editorial

Die Macht fürchtet Spott und Anarchie

| Bernd Drücke

Liebe Leser*innen,
der italienische Theaterautor und Regisseur Dario Fo (1926 – 2016) verstand sich als Anarchist und Satiriker. 1997 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Die Verleihung kommentierte er wie folgt: „Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus.“
Ich denke, wir sollten uns diese weisen Worte des Autors von „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ zu Herzen nehmen. Gerade in finsteren Zeiten kommt es darauf an, nicht den Sinn für schwarz-roten Humor und Lebensfreude zu verlieren.

LiBus

Zur Steigerung der Lebenslust beitragen kann die Lektüre von guten Zeitschriften aus den sozialen Bewegungen – und das Schmökern in bewegenden Büchern. Zu Letzterem möchten wir Euch diesmal wieder mit vielen leckeren Rezensionen auf zwölf druckfrischen Libertären Buchseiten anregen. Die LiBus erscheinen zweimal im Jahr als Supplement der GWR zu den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt/M. mit einer Auflage von jeweils 5.000 Stück.

Graswurzelrevolution auf der Leipziger Buchmesse

Die LiBus, viele verschiedene GWR-Ausgaben und die Bücher des Verlags Graswurzelrevolution findet Ihr vom 27. bis 30. April 2023 auf der Leipziger Buchmesse. Ihr seid ganz herzlich eingeladen, dort unseren Stand mit der Standnummer E 500 in Halle 5 und unsere Lesungen zu besuchen (siehe Seite 24).

Ein Blick in die GWR 478

Mit der neuen Ausgabe blicken wir über den Tellerrand der Bundesrepublik hinaus und beschäftigen uns mit internationalen sozialen Bewegungen und aktuellen Ereignissen.
Der Filmemacher Robert Krieg ist seit Jahrzehnten eng mit den sozialen Bewegungen in Israel verbunden. Die derzeitigen Massenproteste gegen die Pläne der extrem rechten Netanjahu-Regierung nimmt er zum Anlass, um Stimmen von Israelis zu Wort kommen zu lassen, die vor der Gründung Israels nach Palästina eingewandert waren (S. 1, 6f.).
Die Massenbewegung und die -streiks gegen die vom neoliberalen Präsidenten Macron geplante und von mehr als 70% der Menschen in Frankreich abgelehnte Heraufsetzung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre analysieren Fabien Escalona und Romaric Godin (S. 1, 9).
Seitdem die 22-jährige iranische Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 von der islamistischen Sittenpolizei in Teheran festgenommen und so misshandelt wurde, dass sie ein paar Tage später im Krankenhaus starb, demonstrieren im Iran und weltweit Hunderttausende gegen die Mullah-Diktatur. Ich habe dazu die beiden feministischen Aktivistinnen Shouresh und Alexandra interviewt (S. 3f.). Der Künstler Ramin Safarabadi hat zum „Brüllen der Löwinnen“ im Iran die passende GWR-Titelseitengrafik gemacht. Herzlichen Dank!
Am 14. Mai 2023 werden in der Türkei das Parlament und der Präsident neu gewählt. Der in Frankreich lebende Kurde Ercan Jan Aktaş analysiert aus diesem Anlass für die GWR-Leser:innen die Entstehung und Entwicklung des Erdoğanismus. Er kommt zu dem Schluss, dass das Erdbeben, dem im Februar in der Türkei und Syrien mehr als 50.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, das politische Ende des islamistischen Autokraten einläuten könnte (S. 5f.).
Die belarussische Lukaschenko-Autokratie hat im März 2023 zugestimmt, dass der Kriegsverbrecher Putin russische Atomraketen auf belarussischem Territorium aufstellen lässt. Das ist sowohl als Drohung gegen die außerparlamentarische Opposition in Belarus als auch als Atomkriegsdrohung Richtung EU gemeint. Über eine andere, grausame Entscheidung des belarussischen Regimes wurde in den westlichen Medien dagegen bisher kaum berichtet. Im März 2023 wurde die Einführung der Todesstrafe für Desertion beschlossen. Die belarussische Menschenrechtsaktivistin Olga Karatsch analysiert das in ihrem neuen GWR-Artikel als weiteren Schritt der Autokratie Richtung belarussische Militärdiktatur und Kriegsbeteiligung in der Ukraine (S. 8).
Wie wichtig klare antimilitaristische Positionen und Solidarität gerade in Zeiten von Krieg und Re-Militarisierung sind, zeigt der Künstler Wilfried Porwol, der mit seinen Zeichnungen und Jahresgrafiken seit Jahren auch GWR-Leser:innen beeindruckt. Nun wurde er erneut wegen einer großartigen antimilitaristischen und antifaschistischen Kunst-Aktion gegen ein nationalsozialistisches, kriegsverherrlichendes „Denkmal“ in Kalkar verurteilt (S. 12). Wir solidarisieren uns mit unserem Zeichner und zitieren aus Martin Baxmeyers GWR-478-Artikel: „Es gibt keine Kriegshelden. Es gibt nur Helden gegen den Krieg.“ (S. 2)
Mit dem Thema „Neonazismus in der DDR“ beendet Harry Waibel in dieser Ausgabe seine dreiteilige Artikelserie zum Rechten Terror (S. 10).
Seit 2018 sind in der Graswurzelrevolution unter dem Titel „Stichworte zum Postanarchismus“ in loser Folge 36 Glossen von Oskar Lubin erschienen. Diesmal zum Thema „Hegemonie. Kämpfe um Herrschaft oder in Kräfteverhältnissen?“ (S. 11). Oskar schließt damit seine Serie ab und möchte die gesammelten „Stichworte“ zusammen mit weiteren Texten als Buch in der edition assemblage herausgeben. Ich kann Euch beruhigen, als Autor bleibt Oskar der GWR erhalten. Im Mai erscheint in der GWR 479 zudem eine Erwiderung von Jonathan 
Eibisch auf Oskars vorletzte Glosse. Auch die vielen Leser:innenbriefe, die wir aufgrund von Platzmangel diesmal nicht abdrucken konnten, erscheinen voraussichtlich in der Mai-Ausgabe, welche u.a. einen Schwerpunkt zum Thema Arbeit haben wird.

Es wird ein Lächeln sein…
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen, Anarchie und Glück,

Bernd Drücke