstes auf 18 Monate oder sogar 24 Monate sollte als Probe auf die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung des Einzelnen gelten, dafür auch erhebliche zeitliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie konnte sich jedoch politisch nicht durchsetzen und wäre mit Flächenstreiks der ZDL beantwortet worden.

Einflussnahme von K-Gruppen auf die Zivildienstpolitik

In den 1970er Jahren, das sieht die Schreiberin nicht korrekt, gab es noch eine bestimmte Einflussnahme auch von K-Gruppen (KB, KBW) auf die Zivildienstpolitik, besonders auch beim ersten Kasernierungsversuch. Die SO war praktisch vom Verband der KDVer (VK) (ab 1974 mit der DFG fusioniert zur DFG-VK) gegründet worden als ihr politischer Arm und Ableger im Ersatz-, später Zivildienst, orientiert an der DKP. Um Einfluss auf ihre Führung wurde von verschiedenen Gruppen hart gekämpft und dabei spielte der Kommunistische Bund (KB-Nord) nicht nur angeblich, sondern tatsächlich eine nicht unwichtige Rolle. Die redegewandten Hamburger KBler Sielaff und Hellmann waren eine Zeitlang SO-Bundessprecher. Auf dem Bundeskongress 1976 in Frankfurt im Saal der Jugendherberge am Mainufer, wurde sozusagen die DFG-VK mit ihrem bestimmenden Einfluss auf die SO und der Fixierung auf eine KSZE-Abrüstungskampagne per Abstimmung zurückgedrängt, faktisch wurden ihre Vertreter in der SO-Führung wie der Zivildienstreferent der DFG-VK entmachtet und das diskofo in die redaktionelle Zuständigkeit der Bremer SO-Gruppe gegeben, die ein geändertes tragfähiges Basiskonzept für das Bundesorgan als Antrag zur Beratung vorgelegt hatte. Dabei sollten die Gruppen mehr zu Wort kommen, eigene Artikel schreiben und es sollte mehr den Berichten aus Zivildienststellen und über Konflikte in Dienststellen Raum gegeben werden, was dann auch zunehmend gut funktionierte. Eine redaktionelle Vorgabe an die Qualität der Beiträge gab es so gut wie nicht. Alle strengten sich sichtlich an. Nur einmal kam es zu einer ernsten Kontroverse, weil wir von der Redaktion es ablehnten, auch im diskofo den umstrittenen Buback-Nachruf eines Göttinger Mescalero abzudrucken. Die Ausrichtung der SOdZDL wurde nun deutlich antimilitaristischer.

Basisorientiert

Es stimmt nicht, dass die SOdZDL zu jener Zeit hierarisch gegliedert oder organisiert war, eher war sie produktiv chaotisch. Sie war eine durch und durch basisorientierte Organisation mit demokratischem Delegiertenprinzip von unten. Neben den Bundestreffen gab es noch regionale Treffen wie z. B. im Norden, meistens in Hamburg in der ESG, wo Gruppen aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen zusammen kamen. Ohne die Aktiven des KB, die sich weitgehend an die Spielregeln hielten, hätte es 1978 keinen bundesweiten Zivildienst-Streik gegeben. Es gab andere Gruppen mit anderen Ausrichtungen, von anarchopazifistisch, antimilitaristisch-pazifistisch bis spontaneistisch und gewerkschaftlich-syndikalistisch, wie sich z. B. die Bremer Gruppe verstand. Ein buntes, vielfältiges, horizontales Bild, aber keine Hierarchie. Man versuchte anfangs noch, als ZDL Mitglied in der Gewerkschaft ÖTV (heute ver.di) zu werden, was diese jedoch per Bundesbeschluss ablehnte, da ZDL parallel zu wehrpflichtigen Soldaten in einem besonderen Gewaltverhältnis zum Staat stünden, was dies nicht erlaube (ähnlich wie Beamte). Politische Betätigung im Zivildienst war wie pazifistisches Agitieren genauso wie bei der Bundeswehr verboten. ZDL durften nicht im pädagogischen Bereich mit normalen Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden, es sei denn diese waren schwer körperlich und geistig behindert (eine besondere Diskriminierung der Betroffenen). Streiken war verboten. An der Basis gab es vielfältige Formen der Zusammenarbeit und Solidarität mit Vertreter*innen der DGB-Jugend, Gewerkschaft ÖTV oder jenen, in deren Zuständigkeitsbereichen ZDL Dienst leisteten (z. B. Gartenbau) und dabei wie in Krankenhäusern versteckt häufig Planstellen besetzten. Die SO war so gesehen über viele Jahre ersatzweise die Gewerkschaft der ZDL, bei deren Aktivitäten es auch immer um das Erreichen und Verteidigen materieller Forderungen und Proteste und Widerstand gegen Disziplinar- und Zwangsmaßnahmen ging. Nicht selten waren Dienststellen-Beauftragte für Zivis ehemalige Typen vom Bund, die meinten, sie müssten den Schleifer raushängen. Wir waren in Bremen mit die ersten, die eine regelmäßige ZDL-Beratung der SO anboten, die viel genutzt wurde. Die SO war Mitgliedsverband der Zentralstelle KDV, was ihre Position stärkte, und hatte über vorgeschlagene ZDL sogar einen Sitz im staatlichen Zivildienstbeirat.

