Neue Perspektiven entdecken

Ein Blick ins Programm der Anarchistischen Buchmesse Mannheim vom 26. bis zum 29. Mai 2022

Welche Bandbreite an Themen die dreitägige Anarchistische Buchmesse in Mannheim vom 26. bis zum 29. Mai 2022 bereithält, verrät hier ein erster Überblick. Aus Platzgründen konnten wir die Ankündigungstexte nicht in voller Länge dokumentieren. Genauere Informationen zu den einzelnen Lesungen und Vorträgen findet ihr auf der Homepage der Buchmesse. Mit Ausnahme des Abendprogramms finden alle Veranstaltungen im forum Mannheim, Neckarpromenade 46, statt. (GWR-Red.)

Donnerstag, 19.30 Uhr, Messesaal
Gewaltfreiheit in Zeiten des Krieges Podiumsdiskussion

Der russische Angriff in der Ukraine bringt den Krieg zurück auf den europäischen Kontinent. Er macht uns mit einem Schlag wieder bewusst, dass die Bedrohung durch feindliche Armeen kein dunkler Geist aus der Vergangenheit ist, sondern eine ganz aktuelle Gefahr darstellt.
Gerade für Anarchist*innen und Kriegsgegner*innen stellen sich nun Fragen mit großer Aktualität, die schon in den letzten Jahren immer wieder aufgekommen sind – beispielsweise angesichts des Eroberungsfeldzugs der IS-Terrormiliz oder des türkischen Einmarsches in Rojava: Welche Perspektive hat die gewaltfreie Aktion angesichts eines Aggressors, der mit brutaler Gewalt auch gegen Zivilist*innen vorgeht? Können wir Waffenlieferungen an die ukrainische Armee unterstützen? Wie sollen wir die gewaltige Aufrüstung der Bundeswehr und die Verstärkung der NATO-Präsenz in Europa bewerten?
Diesen und anderen Fragen wollen wir in der Podiumsdiskussion nachgehen, mit der die diesjährige Anarchistische Buchmesse eröffnet wird.

Freitag, 10 Uhr, Raum 1
Anders Wirtschaften – wie kommen Utopien in den Alltag? Zwischen Versuchen und Vereinnahmungen, Möglichkeiten und Grenzen
Vortrag und Diskussion mit Elisabeth Voß

So langsam scheint auch in Politik und Wirtschaft die Erkenntnis angekommen zu sein, dass es mit dieser zerstörerischen Wirtschaftsweise so nicht weitergehen kann. Aber was ist eigentlich Wirtschaft bzw. wie kann sie verstanden werden? Und wie kann sie nachhaltig werden im Sinne der viel zitierten Nachhaltigkeitsziele, der 17 „Sustainable Development Goals“? Ist das überhaupt erstrebenswert, oder welche Fallstricke stecken darin?
Der plötzlichen Zuneigung machtvoller Akteure zu ökonomischen Alternativen wird eine antikapitalistische Perspektive entgegengesetzt. Denn für ein gutes Leben für jede*n überall sind Kritik und Widerstand ebenso wichtig wie der Aufbau wirtschaftlicher Alternativen.

Freitag, 10 Uhr, Raum 2
Figuren der (Anti-)Politik im Anarchismus
Vortrag und Diskussion mit Jonathan Eibisch

Es gibt gute Gründe, die Politik von Regierungen, staatlichen Institutionen, Parteien und NGOs zu kritisieren. Gleichzeitig wollen Menschen in selbstorganisierten Zusammenhängen eigene Politikformen hervorbringen. Anarchist*innen haben eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem Politikmachen überhaupt. In der politischen Theorie des Anarchismus werden Individuen, das Soziale, die Gesellschaft, Ökonomie und Gemeinschaft als Gegenpole zur Politik verstanden, während letztere oftmals dem staatlichen Herrschaftsverhältnis zugeordnet wird.
Ist politisches Handeln daher überhaupt etwas, was wir verfolgen sollten? Wann, unter welchen Umständen und wie agieren wir auf dem politischen Feld? Gibt es eine autonome Politik, und was sind ihre Kriterien?

