Jagd auf Bundeswehrplakate

Gegen die „Mordmaschine Militär“!

| Alfred Pfennigwert

Mit Außenwerbung sucht die Bundeswehr verzweifelt nach neuem Personal (vgl. GWR 494). Schwierigkeiten bereiten ihr dabei Berliner Friedens-Aktivist*innen einer neuen Generation. Mit Farbe, Papier und Kleister machen sie systematisch Jagd auf die Werbeplakate des Militärs. „Adbusting“ nennen sie diese Aktionsform, wenn sie Werbe-Slogans und Bilder der Bundeswehr „zur Kenntlichkeit entstellen“. GWR-Autor*in Alfred Pfennigwert begleitete die Kommunikationsguerilla aus der Werkstatt für antifaschistische Aktionen (w2a) (GWR-Red.).

Bundeswehr-Plakate jagen

„Mich erschreckt es immer wieder, dass Menschen Militarismus und Kriege führen für eine super Option halten“, sagt Kai N. Krieger. Er ist Anfang 20 und wohnt in Berlin. Kai und seine Kumpel*z sitzen in ihrem geheimen Versteck. Sie nennen es „Werkstatt für Antifaschistische Aktionen (w2a)“. An dem durch einen Wasserfall getarnten Eingang basteln sie noch. Vor ihnen, auf einem großen ovalen Tisch, liegt das Ergebnis ihrer heutigen Bemühungen. Es sind Überkleber für die großformatigen Plakate, mit denen die Bundeswehr wieder in der Stadt wirbt. Und die wird die Gruppe heute jagen.

Adbusting

Das Hobby von Kai und seinen Kumpel*z nennt sich „Adbusting“. Sie bekleben und bemalen Werbeplakate, um sie mit „minimalem Vandalismus bis zur Kenntlichkeit zu entstellen“. Die Werbeposter des Militärs diese Woche zeigen eine Pflegeperson vor einem Krankenbett. Auf das Gesicht werden die Mitglieder der Gruppe einen Totenschädel kleben. Darunter einen großen Störer mit der Aufschrift: „Leben retten in der Mordmaschine Militär? Arbeite lieber in einem zivilen Krankenhaus.“

Keine Angst
vor der Polizei mehr

Kai und seine Kumpel*z ziehen mitten am hellichten Tag los. Angst vor der Polizei haben sie nicht.
Denn: „Die Verunsicherungsbehörden haben alles Mögliche probiert: Hausdurchsuchungen, 
DNA-Analysen, Terrorabwehr-zentrum. Alles vergeblich“, sagt Kai achselzuckend. Das LKA Berlin befand zwar, Adbusting mache die Bundeswehr „gar lächerlich“ (1), und führte eifrig Verfahren gegen Ad-buster*innen.
Doch alle Verfahren endeten bisher mit Einstellungen. Im Dezember 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Hausdurchsuchung (2) bei einer Adbusting-Aktivistin für illegal.

Kai und seine Kumpel*z sehen Repression mittlerweile als Chance: „Wenn das Militär und die Polizei völlig unverhältnismäßige Mittel bemühen, um sich selbst vor Kritik zu schützen, dann delegitimieren sie sich selbst viel krasser, als unsere Poster es je könnten!“

Im Archiv

Kai führt uns im geheimen Versteck der Gruppe in einen noch geheimeren Archivraum. Bücherwände reihen sich an Regale voller Ordner. In einem steht das Modell eines Batmobils. Am Kartentisch zeigt Kai uns den vor wenigen Wochen in der Morgenpost erschienenen Artikel „Auf diese Berliner Einheit kommt im Kriegsfall alles an“. Es ist ein unkritischer Werbetext über das Wachbataillon. Darin fragt sich die Autor*in: „Aber kann nicht gerade der Standort Berlin auch besonders abschreckend sein? Die Hauptstadt hat immerhin eine lange antimilitaristische Tradition […] Verdeutlicht etwa auch durch regelmäßige Anti-Bundeswehr-Adbusting-Kampagnen.“

Die Mission:
Bundis gruseln

Kai freut sich über solche Artikel: „Um unsere Angst vor Repression zu überwinden, werden wir selbst zur Angst der Bundis.“ Im Museum der Bundeswehr in Dresden hängen Bundeswehr-Adbustings (3) zwischen zerschossenen Panzertüren aus Afghanistan. „Zum Gruseln“, bemerkt Kai.

Die Bundeswehr stoppte laut „Bild“ aus Angst vor Kommunikationsguerilla sogar die Planungen für einen „Tag der Bundeswehr“ (4) in Berlin.

Ausgerechnet in der Hauptstadt Berlin macht die Bundeswehr im öffentlichen Raum nur noch sporadisch Werbung mit Plakaten. Und die Berliner Polizei verzichtet seit 2020 ganz auf Werbung mit Citylight-Plakaten im Nahverkehr.

Das Gesamtkunstwerk

Kai und seine Kumpel*z stehen auf einem Bahnsteig vor der Werbung des Militärs. So aus der Nähe fühlt man erst, wie groß 3,5 x 2,5m sind. Kai pinselt Kleister aufs Plakat. Eine Verbündete klebt die Überkleber an. Es geht recht schnell, die Mitglieder der Gruppe sind ein eingespieltes Team. Kai ist beim letzten Handgriff. Er überklebt das Logo der Bundeswehr mit einem kotzenden Smiley. „Damit unser Gesamtkunstwerk auch angemessen respektlos rüber kommt…“, schmunzelt er.

Mehr Infos zu Adbusting

Wer Inspiration zum Thema Adbusting sucht und Papier mag, dem sei das Buch „Mega Unerhört – Adbusting mit Polizei und Militär“ vom Berlin Busters Social Club empfohlen. Das Standardwerk zum Thema zeigt viele spannende Plakatkunstwerke und erzählt die Geschichte mit dem Terrorabwehrzentrum ausführlich. Das Buch gibt es im Shop der DFG-VK, bei black mosquito und direkt beim Berlin Busters Social Club (5).

(1) https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/
(2) https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-121.html
(3) https://amab.blackblogs.org/2023/02/15/adbustings-im-bundeswehrmuseum-unser-ausflug-ins-militaerhistorische-museum-dresden/
(4) https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/gunnar-schupelius-mein-aerger-bundeswehr-weicht-in-berlin-vor-linksextremisten-z-83180440.bild.html
(5) https://bbsc.blackblogs.org/

Die Werkstatt für Antifaschistische Aktionen (w2a) im Internet:
antifawerkstatt.noblogs.org