Schwerpunkt Antimilitarismus

Nach 1978 trat der antimilitaristische Schwerpunkt in der SO noch stärker in den Vordergrund. Die Nürnberger Gruppe übernahm das Bundesorgan und benannte es nach einiger Zeit von diskofo um in “Ausbruch – Orkan der SOdZDL”. Seit dem praktizierten neuen Konzept 1976 wurde dem Thema Totalverweigerung (TV) breiter Raum gegeben. Darüber erfährt man nichts Näheres aus Anne Niezgodkas Beitrag. Dem viel und kontrovers diskutierten Aufsatz des HSFK-Friedensforschers Egbert Jahn Hat der Zivildienst eine Funktion für die Friedensbewegung? in der “antimilitarismus information” (ami-paper) war schon 1975 eine gedankliche Initialzündung zugefallen. Die politischen Total- und Zivildienstverweigerer, damals vielleicht 15 bis 20 an der Zahl, (schon 1971 der Jungdemokrat Peter Rath, Dieter Schöffmann und Sigi Rupnow von der 1974 gestarteten Internationalen Kollektiven Widerstandskampagne gegen die Wehrpflicht und Ersatzdienste u. a.), brachten neuen Schwung und Gehalt in die Diskussion, vor allem wurde im Kern eine kritische Zivildienstanalyse betrieben, durch die der wahre Charakter des staatlichen Zivildienstes als sozialem Zwangs- und Hilfsdienst im Kriegsfall offengelegt wurde. Unterstützt wurde dies auch von dem ehemaligen Bekennende Kirche-Pfarrer i. R. Heinrich Grißhammer in Niddatal und seinen Mitstreitern durch sein kleines, aber wichtiges TVer-Mitteilungsblatt “Die Nachrichten”. Er griff immer wieder die staatsabhängige Amtskirche scharf an, ihre männliche Jugend widerstandslos der Wehrpflicht auszuliefern.

Zivildienstüberwachung und zivil-militärische Pläne

In Bremen verlegten wir uns von 1980 bis 1986 in Kooperation mit dem evangelischen Landeskirchlichen KDV-und Zivildienstbeauftragten in der EAK u. a. auf die Bildungsarbeit zu diesem Thema (Gewissen im Ernstfall) bei Zivildienst-Ab-Rüstzeiten. Immer mehr Zivildienstleistende verweigerten noch im Zivildienst oder danach als Ehemalige in örtlichen Aktionen wie im Mai 1980 in Bremen (Zivildienstausweise und sonstige Wehrpflicht-Dokumente in Kunstharz gegossen und öffentlich ausgestellt) die Zivildienstüberwachung, in der eine Voraussetzung für die zivile und zivil-militärische Einplanung in die NATO-Atomkriegsszenarien des Kalten Kriegs erkannt und abgelehnt wurde (die GWR berichtete damals). Die konservativ-liberale Regierung seit 1982 hatte es u. a. mit jüngeren dynamischen Typen wie dem Zivildienst-Bundesbeauftragten Peter Hintze geschafft, die Unruhe im Zivildienst trotz deutlich mehr Zivis im Dienst und Kritik an ihm weitgehend zu befrieden und zu entschärfen. Es erwies sich auch in der Breite als nicht unkluger, entpolitisierender Schachzug, die Wehrpflicht 2011 bis auf weiteres auszusetzen, was den nur noch 9- bzw. 6-monatigen Zivildienst in seiner finalen Sinngebung als Lerndienst beendete. Bzw. durch einen Bundesfreiwilligendienst für alle Altersgruppen bis zu 24 Monaten ersetzte, in dem nach Auskunft der Bundesregierung von 2015 knapp 39.000 Helfende Dienste leisteten. Dafür hatten kirchliche Betreuungseinrichtungen (KAK, EAK) und menschenrechtliche Organisationen (Zentralstelle KDV, Grundrechtekomitee, Humanistische Union) fast alle früheren radikalen Forderungen der SO übernommen bis hin zur Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes in seiner surrogatären, einem Friedensdienst entgegen gesetzten Form (Das Gegenteil von Krieg ist nicht Frieden, sondern Friedensdienst. E. Rosenstock-Huessy). Während sich die DFG-VK damit noch lange schwer tat und ihre Funktionäre im Vorstand sich nicht zu einer Totalverweigerungs-Kampagne durchringen konnten, davon große Nachteile für ihre Existenz befürchteten. Nicht vergessen werden darf, dass es durch die jahrzehntelangen Verweigerungen zwischen 1,5 und 2 Millionen Kriegsdienst-verweigerer in der BRD-Gesellschaft geben dürfte, davon eine erhebliche Zahl schon im Rentenalter und Großväter. Rotes Großväterchen, erzähl uns vom Zivildienst

Elmar Klink