Liebe Redaktion,
liebe Freund*innen der Graswurzelrevolution,
500 Ausgaben – das sind nicht nur 500 Zeitungen, sondern auch unzählige Stunden redaktioneller Arbeit, Diskussionen, Texte, Layouts, Korrekturschleifen, Abo-Kampagnen, Versandaktionen und vieles mehr. Als Kollegin und Redakteurin der CONTRASTE – Zeitung für Selbstorganisation weiß ich: So eine Zeitung entsteht nicht einfach nebenbei. Und schon gar nicht bleibt sie fünf Jahrzehnte lang bestehen, ohne dass sehr viele Menschen mit Überzeugung und Ausdauer daran mitwirken.
Die CONTRASTE-Redaktion gratuliert euch zu diesem besonderen Jubiläum. Was ihr mit der Graswurzelrevolution seit 1972 auf die Beine gestellt habt, ist keine Selbstverständlichkeit. Eure Zeitung steht für eine kontinuierliche, konsequente und solidarische Stimme des gewaltfreien Anarchismus – und damit für ein Denken und Handeln, das sich gegen Militarismus, Herrschaft und Ausgrenzung richtet und stattdessen für Selbstbestimmung, soziale Gerechtigkeit und Basisdemokratie eintritt.
Gerade in der heutigen Medienlandschaft ist eine solche Stimme wichtiger denn je. Während viele klassische Printformate verschwinden, während öffentlich-rechtliche Medien immer mehr unter Druck geraten (und sich teilweise auch beugen) und kommerzielle Angebote entweder abstumpfen oder hetzen, halten alternative Medien die Idee einer kritischen Gegenöffentlichkeit lebendig. Aber wir wissen auch: Die Bedingungen dafür werden nicht leichter. Die Zahl der Abonnent*innen schrumpft vielerorts, die finanziellen Ressourcen werden knapper und die Arbeit bleibt oft ehrenamtlich oder prekär bezahlt. Es kostet viel Kraft, eine Zeitung regelmäßig auf die Beine zu stellen – und es ist oft ein Spagat zwischen politischem Anspruch und den ganz praktischen Hürden des Alltags.
In dieser Situation tut es gut zu wissen, dass wir nicht allein sind. Dass es andere gibt, die mit ähnlichen Zielen unterwegs sind, mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfen – und mit ähnlicher Beharrlichkeit dranbleiben. Uns verbindet nicht nur das Medium Print, sondern auch eine gemeinsame politische Grundhaltung: Die Idee, dass eine andere Welt möglich ist. Dass Selbstorganisation nicht bloß ein Schlagwort, sondern eine Praxis ist. Dass Gesellschaft von unten gestaltet werden kann – jenseits von Staat, Markt und autoritärer Logik.
In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Rechte weltweit erstarkt, autoritäre Tendenzen zunehmen und Kriege wieder salonfähig gemacht werden, braucht es linke Gegenöffentlichkeit mehr denn je. Es braucht Medien, die nicht nur analysieren, sondern die auch Visionen entwickeln – und sie mit den Menschen teilen. Die nicht nur kritisieren, sondern auch Mut machen. Die radikal in der Analyse und solidarisch in der Haltung sind.
Als CONTRASTE-Redaktion sehen wir uns in vielerlei Hinsicht im selben Boot. Auch wir versuchen, mit begrenzten Mitteln eine Zeitung zu machen, die Bewegungen sichtbar macht, Kämpfe dokumentiert, Alternativen aufzeigt – und dabei weder in Zynismus noch in Schönfärberei verfällt. Es ist gut zu wissen, dass wir Teil eines größeren Netzwerks sind, das trotz aller Unterschiede ein gemeinsames Ziel verfolgt: Eine freie, herrschaftslose Gesellschaft.
In diesem Sinne wünschen wir euch Kraft, Rückenwind und weiterhin viele engagierte Mitstreiter*innen. Möge euch nie der Stoff ausgehen – weder thematisch noch personell oder materiell. Die Kämpfe, die wir führen, sind nicht vorbei. Sie wandeln sich, sie fordern uns immer wieder neu heraus. Und wir brauchen Menschen, Medien und Bewegungen, die dranbleiben.
Mit solidarischen Grüßen,
Regine Beyß
für die Redaktion der
CONTRASTE – Zeitung für Selbstorganisation