Editorial

Ausrufezeichen

gegen Rechts

 

Liebe Leserinnen und Leser,

ob in Brasilien, den USA, Ungarn, Polen, Italien, der Türkei oder Deutschland, im Zeitalter von Trumpismus und Klimawandel scheinen Rassismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen von Menschenverachtung „normal“ zu werden. Die Feinde der Menschheit sind auf dem Vormarsch, der globale Kapitalismus und seine Konzerne sind auf dem besten Weg, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören.

Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende!

Emanzipatorische Graswurzelbewegungen haben Zulauf, der Widerstand von unten wächst.

Aktuelle Beispiele:

Am 29. September haben in Hamburg über 30.000 Antirassist*innen mit der We’ll-come-united-Parade ein klares Zeichen gesetzt. In München demonstrierten am 3. Oktober erneut 40.000 Menschen gegen den Rechtsruck und die geplanten Verschärfungen der Polizeiaufgabengesetze (PAG).

Im drei Wochen lang von einer martialischen Polizeiarmee belagerten Hambacher Forst feierten am 6. Oktober über 50.000 Menschen den vom Oberverwaltungsgericht Münster verhängten Rodungsstopp. Kurz darauf machten sich Klimaaktivist*innen daran, neue Baumhäuser zu bauen und leer stehende Häuser in den auf Betreiben von RWE geräumten Dörfern im Rheinischen Braunkohlerevier zu besetzen und mit Leben zu füllen. Die Aktie des Klimakiller-Konzerns befindet sich seitdem auf Talfahrt.

Einen Luftsprung habe ich auch gemacht, als am 13. Oktober rund 242.000 Menschen in Berlin für eine solidarische Gesellschaft und gegen Ausgrenzung auf die Straße gegangen sind. Auch wenn da ein paar MLPD-Stalinfans und andere Irrläufer dabei waren, das Ganze macht Hoffnung, spendet Kraft und soll in dieser GWR auch ein bisschen gefeiert werden. (Seite 3ff.)

Am 21. Oktober 2018 kamen sogar aus Dresden Ausrufezeichen gegen Rechts. Zum vierten Jahrestag der PEGIDA-Gründung kamen zwar 4.000, aber mehr als 10.000 Menschen demonstrierten gleichzeitig unter dem Motto „Herz statt Hetze“ gegen die Rassist*innen. Es kommt bei solchen Demos oft auf die simple Frage an, wer mehr Leute mobilisieren kann. Wenn es erstmal soweit ist, wie in Dresden, wo jeden Montag ein dumpfer Mob „Absaufen! Absaufen!“ und ähnlich menschenverachtende Parolen grölt, ist es ungleich schwerer, „auf der Straße“ wieder eine linke Hegemonie – im Sinne Antonio Gramscis – zu erreichen.

Das sollten wir uns vor Augen führen, wenn von linksradikalen Genoss*innen Kritik kommt, dass #unteilbar eine „Mainstream-Demo“ gewesen sei.

Mainstream-Demo? Aus meiner persönlichen Sicht ist das Gegenteil der Fall. Es geht hier ja gerade um eine antirassistische Bewegung gegen den rechten Mainstream, der jeden Abend mit Sarrazin, BILD-„Journalisten“, CSU- und AfD-Politiker*innen in den Talkshows produziert und einem Millionenpublikum serviert wird. DEM gilt es etwas entgegenzusetzen. Und das genau machen eben auch #Seebrücke, #unteilbar, #ausgehetzt, #NoPAG und Co. Das ist kein Mainstream, das sind Neue Soziale Bewegungen. Und die haben wir bitter nötig.

Apropos „Mainstream“:

Ist die von der BILD-Zeitung als „linksextreme Anarcho-Postille“ gewürdigte Graswurzelrevolution mittlerweile eigentlich Mainstream?