Freitag, 12 Uhr, Raum 1
Reproduktive Freiheit.
Eine feministische Ethik der Fortpflanzung
Buchvorstellung und Diskussion mit Antje Schrupp

Traditionellerweise wurde Reproduktion über eine heteronormative Geschlechterordnung geregelt mit klar verteilten Aufgaben für „Mütter“ und „Väter“. Vor allem dank der Frauenbewegung ist diese Ordnung heute infrage gestellt. Frauen pochen auf ihre Freiheit, und Menschen mit Uterus klagen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung ein. Gleichzeitig werden binäre Geschlechterkonstrukte ganz prinzipiell hinterfragt und neue symbolische Geschlechterordnungen in den Blick genommen. Dabei müssen neue ethische Kriterien entwickelt werden, die sich nicht länger an den traditionellen heteronormativen Mustern orientieren.
Antje Schrupp macht in ihrem neuen Buch konkrete Vorschläge, wie reproduktive Gerechtigkeit in einer herrschaftsfreien Gesellschaft neu gedacht werden kann.

Freitag, 12 Uhr, Raum 2
Organizing und Selbstorganisation – eine „linke Perspektive“
Vortrag und Diskussion mit Rudolf Mühland

Der Vortrag widmet sich dem „Union Organizing“ auf der Grundlage der realen Situation in der BRD. Dazu gehört es anzuerkennen, dass die sozialpartnerschaftlichen Verbände (DGB) die prägende Struktur in der Arbeiter*innenbewegung sind. Auch der Faschismus hat in der BRD bis heute nicht zu übersehende Spuren hinterlassen. Davon ausgehend untersucht Rudolf Mühland die Vorteile und Risiken des Organizing in dem Spannungsfeld (?) von Organizing und Selbstorganisation auf Basis langjähriger Erfahrung in Betrieben (mit und ohne Gewerkschaften) und der Beteiligung an Klassen- und Arbeitskämpfen.

Freitag, 14 Uhr, Raum 1
All You Need Is Less
Vortrag und Diskussion mit Nico Paech

Die Hoffnung, dass wirtschaftliches Wachstum durch technischen Fortschritt nachhaltig oder klimafreundlich gestaltet werden kann, ist längst an der Realität zerschellt. Deshalb gilt es, die Möglichkeiten einer Postwachstumsökonomie auszuloten. Statt arbeitsteiliger, geldbasierter und globalisierter Versorgungsmuster wären Suffizienz und urbane Subsistenz als Ergänzung eines merklich reduzierten und umstrukturierten Industriesystems bedeutsam. Aber wie lässt sich Suffizienz jenseits plumper Verzichtsforderungen begründen?
Hier bietet sich eine zeitökonomische Rekonstruktion des modernen Daseins an, die Reduktion und Entschleunigung als proaktive Gestaltungselemente offenlegt.

Freitag, 14 Uhr, Raum 2
Plattformismus & Especifismo: Einführung in zwei anarchistische Organisationsansätze
Vortrag und Diskussion

Dieser Vortrag stellt mit dem Plattformismus und dem Especifismo zwei spannende anarchistische Organisationsansätze aus unterschiedlichen Weltregionen und Epochen vor. Thematisiert werden ihre historischen Ursprünge, ihre wichtigsten Merkmale und die Organisationen, die sich heute darauf beziehen. Außerdem soll ein Blick auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Ansätze geworfen und die Frage beantwortet werden, inwiefern sie heute in unserer Region angewendet werden können.
Der Vortrag wird von einem Mitglied der anarchakommunistischen Plattform gehalten, die sich selbst auf die beiden Ansätze bezieht.

Freitag, 16 Uhr, Raum 1
Genossenschaften. Geschichte, Aktualität und Renaissance
Buchvorstellung und Diskussion mit Gisela Notz

Genossenschaften waren in der Geschichte und sind auch heute ein wichtiger Faktor in der bundesdeutschen Wirtschaft.
Die Veranstaltung thematisiert den Kampf um die Verwirklichung des Wunsches nach selbstbestimmtem und selbstverwaltetem Wohnen, Konsumieren und Arbeiten zu Beginn der Industrialisierung. Die Leitfrage ist, ob genossenschaftliche Alternativen sich im Schoße des Bestehenden so entwickeln können, dass der Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger Privilegierter Einhalt geboten wird und das Wohlbefinden aller Menschen gesichert ist. Das bezweifelten auch weite Teile der Arbeiter*innenbewegung.
Schließlich geht es auch um den utopischen Gehalt der heutigen „neuen Genossenschaften“ im Wohnungsbau, der Energie- und Verbraucher-Erzeugergenossenschaften.

