Geplant war eine vorbildliche Ökosiedlung mit bezahlbaren Wohnungen für 1.000 Menschen. Doch dann zerplatzte der Traum, und im November 2023 musste die Genossenschaft Insolvenz anmelden. Im Buch „ecovillage hannover. Ein Erfahrungsschatz zum Teilen“ findet sich Ermutigendes und Lehrreiches zur Entwicklung des Projekts, ebenso wie die tragische Geschichte des Scheiterns. Herausgeber Hans Mönninghoff ist einer der Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft. 50 Menschen waren an dem Buch beteiligt. Die Idee zum Projekt kam aus der Initiative Transition Town. Im Januar 2019 fand die Auftaktveranstaltung statt, bereits im Oktober wurde die Genossenschaft mit über 200 Mitgliedern gegründet. Sie erwarb sogleich ein 31.000 qm großes Grundstück von der Stadt. Mit immer mehr Mitgliedern durchlief sie einen professionell organisierten Partizipations- und Entwicklungsprozess, in dem Wohnwünsche und Umweltansprüche diskutiert und ausgearbeitet wurden. Sowohl die sozialen Prozesse als auch einige Gebäudebeschreibungen und ökotechnische Pläne sind im Buch dargestellt. Im ersten Bauabschnitt sollten 160 Wohnungen errichtet werden. Sie waren fertig geplant und die Baugenehmigungen lagen vor. Ein erstes Haus war bereits als „Modulpilot“ errichtet. Rückzug der GLS-Bank und Klagedrohung Ausschlaggebend für die Insolvenz war eine Finanzierungslücke. Die Kreditverträge mit zwei von drei finanzierenden Banken waren bereits abgeschlossen, die Unterschrift der dritten Bank schien eine Formalie zu sein. Doch dann zog diese – ausgerechnet die von Anthro-posoph*innen gegründete GLS-Bank, die viele Hausprojekte finanziert – sich im Juli 2023 plötzlich zurück. Als Grund nannte sie das zu geringe Eigenkapital des Projektes, was ihr jedoch schon lange bekannt war. Genaueres ist nicht zu erfahren, denn die Bank drohte dem Herausgeber mit einer Klage. „Ich könnte anhand diverser Unterlagen detailliert erläutern, warum der Rückzug der GLS aus dem Kreditvergabeverfahren völlig unverständlich ist“, schreibt Mönninghoff, „doch wegen der Androhung rechtlicher Schritte verzichte ich hier darauf, denn ich will und kann mir ein Klageverfahren einer Bank emotional und finanziell nicht zumuten“. Mitautor Gerd Runge, Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft Selbsthilfe Linden, schreibt, dass er seinen GLS-Genossenschaftsanteil um-
gehend gekündigt habe. Er müsse nun auch seine „Bankverbindung wechseln, weil ich nach diesem Auftritt die Werbebanner beim Onlinebanking über ein ökosoziales Engagement dieser Bank nicht mehr ertrage“. Auf den Vorschlag der Genossenschaft, Teile des Grundstücks mit den jeweiligen Planungen und Genehmigungen zu verkaufen, damit die Gebäude von anderen realisiert werden können, und nicht alle Planungsgelder verloren gehen, ging der Insolvenzverwalter nicht ein. Stattdessen kaufte die Stadt das Grundstück zurück. Was verwertbar war, wurde zu billigen Preisen versteigert. So verloren die mittlerweile 920 Mitglieder durch die Insolenz ihre gesamten Genossenschaftseinlagen und privaten Darlehen – fast vier Millionen Euro. Was bleibt? Das Buch enthält auch (selbst-)kritische Überlegungen zu den Gründen des Scheiterns, wie fehlendes Eigenkapital, teure Planung und Errichtung des Modulpiloten, und eineinhalbjährige Bewilligungsdauer der Fördermittel für die Sozialwohnungen. Eine tiefer gehende Analyse wäre sicher lohnend. Die Genossenschaftsmitglieder, die im Buch zu Wort kommen, sind unterschiedlich betroffen. Viele betonen, wie dankbar sie trotz allem für die Erfahrungen und die entstandenen Freundschaften sind. Der junge Niklas Krüger sagt: „Ich habe nicht nur meine Zukunftsperspektive und meine Genossenschaftsanteile, sondern auch meine Arbeitsstelle verloren. […] Nun bin ich verschuldet..“ Dennoch würde er jederzeit wieder mitmachen. Die ältere Francis hat ihre gesamte Altersvorsorge verloren. Eine anonym bleibende Familie beklagt: „Uns noch einmal an einem ähnlichen Projekt zu beteiligen, wird finanziell nicht möglich sein.“ Manche haben sich Geld geliehen, um mitmachen und ihre Genossenschafts-einlage bezahlen zu können. Eine nicht namentlich genannte Person: „Für mein Kind und mich habe ich 11.000 € Schulden gemacht, während ich selbst in Privatinsolvenz bin und nur Hartz IV bzw. Bürgergeld bekommen habe.“ Die Genossenschaft hat zwar auf das Risiko des Verlustes der Einlagen hingewiesen, aber Gemeinschafts-Sehnsucht und Begeisterung waren stärker. Wer ein ähnliches Projekt plant, sollte dieses Buch sehr genau lesen – zur Inspiration ebenso wie als Warnung. Der Herausgeber ist darüber hinaus bereit, „über Mail, Chat und auch vor Ort über unsere Erfahrungen und die anderer zu berichten“.
ecovillage hannover
Aufstieg und Fall eines ambitionierten Siedlungsvorhabens
Hans Mönninghoff (Hg.) ecovillage hannover. Ein Erfahrungsschatz zum Teilen, Verlag eurotopia, Beetzendorf, 2. Aufl. 2024, 116 Seiten, 22,20 Euro, ISBN 978-3-911460-00-2 Kontakt: https://hans-moenninghoff.de/kontakt/ Wer ein ähnliches Projekt plant, sollte dieses Buch sehr genau lesen – zur Inspiration ebenso wie als Warnung