Erst zitiert der Verfassungsschutzchef von Thüringen minutenlang in den Tagesthemen aus Andreas Kempers GWR-431-Artikel über Höcke, um damit zu begründen, warum Thüringens AfD-Chef demnächst vom VS beobachtet werden soll, dann wütet die AfD gegen das „linksextreme Hetzblatt“ und etliche linke Medien solidarisieren sich mit uns (siehe Seite 6), „…und jetzt ist die GWR auch noch in der neuesten Ausgabe des bpb:Magazins der Bundeszentrale für politische Bildung. Ich bin gespannt, was als Nächstes kommt“ (1), schreibt GWR-Mitherausgeber Horst.

Als nächstes kommt auf jeden Fall das neue, von Renate Brucker im Verlag Graswurzelrevolution herausgegebene Buch „Clara Wichmann, Vom revolutionären Elan. Beiträge zu Emanzipationsbewegungen 1917-1922“ bei GWR-Leserin Heike A. in Mönchengladbach an. Sie hat nämlich mehr als 30 Personen und Figuren erkannt, die auf der Titelseite der Libertären Buchseiten (GWR 432) und jetzt auf dem dieser GWR beigelegten Poster zu sehen sind. Herzlichen Glückwunsch! Auf der Rückseite des Posters findet Ihr die Auflösung des Rätsels aus dem GWR-432-Editorial: 59 Namen.

Ein großes Dankeschön an Roy Brick, der lange an seiner 68er-Collage gearbeitet hat! Stark!

Der Relaunch von graswurzel.net

Noch mehr Arbeit hatten GWR-Webmaster Andreas und Henning vom IT-Kollektiv mit dem Relaunch unserer Homepage. Aber nach mehrjährigem Werkeln und diversen Diskussionen mit dem GWR-Herausgeber*innenkreis ist es endlich so weit: www.graswurzel.net hat den Sprung aus den 1990ern ins Jahr 2018 geschafft. Danke! Wunderbar!

Viel Spaß beim Surfen – und beim Lesen der druckfrischen „Holzausgabe“, wünscht

Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur), 25.10.2018

Anmerkung:

1) Mit Krieg zum Frieden? Streitgespräch zwischen Peter Rudolf (Stiftung Wissenschaft und Politik) und Bernd Drücke (Graswurzelrevolution), moderiert von taz-Redakteur Christian Jakob, in: bpb:magazin #14, Oktober 2018, S. 29-31. Kostenlos erhältlich bei: www.bpb.de/shop/zeitschriften/bpbmagazin/277369/bpbmagazin-2-2018

Veranstaltungshinweis:

28.11.2018, 14.30 – 17 Uhr, Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm-Ring 28, 48145 Münster: Erinnerungspaten stellen sich vor. Bernd Drücke erzählt die Geschichte des Antifaschisten und Anarchisten Paul Wulf, der 1938 als „Lebensunwerter“ von den Nazis zwangssterilisiert wurde. Weitere Infos: www.villatenhompel.de

 

Bis zum 23.11.2018 ist die Wanderausstellung „Demos, Discos, Denkanstöße – die 70er Jahre in Westfalen“ in der RETRO STATION Recklinghausen zu sehen. Dort sind auch alte Ausgaben der Graswurzelrevolution ausgestellt.

Foto: Bernd Drücke

Anmerkung:

1) Mit Krieg zum Frieden? Streitgespräch zwischen Peter Rudolf (Stiftung Wissenschaft und Politik) und Bernd Drücke (Graswurzelrevolution), moderiert von taz-Redakteur Christian Jakob, in: bpb:magazin #14, Oktober 2018, S. 29-31. Kostenlos erhältlich bei: www.bpb.de/shop/zeitschriften/bpbmagazin/277369/bpbmagazin-2-2018

Veranstaltungshinweis:

28.11.2018, 14.30 - 17 Uhr, Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm-Ring 28, 48145 Münster: Erinnerungspaten stellen sich vor. Bernd Drücke erzählt die Geschichte des Antifaschisten und Anarchisten Paul Wulf, der 1938 als „Lebensunwerter“ von den Nazis zwangssterilisiert wurde. Weitere Infos: www.villatenhompel.de