Freitag, 16 Uhr, Raum 2
Die Erfindung des muslimischen Anderen. Zusammenhänge des antimuslimischen Rassismus
Lesung und Diskussion mit Mehmet Arbag

Antimuslimischer Rassismus durchzieht unsere Gesellschaft. In den Diskursen werden Fragen behandelt, die das stereotype Bild „des muslimischen Anderen“ verfestigen: Was haben alle „Muslim*innen“ gemeinsam? Wie steht es um die „Islamisierung des Abendlandes“? Wieso positionieren sich Muslim*innen nicht stärker gegen Terrorismus?
Dahinter verbirgt sich häufig die Annahme, dass es Eigenschaften gibt, die alle Muslim*innen teilen, und eine Auseinandersetzung mit diesen „fremden Menschen“ den Rückgewinn an Handlungssicherheit bedeutet. „Die Erfindung des muslimischen Anderen“ greift diese Hoffnungen auf, enttäuscht sie und wendet den Blick zurück auf eine Gesellschaft, die kontinuierlich jene allzu bekannten Bilder über „Muslim*innen“ produziert.

Freitag, 18 Uhr, Raum 1
Umkämpftes Wohnen. Neue Solidarität in den Städten
Buchvorstellung und Diskussion mit Peter Nowak

In Zeiten gesteigerter Verwertungsinteressen und angespannter Wohnungsmärkte wird für immer breitere Bevölkerungsteile schmerzhaft erfahrbar, die persönliche Wohnungsfrage individuell nicht mehr lösen zu können. Dabei entstehen im Wohnumfeld und städtischen Raum statt Ressentiments Suchbewegungen nach praktischer Solidarität. Konkrete Mieter*innenkämpfe entwickeln sich zu neuer Stadtteilarbeit.
Peter Nowak und Matthias Coers stellen mittels Text und Bild Initiativen aus dem In- und Ausland vor, geleitet von der Frage, wie Kämpfe um Wohnraum, niedrige Mieten, gegen Verdrängung und die Kämpfe um höhere Löhne und Einkommen zusammen geführt werden können.

Freitag, 18 Uhr, Raum 2
Befreiung von Geld und Eigentum … und warum das noch lange nicht reicht
Lesung und Workshop mit Johann

Ein ökonomisches System existiert nicht außerhalb des bürgerlichen Denkens und der bürgerlichen Welt. Es geht heute um eine radikale Kritik daran, die über die Entstehung von Eigentum, Geld und Ökonomie, über die Warenverhältnisse und Arbeit in der patriarchalen Kulturgeschichte sowie die symbiotische Entstehung von Ökonomie, Staat und Militär nachdenkt.
Angesichts des aktuellen Krieges wird dabei ein Schwerpunkt auf das Verhältnis von warenproduzierendem Patriarchat, Krieg, Rüstung und Militarisierung gelegt.
Mehr unter: befreiungvomgeldundeigentum.blackblogs.org

Freitag, 20.30 Uhr, Cinema Quadrat
Das Gegenteil von Grau
Ein Dokumentarfilm von Matthias Coers und Recht auf Stadt Ruhr (BRD 2017, 90 min)

Der Film handelt von Transition-Town-Initiativen und Stadtkämpfen am Beispiel des Ruhrgebiets, von Freiraum- und Wohnkämpfen über Solidarische Landwirtschaft bis hin zur Refugees’ Kitchen. Das Gegenteil von Grau zeigt unterschiedliche Gruppen, die praktische Utopien und Freiräume leben und für ein solidarisches und ökologisches Miteinander im urbanen Raum kämpfen.

