Liebe Redaktion und liebe Leser*innen der GWR,
zum 500. Jubiläum einen herzlichen Gruß von der Redaktion des FriedensForums! Wir danken für Euer journalistisches Durchhaltevermögen über einen so langen Zeitraum, für all die Mühen und Euer friedens- und menschenrechtsorientiertes Engagement, das Ihr als Redaktion in Eure Zeitung gesteckt habt. Die GWR war und ist ein besonderes und wichtiges Blatt in der Friedensbewegung, das auch in Zukunft nicht fehlen darf.
In den aktuellen Zeiten von Kriegsertüchtigung, Generalmobilisierung per neu-alter Wehrpflicht, milliardenschwerer Aufrüstung und gigantischen Rüstungsexporten sind die verschiedenen Stimmen und Akzentuierungen der Friedenszeitschriften dringend nötig! Euer konkret widerständiger, anarchistischer und gewaltfreier Standpunkt hilft bei der Suche nach Orientierung. Gerade auch durch viele historische Erinnerungen, die in der GWR immer wieder zu finden sind. Die Berichte über aktuelle, auch internationale Aktionen zivilen Ungehorsams ermutigen zum eigenen Handeln.
Das möchte ich anhand einer kleinen Geschichte aus den Anfängen meines Engagements in der Friedensbewegung kurz erläutern. Anfang der 1980er Jahre, als man noch als Wiederverkäufer der GWR durch die Lande zog und die Friedensbewegung in starkem Aufwind angesichts der Stationierung neuer Massenmordwaffen war, erfuhr ich über die GWR im Februar 1981 vom 6. Internationalen gewaltfreien Marsch für Entmilitarisierung. Begeistert meldete ich mich an und machte so Anfang August 1981 meine ersten konkreten Erfahrungen mit gewaltfreien Aktionen Zivilen Ungehorsams und deren Trainings. Das internationale Camp fand in den Niederlanden statt. Fast täglich gab es phantasievolle, gut vorbereitete Aktionen in umliegenden Städten, wobei jeweils auf deren militärische Bedeutung hingewiesen wurde (z.B. Waffenproduktion in Hengelo). Die intensivste Erfahrung war die dreitägige Blockade des damaligen US-Atomwaffenstützpunktes Havelterberg um den Hiroshima-Tag herum. Emotional beeindruckend gerade für die deutschen Teilnehmenden war ein Schweigemarsch zum ehemals größten KZ Westerbork, von wo etwa 100.000 Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager abtransportiert wurden. Jeden Dienstag fuhr in der Nazi-Zeit ein Todeszug von dem heute als Gedenkort gestalteten Gleis, insgesamt 93 Züge. Im wahrsten Sinne wie eine Bombe schlug während des Camps die Nachricht ein, dass die USA mit dem Bau der Neutronenbombe beginnen werde. Tags darauf brachen wir deswegen frühmorgens zu Besetzungen oder Blockaden aller Botschaftsgebäude von Den Haag auf. Die Spanier*innen hatten das stärkste Durchhaltevermögen und hielten ihre Botschaft sieben Stunden besetzt, ehe die Letzten von ihnen – samt auf dem Botschaftsbalkon gehisster Friedensfahne und Transparenten – abgeräumt worden waren. Wer seine GWR-Ausgaben gesammelt hat, kann das Tagebuch eines Teilnehmers in der GWR 58 von 9/81 nachlesen.
Alle an diesem Marsch Beteiligten haben diese Erfahrungen mit direktem gewaltfreien Widerstand mit nach Hause genommen und vor Ort inspirativ weitergetragen. Hier in Bonn z.B. hatten wir mit über 2.000 Beteiligten eine der größten gewaltfreien Aktionen Zivilen Ungehorsams mit der Blockade der Hardthöhe („Verteidigungs“ministerium) im Oktober 1983 kurz vor der Stationierung der neuen atomaren Mittelstreckenwaffen organisiert. Und dann folgte noch im November während der Bundestagsdebatte um die Stationierung eine große Go-In-Aktion mit Blockade(versuch) der Bannmeile.
Unzählige Aktionen zivilen Ungehorsams fanden in den 1980er Jahren statt, vor allem in Mutlangen gegen die Pershing II-Raketen und im Hunsrück gegen die dort stationierten Cruise Missiles. Sie setzten sich später fort, z.B. bei den Blockadeaktionen vor der US-Air-Base Frankfurt gegen den Irak-Krieg 2003, oder heute und in jüngster Vergangenheit bei Blockade-Aktionen des Atombombenstandortes Büchel.
80 Jahre nach Hiroshima und dem Ende des Zweiten Weltkriegs muss der Kampf gegen die Atombombe, gegen neue Wahnsinns-Aufrüstung und Kriegsmobilisierung entschieden weitergeführt werden. Dazu brauchen wir Ermutigungen und Ideen auch aus den Publikationen unserer eigenen Bewegung, nicht zuletzt durch die „graswurzelrevolution“.
Ich danke der GWR für Anstöße zu widerständigem und zivil-ungehorsamen Handeln. Zugleich hoffe ich im Namen der FriedensForum-Redaktion auf weitere gute Zusammenarbeit im Verbund der Friedenszeitungen.
Viel Kraft und Zuversicht – trotz alledem und alledem … !
Martin Singe,
Redaktion FriedensForum
Durchhaltevermögen
Grußwort von Martin Singe, Redaktion FriedensForum, zur 500. Ausgabe der Graswurzelrevolution