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Krieg? – „logo!“

Die Militarisierung im Kinderkanal

| Bernd Drücke

Foto: Luc V. de Zeeuw via flickr.com, https://flic.kr/p/2pjuCDw, PDM 1.0 DEED

Unter Militarisierung ist bekanntlich ein von „oben“ eingeleiteter Vorgang zu verstehen, in dem Militär und Rüstungsindustrie zur Herrschaftssicherung gefördert werden. Die Militarisierung findet momentan nicht nur in Autokratien und Krieg führenden Staaten wie Russland statt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 und der Verkündung der „Zeitenwende“ durch Bundeskanzler Scholz hat der Prozess der Militarisierung auch in Deutschland immer weitere Bereiche des politischen, kulturellen und sozialen Lebens durchdrungen. Antimilitarist:innen und Pazifist:innen werden in den Massenmedien als „Lumpenpazifisten“ (1) oder „Putinisten“ geschmäht, in den Talkshows sitzen Militärs, Waffenspezialisten und Rüstungs-Lobbyist:innen, die fleißig an der von „Verteidigungs-“-Minister Pistorius geforderten „Kriegstauglichmachung“ arbeiten. Noch nie war der bundesdeutsche Militäretat so hoch wie heute, noch nie wurden von der Bundesrepublik so viele Waffen in Kriegsgebiete geliefert, wie jetzt unter der olivgrün-rot-gelben Regierung. Der Aktienkurs der größten deutschen Waffenschmiede, Rheinmetall, ist seit Februar 2022 um sage und schreibe 400 Prozent gestiegen.

„Krieg ist ein gutes Geschäft, investiert eure Kinder!“

Militärische, staatsfixierte Wertvorstellungen und Interessen dominieren den politischen Diskurs und durchdringen die Gesellschaft. Viele Menschen halten Kriege jetzt für notwendig und fördern soldatisches Denken, das auf rigiden Hierarchien, Befehl und Gehorsam beruht.
In Bayern dürfen Kinder ab sofort nicht mehr gendern, aber sie müssen sich von Jugendoffizieren das Erlernen des Mordhandwerks bei der Bundeswehr schmackhaft machen lassen.
Die Bundeswehr schreckt seit Jahren nicht mehr davor zurück, auch unter 18-jährige Jugendliche einzuziehen.
Neu ist dagegen, dass die Militarisierung selbst vorm Kinderkanal nicht zurückschreckt (2).
Seit Wochen trommeln nicht nur die CDU/CSU und die FDP-Politikerin und Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Der Taurus ist eine hochmoderne, klassische Angriffswaffe mit einem 480 Kilogramm schweren Sprengkopfsystem. Mit enormer Zerstörungskraft und einer Reichweite von 500 Kilometern sind diese Waffen dazu geeignet, den Krieg auf russisches Gebiet auszuweiten.
Inspiriert durch die kriegslüsterne Berichterstattung über den „zaudernden Kanzler“ in den Massenmedien, hat sich die bei Kindern und Heranwachsenden beliebte ZDF-Kinderprogramm-Sendung „logo!“ auf die Seite der Kriegspropagandist:innen geschlagen.
Die öffentlich-rechtliche Sendung behandelt die Diskussion um eine Taurus-Lieferung in die Ukraine mit „lustigen“, sprechenden Waffen (3). Der einminütige Clip unter dem Titel „Kein Taurus für die Ukraine“ wurde auf TikTok, Instagram, YouTube und den anderen Social-Media-Kanälen von „logo!“ und „un.logo!“ geteilt. Dargestellt mit „lustigen“ Gesichtern, unterhalten sich in dem Video der deutsche Taurus-Marschflugkörper, der britische Marschflugkörper Storm Shadow, die französische SCALP-Rakete und der deutsche Kampfpanzer Leopard 2.
„Dem Olaf Scholz müssten wir Marschflugkörper mal ordentlich den Marsch blasen. Weil der sich doch weigert, mich in die Ukraine zu liefern!“, beginnt der Taurus-Bunkerbuster das Gespräch. Im weiteren Verlauf des Videos diskutieren die Marschflugkörper in ihren jeweiligen Akzenten über die Notwendigkeit der Lieferung. SCALP und Storm Shadow sagen, auf Taurus könne man verzichten. „Die Ukrainer bekommen ja schon mich“, „Und mich“ hört man die Waffen sagen.
SCALP fragt im französischen Akzent ob Taurus nicht in den Ukraine-Krieg dürfe, weil Scholz „mal wieder zögert und zaudert“. Nachdem der britische Storm Shadow aufklärt, der „German Fachbegriff dafür“ sei „scholzen“, erklärt Taurus: „Weil ich so eine krasse Reichweite habe, hat er Angst, dass ich übers Ziel hinausschieße und Russland treffe“. Die britischen und französischen Marschflugkörper fragen am Ende des ZDF-Clips: „Und was macht Russland seit zwei Jahren?“.
Das Video macht mich sprachlos! Es macht deutlich, dass es in Kriegszeiten umso wichtiger wird, die antimilitaristische Arbeit nicht nur an Erwachsene zu richten.
Der Anarchopazifist Ernst Friedrich veröffentlichte 1924 mit „Krieg dem Kriege“ eines der bis heute wichtigsten Anti-Kriegsbücher. Darin geht es auch um Kriegspropaganda und die Militarisierung von Kindern. Auf Seite 46 veröffentlichte er die antimilitaristische Kinderzeichnung „Der Unterschied“ und die dazu gehörende Erklärung des 13jährigen Zeichners: „Der Unterschied zwischen Mörder und Soldat besteht darin, daß der Mörder ein Raubmörder, ein Lustmörder oder sonst ein Mörder ist. (…) der Soldat ist auch ein Mörder – ein Berufsmörder (…) Fluch denen, die ihnen das Morden lehrten und sie dazu veranlaßten. (…) Krieg bedeutet Morden. Er bringt Hunger, Schmach, Elend, Not, Tod, Sorgen und Schmerzen. Darum laßt ab von dem Morden und kehrt zum Frieden zurück.“

Dem Krieg das „Kanonenfutter“ entziehen!

Für Antimilitarist:innen hier und heute sollte es darum gehen, sich jeder Militarisierung entgegen zu stellen, die Kriegsdienstverweigerer und Deserteur:innen aller Kriegsparteien zu unterstützen, Fluchtmöglichkeiten und Asyl für sie zu organisieren. Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Lasst ihn uns sabotieren, nicht befeuern!

Anmerkungen:
(1) Sascha Lobo beschimpfte 2022 in seiner Spiegel-Kolumne Kriegsgegner:innen als „Lumpenpazifisten“
(2) Natascha Berger: Ukraine-Kriegssatire im Kinderfernsehen: ZDF verteidigt sprechenden Taurus. Stand: 12.03.2024, 19:06 Uhr https://www.fr.de/panorama/clip-ukraine-logo-olaf-scholz-kritik-kinder-kriegssatire-zdf-taurus-92871091.html
(3) Siehe Screenshot des „logo!“-Clips auf dieser Seite

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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