Ort: Cinema Quadrat, Anschrift: K1, 2 (Mannheim-Innenstadt), Haltestelle Abendakademie

Samstag, 10 Uhr, Raum 1
Anarchismus hoch 4
Vortrag und Diskussion mit Bernd Drücke, Silke, Vera Bianchi

„Seit 1999 sind die von Bernd Drücke allein oder gemeinsam mit Mitstreiter*innen geführten Interviews ein fester Bestandteil der Zeitschrift Graswurzelrevolution (GWR). Seine Interviews können als Teil einer ‚Oral History‘ (‚mündliche Geschichte‘) des aktuellen Anarchismus verstanden werden, bieten den Leser*innen Anregungen und Denkanstöße und machen Mut und Hoffnung in einer Zeit, die eher durch Utopielosigkeit gekennzeichnet ist“, so Maurice Schuhmann 2019 in einer Rezension zur Neuauflage des Interviewbands „Ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert“.
2022 feiert die anarchistische Monatszeitschrift Graswurzelrevolution (GWR) auf der Anarchistischen Buchmesse in Mannheim ihren 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass präsentiert GWR-Mitherausgeber Bernd Drücke zusammen mit Vera Bianchi und GWR-Redakteurin Silke einige Leckerbissen aus den Anarchismus-Hoch-Vier-Interviewsammelbänden.

Samstag, 10 Uhr, Raum 2
Aktionen für eine Zukunft ohne Autos: Verkehrswendepläne, Nulltarif, Fahrradstraßen, Blockaden und mehr
Workshop mit Jörg Bergstedt

Dieser Workshop zeigt die Möglichkeiten, wie wir die Verkehrswende voranbringen. Er beginnt mit einem Überblick, was verkehrspolitisch nötig ist (Autos raus, Fahrradstraßen, Nulltarif, kurze Wege usw.). Danach geht es um viele Aktionsideen, mit denen wir das durchsetzen können – vor allem lokal und regional. Die Ideen reichen vom Aktionsschwarzfahren über Kommunikationsguerilla und Fahrradaktionen bis zu großen Aktionen, um per Versammlungsrecht mal einen Tag euren Ort autofrei zu blockieren, Baustellen zu besetzen oder sich über Autobahnen abzuseilen.

Samstag, 12 Uhr, Raum 1
Markt zerfrisst Gesundheitswesen! Stimmen aus einem zornigen Bereich
Lesung und Diskussion mit Klaus Dallmer

Kolleg*innen aus den Krankenhäusern, Gewerkschafter*innen und Mitglieder der Bündnisse gegen die Profite mit der Gesundheit geben einen Einblick in haarsträubende Zustände, zu denen die Unterwerfung des Gesundheitswesens unter die Marktzwänge geführt hat. Personalnot, Lohndumping, Tempozwang und Operationenwettlauf schnüren der Gesundheit von Personal und Patient*innen die Luft ab. Zentraler Hebel zur Durchsetzung des ökonomischen Drucks ist die Finanzierung über Fallpauschalen. Corona hat uns die Zustände in den Krankenhäusern wie unter einer Lupe gezeigt.
Aber die Beschäftigten des Gesundheitswesens haben vor einigen Jahren begonnen, sich massiv zu wehren.

Samstag, 12 Uhr, Raum 2
Unter sticht Ober. Eine Sozialgeschichte der bayerischen Revolution 1918/19
Buchvorstellung und Diskussion mit Roman Danyluk

Roman Danyluks Buch beschreibt die bayerische Revolution als großangelegten Versuch der gesellschaftlichen Befreiung unzähliger bis dahin benachteiligter Menschen: Arbeiter*innen, Erwerbslose, kleine und mittlere Bauern und Bäuerinnen, feministische Frauen und linke Intellektuelle. Der entschlossenen Initiative der Arbeiterklasse, der revolutionären Soldaten sowie von Teilen der einfachen Landbevölkerung war es überhaupt zu verdanken, dass der Krieg beendet, die Monarchie gestürzt sowie erstmals das allgemeine und Frauenwahlrecht erkämpft wurden.
Für einen kurzen historischen Moment schien die grundlegende Umwälzung der bürgerlich-kapitalistischen Klassengesellschaft tatsächlich zum Greifen nahe, doch die Verwirklichung egalitärer Gesellschaftsverhältnisse wurde durch militärische Gewalt jäh gestoppt.

