Oury Jalloh, die Geschichte eines ungeklärten Todes

Die Journalistin Margot Overath hat in einem Buch beschrieben, wie staatliche Stellen die Aufklärung verhinderten

| Peter Nowak

Margot Overath Verbrannt in der Polizeizelle. Die verhinderte Aufklärung von Oury Jallohs Tod im Dessauer Polizeirevier Metropol-Verlag, Berlin 2025, 281 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-86331-754.0

„Gerechtigkeit für Nelson“ riefen Ende August 2025 De-monstrant*innen in vielen Städten in Deutschland. Sie forderten eine Untersuchung, warum der 15-jährige Schwarze Teenager Nelson in der JVA Ottersweiler im Saarland zu Tode kam. Offiziell heißt es, der Jugendliche hat Suizid verübt. Die Demonstrant*innen waren empört und fühlten sich an den Schwarzen Oury Jalloh erinnert, der am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Auch hier lautet die offizielle Version, Jalloh habe das Feuer in der Zelle selber gelegt. Eine Initiative von Freund*innen und Bekannten des Toten hat diese Version nie akzeptiert. Sie haben erst Kundgebungen und Demonstrationen in Halle und anderen Städten organisiert, dann haben sie Geld für Gutachten gesammelt, die die offizielle Version massiv erschütterte. Es gab seit 2005 einen kleinen Kreis von Pressevertret-er*innen, die nicht einfach die offizielle Version der Polizei abschrieben. Dazu gehörte die Rundfunkjournalistin Margot Overath. Sie hörte von Anfang an auch den Freund*innen und Bekannten des aus Sierra Leone Geflüchteten zu und las die Akten gründlich. 2021 wurde sie für ihre Serie „Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau“ mit dem Deutschen Podcastpreis ausgezeichnet. Jetzt hat sie im Buch „Verbrannt in der Polizeizelle“ mit vielen Belegen dokumentiert, wie staatliche Stellen das Recht brachen und dann die Aufklärung zum Tod von Oury Jalloh behinderten. Das fing schon damit an, dass Oury Yallohs Einsperren in der Polizeizelle rechtswidrig war. Zudem geht sie auf das Feuerzeug ein, mit dem angeblich der Brand gelegt, das aber gar nicht in der Zelle gefunden wurde. Overath referiert noch mal die Ergebnisse der verschiedenen Nachstellungen des Feuers durch Sachverständige, die von den Unterstützer*innen von Jalloh auf eigene Kosten bezahlt wurden. Die Journalistin zeigt auch auf, dass selbst in der Justiz schon früh die Zweifel an der Selbstentzündgungsthese laut wurden. Der anfangs zitierte Aktenvermerk des Dessauer Oberstaatsanwalts ist nur ein prägnantes Beispiel. Zudem benennt sie zwei weitere Personen, die nach ihrer Einlieferung in die Dessauer Polizeistelle ihr Leben verloren: Hans-Jürgen Rose am 7.12.1997 und Mario Bichtemann am 29.10.2002. Sie starben alle mit schweren Verletzungen, für die bis heute niemand zur Verantwortung gezogen wurde. Über sie wurde wieder geredet, nachdem der Staatsanwalt Folker Bittmann 2018 selber ein Szenario entwickelte, dass Polizist*innen im Dessauer Polizeirevier das Feuer gelegt haben könnten, um zu verhindern, dass nicht nur die ärztlich nachgewiesenen Misshandlungen bekannt, sondern auch die beiden anderen ungeklärten Todesfälle noch einmal aufgerollt werden. Doch die Generalstaatsanwalt stellte das Verfahren ein. Der Rechtsweg, zumindest in Deutschland, ist im Fall von Oury Jalloh ausgeschöpft. Doch die öffentliche Diskussion geht weiter. Overaths Buch ist ein Dokument von Mut und Zivilcourage. Es war die kleine migrantische Gruppe in Dessau, Bekannte und Freund*innen von Oury Jalloh, die nicht ruhten, um für die Aufklärung zu kämpfen. Overath beschreibt, wie sie nicht nur von Neonazis und Teilen der Bevölkerung angefeindet, sondern auch von der Polizei kriminalisiert wurden, aber sich dennoch nicht abschrecken ließen. Dabei spielte Jallohs Freund Mouctar Bah eine zentrale Rolle. Er war ein unermüdlicher Organisator und knüpfte Kontakte auch zu anderen politischen Gruppen. Das Buch ist auch eine Würdigung seines Engagements. Umgekehrt steht es beispielhaft für Journalist*innen, die nicht einfach Pressemitteilungen der Polizei abschreiben, sondern ihren Beruf ernst nehmen und im besten Sinne aufklären. Ende der 1990er Jahre hat der Journalist Wolf-Dieter Vogel mit seinem Buch „Der Lübecker Brandanschlag“ mit dazu beigetragen, dass verhindert wurde, dass der libanesische Geflüchtete Safwan Eid für einen sehr wahrscheinlich von Neonazis gelegenen Brand in einer Lübecker Flüchtlingseinrichtung verurteilt wird. Margot Overaths Buch steht in dieser Tradition eines aufklärerischen Journalismus.