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Editorial

Liebe Leser*innen,

als Jugendlicher habe ich Orwells’ „1984“, Huxleys’ „Schöne neue Welt“ und Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“ verschlungen. Generationen sind aufgewachsen mit Tolstois „Krieg und Frieden“, Hesses „Siddhartha“ und dem „Tagebuch der Anne Frank“. Diese Werke der Weltliteratur und mehr als 4.200 weitere Bücher stehen laut amnesty international (1) in Florida und anderen republikanischen US-Bundesstaaten auf dem Index. Sie sollen aus Schulen und Bibliotheken verbannt werden.
Die „Gründe“ für die Zensur sind „Gender-Ideologie-Propaganda“, „transsexuelles Material“, „Übernahme einer Trans-Ideologie, die einen Angriff auf Mädchen/Frauen darstellt“, „sexuelles Fehlverhalten“, „Drogen-/Alkoholkonsum“, „LGBTQ-Inhalte“, „Polizeifeindlichkeit“, „Obszönität“ und „Rassismus“. Unter „Rassismus“ verstehen die Zensor*innen den von Rechtsnationalisten erfundenen „Rassismus gegen Weiße“. Verkehrte Welt!

Eine Orwellsche Dystopie

Seit Monaten bearbeitet das Trump-Regime die unvollendete US-Demokratie mit der Motorsäge, um sie in eine MAGA-Autokratie zu verwandeln. Würden Orwell und Huxley im heutigen Trumpistan aufwachen, würden sie erschaudern. Millionen illegalisierte Menschen müssen befürchten von den US-Behörden nach Guantanamo oder in Foltergefängnisse etwa nach El Salvador verschleppt zu werden. Der Angriff auf Zivilgesellschaft, Gewaltenteilung, Bildungseinrichtungen und Menschenrechte macht deutlich, was passieren kann, wenn Rechtsnationalisten an die Macht kommen, Brandmauern fallen und das rassistische Gift des neuen Faschismus wirkt.
Der 400fache Milliardär Musk hat das von ihm gekaufte Twitter in sein persönliches, Verschwörungstheorien und Hetze verbreitendes X-Spielzeug verwandelt. Er unterstützt extrem rechte Parteien weltweit. Von seiner Unterstützung hat auch die AfD massiv profitiert. Umfragen vom April 2025 sehen sie mit 25 Prozent als stärkste Partei. Dazu beigetragen hat auch, dass die Grünen und die neue CDU/CSU/SPD-Regierung keine Hemmungen haben, eine gegen Geflüchtete gerichtete AfD-Politik zu machen. Unsere Antwort kann nur lauten: Kein Fußbreit dem Faschismus! Nirgendwo!

Die Graswurzelrevolution ist seit 1973 assoziiertes Mitglied der War Resisters’ International (WRI) (siehe Artikel auf Seite 18).
Helga Weber-Zucht (2) hat schon in den 60ern in London für die WRI gearbeitet. Zusammen mit Wolfgang Zucht hat sie in den 70ern den gewaltfrei-anarchistischen Verlag Weber-Zucht (3) gegründet. Seit ihrer Rückkehr nach Kassel 1973 ist sie GWR-Mitherausgeberin. Zu ihrem 90. Geburtstag am 15. Mai möchte ich ihr im Namen des GWR-Herausgeber*innenkreises ganz herzlich gratulieren! Helga, Du bist phänomenal!
Helga hat den Artikel „Resistance to Trump is everywhere“ entdeckt, die Autorin und die Redaktion von Waging Nonviolence kontaktiert und diesen aufrüttelnden Artikel als Aufmacher des GWR-499-USA-Schwerpunkts übersetzt (S. 3–5). Rivera Suns Text macht Mut und klar, dass sich in den USA in wenigen Wochen aus lähmender Angst ein breiter Protest entwickelte.
Lara Islinger zeigt, dass die Lage für Schwangere in den USA immer dramatischer wird, aber auch, dass sich der Widerstand gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen organisiert (S. 6 f.).
Elmar Wigand beschreibt in seiner 16. GWR-Kolumne den Paradigmenwechsel in den USA vom Prinzip der Soft Power zu Hard Power (S. 26). Pınar Selek stellt uns die „Massenbewegung gegen Erdoğans Autokratie“ (S. 1, 13) vor, die sich nach der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters in der Türkei entwickelt hat.
Mit dem Leitartikel „Eine Aushöhlung grundlegender Menschenrechte“ beginnt ein weiterer, auf Seite 10 ff. fortgesetzter GWR-499-Schwerpunkt, der die Abschiebewut der EU-Staaten und die dagegen gerichtete antirassistische Solidaritätsarbeit thematisiert.
Der feministische Teil dieser GWR dreht sich u. a. um feministische Anti-Knast-Arbeit (S. 7), die Überlebende Peggy Parnass (S. 8) und die Anarchistin Hedwig Lachmann (S. 9).
Um den Widerstand gegen Autobahnprojekte in Frankreich und Deutschland geht es auf den Seiten 23 ff., um Antifaschismus in Spanien und hier auf den Seiten 27 f.
Angesichts der massiven Aufrüstungspläne hat auch diese GWR wieder einen antimilitaristischen Schwerpunkt (4). Auf den Seiten 15 bis 22 findet Ihr Beiträge über den geplanten Veteranentag, die Zwangsrekrutierungen in Belarus und Ole Nymoens Bestseller gegen die „Kriegstüchtigkeit“. Außerdem eine neue #ObjectWarCampaign-Aktionszeitung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai.
Alle Autokratien und der Militarismus werden fallen – überall!

Anarchie und Glück,

Bernd Drücke
(GWR-Koordinationsredakteur)

(1) https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/vereinigte-staaten-von-amerika-buchzensur-rassismus-lgbti-amanda-gorman-aus-den-regalen-aus-dem-sinn
(2) Siehe Interview: https://www.graswurzel.net/gwr/2003/12/fur-eine-gewaltfreie-herrschaftslose-gesellschaft/
(3) https://www.graswurzel.net/gwr/produkt-kategorie/buchverlag/wezuco/
(4) Veranstaltungshinweis: Gegen jeden Krieg – Anarchistischer Antimilitarismus. Diavortrag mit GWR-Redakteur Bernd Drücke. 21.5.25, 19 Uhr, Baracke, Scharnhorststr. 106, Münster