Samstag, 14 Uhr, Raum 1
50 Jahre Graswurzelrevolution.Geschichte(n) von unten und der Kampf für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft.
Vortrag und Diskussion mit den Mitherausgeber*innen Bernd Drücke, Lou Marin und Silke

Seit 50 Jahren erscheint die Graswurzelrevolution (GWR). Diese Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft ist das langlebigste Organ des Anarchismus im deutschsprachigen Raum und zugleich ein Sprachrohr emanzipatorischer Bewegungen zum Beispiel für Klimagerechtigkeit, gegen Militarisierung, Krieg, Sexismus und Rassismus. GWR-Mitherausgeber Bernd Drücke wagt mit Hilfe von Dias einen anekdotenreichen und bisweilen amüsanten Ritt durch die Geschichte dieses Blattes sozialrevolutionärer Bewegungen. Zusammen mit Lou Marin und GWR-Redakteurin Silke zeigt er graswurzelrevolutionäre Perspektiven für Gegenöffentlichkeit und eine Graswurzelbewegung auf, jenseits von Staat, Kapitalismus und Gewalt.

Samstag, 14 Uhr, Raum 2
Geschichte der Umweltbewegung
Buchvorstellung und Diskussion mit Hanna Poddig

Der Sachcomic widmet sich der Geschichte der Umweltbewegung in Deutschland. Nach der „ersten Umweltbewegung“ im frühen 20. Jahrhundert wird die zweite Umweltbewegung ab den 1970er-Jahren beschrieben: von den Anti-AKW-Kämpfen in Wyhl, Wackersdorf, Brokdorf bis zum Hambacher Forst, den Fridays for Future und der Besetzung von Innenstädten.
Was waren, was sind die jeweiligen inhaltlichen Forderungen? Welche Aktionsformen wurden bevorzugt? Wo wurden Flächen besetzt, Bauzäune eingerissen, Maschinen sabotiert, wann Tiere befreit oder Straßen blockiert? In welchen Kämpfen mischten die Autonomen mit, und was können wir von den Zapatistas und der kurdischen Befreiungsbewegung lernen?

Samstag, 16 Uhr, Raum 1
Erfahrung Rojava. Berichte aus der Solidaritätsarbeit in Nord-Ostsyrien
Buchvorstellung und Diskussion mit Michael Wilk

Das Gesellschaftsmodell Nord-Ostsyriens, die Organisierung basisdemokratischer Selbstverwaltung, der Anspruch einer Gleichberechtigung der Geschlechter erfordert großen Einsatz, Mut und Kraft auf Seiten der Menschen Rojavas. Das Ringen um Autonomie gegenüber dem Assad-Regime, der Kampf gegen den IS und die Bedrohung durch das türkische Erdoğan-Regime belasten den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung. Solidaritätsarbeit ist ein wichtiger unterstützender Faktor.
Wie sehen Menschen ihren Einsatz unter diesen Bedingungen, welche Ansprüche vertreten sie, was hat sie motiviert oder enttäuscht? Wie manifestiert sich die Erfahrung des voneinander Lernens in und um die Bewegung in Rojava in den Herzen und Köpfen der Helfenden?

Samstag, 16 Uhr, Raum 2
Fallstricke der Emanzipation. Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute
Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen lebt die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen fort. Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Regressives kann sich auch in gut gemeinter antirassistischer Absicht verstecken.
Welche Mindestanforderungen müssen emanzipatorische Bewegungen erfüllen?

Samstag, 18 Uhr, Raum 1
Glitzer im Kohlestaub. Vom Kampf um Klimagerechtigkeit und Autonomie
Lesung und Vortrag mit zwei Leuten aus dem Herausgeber*innenkreis

Das Buch beschreibt die politischen Überlegungen der neuen (Klima-)Aktivist*innen, die wissen, dass ihre Kämpfe ebenso soziale Kämpfe sein müssen. Denn nur in einer radikal anderen Form des weltweiten Zusammenlebens und Zusammenwirtschaftens ist der Erhalt bzw. die Herstellung einer für die absolute Mehrzahl der Menschen lebenswerten Gegenwart und Zukunft möglich.
Ein „Green New Deal“ stellt hingegen lediglich einen kläglichen Versuch dar, kapitalistische Bedingungen über weitere Jahrzehnte hinweg aufrechtzuerhalten. Kapitalismus aber beruht seiner Grundbedingung nach auf Ausbeutungs- und Vernichtungsverhältnissen nicht nur von Menschen, sondern auch der Natur – und sei es zum Preis absoluter Zerstörung.

