Im Juli 2025 ist Rudi Friedrich während seines Urlaubs bei einer Wanderung in den Bergen bei Como in Italien tödlich verunglückt. Die Graswurzelrevolution trauert um ihren Freund, Autor und Mitstreiter. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei Rudis Frau Karin und seiner Familie. (GWR-Red.)
Rudi Friedrich war ein sehr guter Freund und Graswurzelrevolutionär. Sein plötzlicher Tod hat mich und viele Freund*innen erschüttert (1).
Vor wenigen Wochen habe ich noch mit ihm telefoniert. Es ging um eine Veranstaltung mit russischen Deserteuren und die #ObjectWarCampaign, die Rudi als langjähriger Geschäftsführer von Connection e.V. maßgeblich organisiert hat und an der auch die GWR beteiligt ist.
Neben Franz Nadler war Rudi das bekannteste Gesicht des 1993 in Offenbach gegründeten und später u.a. mit dem Aachener Friedenspreis gewürdigten Vereins zur Unterstützung von Deserteur*innen aus aller Welt.
Rudi hat den Rundbrief KDV im Krieg mit herausgegeben und war seit Jahrzehnten regelmäßiger Autor der Graswurzelrevolution. Zuletzt getroffen habe ich ihn im Mai 2024, als er mit einer russischen Antimilitaristin das GWR-Heraus-geber*innentreffen besuchte, um die Arbeit der Genossin und ihrer Organisation vorzustellen und uns zu vernetzen.
Ich hatte das große Glück, oft mit Rudi auf Podien sitzen zu dürfen, sei es zusammen mit eritreischen, israelischen, russischen oder türkischen Deserteuren oder auf dem Internationalen Filmfestival Münster 2007 im Cineplex bei der gemeinsamen Vorstellung des Camilo-Films über den ersten US-Deserteur des zweiten Golfkriegs, mit Regisseur Peter Lilienthal (2).
Rudi hatte einen trockenen Humor und war ein sehr solidarischer Mensch
Am 10. August 2005 wurde der türkische Kriegsdienstverweigerer und gewaltfreie Anarchist Mehmet Tarhan vom Militärgericht in Sivas zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Rudi und seine Lebensgefährtin Karin Fleischmann nahmen an zwei Verhandlungen als internationale Beobachter*innen teil. Anschließend sprach ich mit den beiden über ihre Motivation und ihre Erfahrungen. Rudi stellte klar, dass internationale Öffentlichkeit auch einen Schutz für die Betreffenden darstellt. Rudi: „Nach dieser hohen Haftstrafe mag man daran zweifeln. Aber vielfach konnten über die internationalen Aktivitäten Folter verhindert, die Gefängnisbedingungen verbessert oder die erneute Einberufung verhindert werden. Zudem wird in der Türkei die kleine Bewegung der Kriegsdienstverweigerer von den Medien praktisch nicht wahrgenommen. Es gibt zwar mehrere Hunderttausend Wehrpflichtige, die sich dem Militärdienst entziehen. Aber nur etwa 50 Personen haben ihre Verweigerung öffentlich erklärt und sich damit ganz bewusst gegen das Militär und die Militarisierung der Türkei gestellt. Da ist es ungeheuer wichtig, ihnen zu vermitteln, dass ihr Anliegen wichtig und bedeutungsvoll ist.“ (3)
Mit seiner ruhigen Art war er zugleich eine der lautesten Stimmen für die Durchsetzung des Menschenrechts auf Asyl für Deserteur*innen
Als 2016 Mohamed Fathy Abdo Soliman die Abschiebung drohte, bat Rudi mich, ein Interview mit dem ägyptischen Deserteur zu führen. Gesagt, getan. Das Interview (4) platzierten wir im Sommer 2016 auf der Titelseite der Graswurzelrevolution Nr. 410. Durch die Veröffentlichung, das Kirchenasyl und die Tatsache, dass Mohamed Fathy in seinem Heimatland Folter drohten, konnte eine Abschiebung letztlich verhindert werden.
Rudi hat mit Connection e. V. tausende Deserteure und den Kriegsdienst verweigernde Männer und Frauen aus aller Welt bei der Asylsuche unterstützt. Mit seiner ruhigen Art war er zugleich eine der lautesten Stimmen für die Durchsetzung des Menschenrechts auf Asyl für Deserteur*innen.
Während des Irakkrieges hat er zusammen mit Connection e.V. eine Solidaritätskampagne für den in Deutschland stationierten US-Soldaten André Shepherd organisiert, nachdem der sich dem Kriegseinsatz entzogen hat.
Es gibt kaum jemanden, der so gute Kontakte zu Kriegs-dienstgegner*innen in aller Welt hatte wie Rudi. Er war exzellent vernetzt mit Gruppen in Afrika, Nord- und Südamerika, Südkorea, im ehemaligen Jugoslawien, in Israel, Algerien und anderswo. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 war er ein Motor der Solidaritätskampagne insbesondere für Deserteur*innen und den Kriegsdienst Verweigernde aus Russland, Belarus und der Ukrai-
ne. Die russischen Anarcho-syndikalist*innen der KRAS haben ihn in ihrem Nachruf zu Recht als einen der „wichtigsten Antimilitaristen Europas“ (5) gewürdigt.
Rudi wurde nur 62 Jahre alt und hinterlässt eine große Lücke in der internationalen antimilitaristischen Bewegung.
Franz Nadler und Thomas Stiefel, Vorstandsmitglieder und Mitbegründer von Connection e.V., beschreiben Rudi in ihrem bewegenden Nachruf als unersetzbaren Freund, dem es gelang, auch bei Differenzen zu vermitteln: „Sein Tod stellt eine Zäsur dar. Aber die Arbeit wird weitergehen. Wie sie geleistet werden kann, ist derzeit in manchen Bereichen noch unklar. Die Haupt- und Ehrenamtlichen sind sich aber einig: Die Arbeit für die Verweigernden weltweit, für ein uneingeschränktes Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf Asyl sind uns allen wichtig. Deshalb bitten wir um Unterstützung, damit Connection e.V. weiterhin dieses Ziel verfolgen kann.“ (6)
Mit Rudi haben wir einen Mitstreiter für eine menschenfreundliche Gesellschaft jenseits von Gewalt, Herrschaft, Militarisierung und Krieg verloren. Er bleibt als großartiger Mensch in unserer Erinnerung. Lasst uns dafür kämpfen, dass sich seine Hoffnungen auf eine entmilitarisierte Welt erfüllen werden.
(1) Nachrufe auf Rudi: https://taz.de/Friedensaktivist-Rudi-Friedrich-tot/!6102409/
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192787.friedensbewegung-rudi-friedrich-stimme-der-kriegsdienstverweigerung-verstummt.html
https://www.graswurzel.net/gwr/2025/07/gwr-trauert-um-rudi/
(2) Siehe: https://www.graswurzel.net/gwr/2024/06/also-habe-ich-mich-fuer-den-anarchismus-entschieden/
(3) Siehe: https://www.graswurzel.net/gwr/2005/10/einen-langen-atem-entwickeln/
(4) Siehe: https://www.graswurzel.net/gwr/2016/06/ich-glaube-nicht-an-gewalt/
(5) Siehe: https://aitrus.info/node/6322
(6) https://de.connection-ev.org/article-4515
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.