Für die Dekolonisierung von Bildern und Denkmälern

| Peter Nowak

Das große Historien-Gemälde von August von Rentzell fällt sofort ins Auge. Es trägt den Namen „Kurpromenade in Marienburg“. Man sieht eine Menge Soldaten zu Fuß und zu Pferd, sowie Adelige und gehobenes Bürgertum. Vom Rand aus beobachtet ein Schwarzer Junge im bunten Gewand das Geschehen interessiert. Auf Menschen wie ihn richtete sich in der kürzlich in Berlin zu sehenden Ausstellung „Gegen den Strich“ der Fokus. Es geht um die Spuren des Kolonialismus in Bereichen, wo ihn vielleicht die wenigsten vermuten: in zeitgenössischen Gemälden der letzten Jahrhunderte, aber auch in Skulpturen und Denkmälern, wie sie in großer Anzahl in Parks und Gärten in Deutschland stehen.

Eine gute Einführung in diese wenig bekannte Thematik gibt Patricia Vester in dem knapp 45-minütigen Film „Was ist eine Intervention?“, wo sie sich als Schwarze Deutsche, Illustratorin, Aktivistin und Mutter vorstellt. Zunächst sehen wir Vester an ihrem Schreibtisch mit vielen Büchern. Doch dann nimmt sie die Zuschauer*innen mit auf die Suche von Schwarzen Menschen, die auf zahlreichen historischen Gemälden, aber auch auf Denkmälern beispielsweise vor dem Schloss in Berlin-Charlottenburg zu finden sind.

Wer waren sie?
Wie kamen sie in das Bild?   

Diese Fragen stellt sich Vester in dem Film, der kurzweilig ist und eine Lektion in die Geschichte von Rassismus und Kolonialismus in Kulturprodukten gibt. Bisher blieben die Schwarzen Menschen auf den Bildern und auf den Denkmälern namenlos. Niemand fragte nach ihrer Geschichte, die meistens mit Zwang, Versklavung und Gewalt verbunden war. So handelte es sich bei einem Schwarzen Jungen, der auf einem Bild aus dem 18. Jahrhundert porträtiert ist, möglicherweise um den 1708 geborenen Friedrich Ludwig, dessen Vater über den Sklavenhandel an den Berliner Hof gebracht wurde. Über die weiteren Lebensdaten von Vater und Sohn ist nichts bekannt. Mehr Informationen gibt es über Bilillee Ajiamé Machbuba, die wohl bekannteste versklavte Frau eines preußischen Fürsten. Sie starb in jungen Jahren in Bad Muskau an Auszehrung. Patricia Vester hat sie mit dem Comic „Das kurze Leben der Bilillee Ajiamé Machbuba“ dem Vergessen entrissen.
Spuren der kolonialen Geschichte finden sich auch auf der Pfaueninsel im Südwesten Berlins, die heute ein beliebtes Ausflugsziel von Menschen aus Berlin und Umgebung ist. Dort wurden Glasperlen produziert, die für den Ankauf von versklavten Menschen und kolonialen Handelsprodukten verwendet wurden. Die Ausstellung zeigt, dass auch die preußische Kultur dekolonisiert werden muss und wir damit erst am Anfang stehen.
Welche Probleme damit verbunden sind, zeigt der Kampf um die nur schleppend vorankommende Entkolonisierung von Straßennamen. Mit Straßennamen werden in Deutschland immer noch viele Kolonialverbrecher geehrt. In Berlin-Wedding dauerte es mehrere Jahre, bis die nach berüchtigten Kolonialverbrechen wie Carl Peters benannten Straßennamen endlich umbenannt wurden. Immer wieder wurden juristische Schritte gegen die Umbenennung eingeleitet. In Berlin-Mitte konnte die M-Straße noch immer nicht nach Anton-Wilhelm-Amo umbenannt werden. Anton-Wilhelm-Amo war 1707 als vierjähriges Kind gegen seinen Willen aus Ghana nach Europa verschleppt werden. Später lehrte der Vordenker des Antirassismus an den Universitäten in Halle, Wittenberg und Jena. Er war der erste bekannte Philosoph afrikanischer Herkunft in Deutschland. Bisher verhindert eine Klage des Ex-Linken Götz Aly, dass an Anton-Wilhelm-Amo mit einem Straßenschild in Berlin erinnert wird.