Samstag, 18 Uhr, Raum 2
Stärkere Strahlkraft. Wahrheit und Lüge in den polizeilichen Ermittlungen im NSU-Komplex 2000–2011
Buchvorstellung mit Daniel Roth und Markus Mohr

Elf Jahre lang ermittelte die Polizei in einer der größten Mordserien der Nachkriegszeit. Neun Migranten und eine Polizistin wurden hingerichtet. Im November 2011 verbreiteten Nazis ein Selbstenttarnungsvideo, in dem sie sich zu den Morden und zu Terroranschlägen auf migrantische Einrichtungen bekannten.
Mohr und Roth zeichnen die Rolle von Polizei und Justiz bei der Aufklärung der Verbrechen nach. Wie hat die Polizei bei ihren Ermittlungen zu der Mordserie ihre Wissensbestände aggregiert, welche konkreten Schlüsse hat sie dabei gezogen? Die in der nachträglichen Aufarbeitung des NSU zu der Polizeiarbeit wohlfeil zirkulierende Verwendung der moralisierenden Leerformel „Versagen“ wird einer kritischen Überprüfung unterzogen.

Samstag, 20.30 Uhr, zeitraumexit
Party „Happy Birthday:
50 Jahre Graswurzelrevolution“

ab 20.30 Uhr Jubiläumsempfang mit Begrüßung, Liedern aus Versehen und aus Notwendigkeit von Rüdi sowie Quizauflösung
ab 22 Uhr Party mit Skaot (Ska, Polka, Wodka, Rivolta) und Sigi Sputnik & OnePunchMickey (Punk, Wave, Soul und 80ies)
Eintritt gegen Spende
Ort: zeitraumexit, Hafenstr. 68, 68159 Mannheim, Haltestelle Dalbergstraße

Sonntag, 10 Uhr, Raum 1
Über die Zeugen Coronas und den Ausstieg daraus. Anarchistische Antworten und Perspektiven
Vortrag und Diskussion mit Gerald Grüneklee

Weshalb das Ende der einen Pandemie der Beginn der nächsten sein wird. Wie mit Angst Politik gemacht wird. Warum eine Impfpflicht gegen das Coronavirus Quark ist und worin sich der quasi-religiöse Kern der Debatten zeigt. Was anarchistische Antworten und Perspektiven auf den autoritär-kontrollstaatlichen Umbau im Schatten der Pandemie sein könnten. Diese Fragen und Thesen aus seinen Veröffentlichungen zur Gegenwart und Zukunft unter dem Virus bilden den Kern von Gerald Grünklees Vortrag.

Sonntag, 10 Uhr, Raum 2
Einführung in den Vegananarchismus
Vortrag und Diskussion mit den tierbefreier*innen Rhein-Neckar

Beginnend mit einer Begriffseinführung in Veganismus und Anarchismus möchte sich der Vortrag der Frage widmen, inwiefern Veganismus eine politische Schlussfolgerung anarchistischer Diskurse darstellt und wie Vegananarchismus einzuordnen und zu verstehen ist.
Der Vortrag richtet sich an Anarchist*innen, Tierrechtsaktive und Interessierte und soll niedrigschwellig angesetzt werden, d. h. es wird wenig Wissen vorausgesetzt, um die Wissenshierarchie möglichst gering zu halten.

Sonntag, 12 Uhr, Raum 1:
DAS TUN
Vortrag und Diskussion mit Friederike Habermann

Friederike Habermann zeigt auf, dass mit Markt und Tauschlogik keine emanzipatorische Gesellschaft zu erreichen ist, und benennt mögliche Auswege: Erstens, den Markt abbauen. Wir beenden die Konkurrenz, indem wir die Wirtschaft von unten umgestalten. Zweitens, kein zentraler Staat, sondern Demokratie ausbauen. Das heißt auch, dass unterdrückte Identitäten sich ermächtigen und Identitätskategorien in Frage stellen. Drittens, Commons aufbauen. Das heißt Räume schaffen, die auf Inklusion statt auf Exklusion beruhen.
Diese Wege ermöglichen bereits im Hier und Jetzt ein besseres Leben, auch wenn sie keine glatten Wege zur Transformation darstellen können.

Sonntag, 12 Uhr, Raum 2
Anarchismus in der Kibbuzbewegung.
Buchvorstellung und Diskussion mit dem Übersetzer Lou Marin

Die Studie von James Horrox umfasst 140 Jahre Geschichte der Kibbuzbewegung. Von der zweiten bis zur vierten jüdischen Einwanderungswelle in Palästina 1904 bis 1932 waren die Kibbuzim anarchistisch geprägt und stark von Kropotkins kommunistischem Anarchismus, Landauers Siedlungssozialismus und Bubers binationalem Föderalismus beeinflusst.
Erst als die zionistisch-etatistische Strömung von Ben-Gurion und Menachem Begin in der Kibbuzbewegung ab Ende der 1930er-Jahre die Oberhand gewann, wurde der Anarchismus in den Kibbuzim zurückgedrängt. Ganz erstarb er jedoch nie. Es kam nach reaktionären Phasen zu Formen der Renaissance, etwa ab den 1990er-Jahren in den urbanen Kibbuzim, als man sich der solidarischen Prinzipien der anarchistischen Frühphase wieder erinnerte.
Es gab Verbindungen zur jüngeren anarchistischen Bewegung in Israel, zu den neuen Kriegsdienstverweigerer*innen, zu äthiopisch-jüdischen Nachbarschaftsprojekten und sogar gemeinsame arabisch-jüdische Kibbuzim.
Das Buch bringt verdrängte Geschichte zum Vorschein und deutet Perspektiven jenseits der latenten und manifesten Kriege der Gegenwart an.

Sonntag, 14 Uhr, Raum 1
Die modernen Wanderarbeiter*innen. Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte
Buchvorstellung und Diskussion mit Kathrin Birner und Stefan Dietl

Sie arbeiten in Schlachthöfen, in der Pflege, auf dem Bau, in der Logistik oder der Landwirtschaft, aber auch im industriellen Sektor, und ihre Ausbeutung bildet zunehmend die Grundlage des deutschen Exportmodells: Zeitlich befristete Arbeitsmigrant*innen, die regelmäßig für einige Monate ihre Heimat verlassen, um in Deutschland zu arbeiten. Gekennzeichnet ist ihre Arbeit durch lebensgefährliche Arbeitsbedingungen, systematischen Lohnraub und die Umgehung arbeitsrechtlicher Normen.
Stefan Dietl und Kathrin Birner beschreiben die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse, aber auch den Widerstand von Wanderarbeiter*innen.

Sonntag, 14 Uhr, Raum 2
Zur Staatskritik Johannes Agnolis
Alireza und Paul Schulte

Nach Johannes Agnoli ist der Staat der konkrete politische Ausdruck der unterdrückenden Gesellschaft. Er hat im bestehenden System eine gewisse Autonomie gegenüber der Ökonomie, wird aber von dieser in seinem Handlungsspielraum begrenzt. Mit dem Staat ist daher keine Emanzipation zu machen. Der Staat ist weder ein reines Unterdrückungselement der Kapitalist*innen noch bloßer Überbau, hinter dem sich das Kapital versteckt, sondern konkreter Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses zwischen den Menschen. Er ist Reproduzent und Organisator der Gesellschaft, und dazu gehört immer auch die Befriedung sozialer Konflikte.
Ziel des Vortrags ist es, eine Debatte über aktuelle Formen linker Staatskritik anzustoßen und neue sowie radikale Perspektiven zu eröffnen.

Weitere Informationen und die Ankündigungstexte
in voller Länge gibt es unter
https://buchmesse.anarchie-mannheim.de/programm