anti-akw

Ein Schritt Richtung Atomausstieg

| Bernd Drücke (GWR-MS)

Die vielfältigen Aktionen gegen den ersten "Konsens-Castor" waren beeindruckende Beispiele für die Möglichkeiten des gewaltfreien Widerstands. Ein großartiger Erfolg der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Anti-Atom- Bewegung quicklebendig. Jede Generation war im Wendland im Widerstand gegen den Atomstaat vertreten. Und dieser Widerstand war nicht trotz, sondern auch aufgrund des Niedergangs der Grünen so stark. Vielen Menschen, die bisher auf “Rotgrün” gesetzt hatten, ist klar geworden, dass die SPD/Grüne-Regierung mit ihrem “Atomkonsens” bewusst die drohende Verstrahlung vieler Menschen in Kauf nimmt. Viele haben erkannt: Wer den sofortigen Ausstieg aus der Atomwirtschaft will, muss sich quer stellen und kann nicht auf ParlamentarierInnen hoffen. Anders als noch am 18. Februar 2001 bei der Anti-Castor-Auftaktdemo in Ahaus, wurden diesmal bei den großen Demonstrationen vor dem Verladekran in Dannenberg am 27. und 28. März (1) keine “Bündnis 90/Die Grünen”-Fähnchen mehr gesichtet. Rot-grüne PolitikerInnen, die ihren Deal mit der Atommafia, der den jahrzehntelangen Weiterbetrieb der lebensbedrohlichen Atomkraftwerke erlaubt, als “Atomkonsens” verkaufen wollen, haben nicht nur bei der Bevölkerung im Wendland ihre Glaubwürdigkeit verloren. Gute Perspektiven also für das Anwachsen einer außerparlamentarischen, libertären Graswurzelbewegung. Wenn es gelingt, die effektiven Möglichkeiten außerparlamentarischer Oppositionspolitik nicht nur im Widerstand gegen die Atompolitik zu demonstrieren, dann kann auch die (Re-)Politisierung der vielen Frustrierten und von der Regierungspolitik Enttäuschten in Bezug auf andere “Teilbereiche” wie z.B. Antimilitarismus und Antifa gelingen.

Die Anti-Atomkraft-Bewegung hat viel erreicht. Erinnert sei z.B. an das Scheitern des größten deutschen Atomprojekts: Der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht (CDU) musste bereits Anfang der 80er Jahre eingestehen, dass die geplante Wiederaufbereitungsanlage (WAA) “in Gorleben nicht durchsetzbar ist”. Und aufgrund des massiven Widerstands, der die Kosten explodieren ließ, konnte die WAA auch im bayrischen Wackersdorf nicht durchgesetzt werden. Mit jedem Bohrloch, in das Bauern Gülle kippten, mit jeder Demonstration und jeder direkten Aktion wuchs der Preis der WAA. “Zu teuer”, so die Begründung der ökonomistisch denkenden Atomindustriellen für die Beerdigung ihres WAAhnsinns-Projekts.

Auch heute treibt der Widerstand der Bevölkerung, die ihr Recht auf ein unversehrtes Leben für sich und kommende Generationen durchsetzen will, nicht nur die politischen Kosten für den Atomstaat in die Höhe. Der Castortransport-“Sicherungsaufwand” stieg von 26 Millionen (1995) auf 46 Millionen (1996), dann auf 111 Millionen (1997) (2) und im März 2001 nach offiziellen Angaben auf mehr als 130 Millionen DM.

Um die Castoren gegen den Willen der Mehrheit nach Gorleben zu transportieren, wird zunehmend auf polizeistaatliche Mittel gesetzt. 1995 “sicherten” 15.000, 1996 schon 19.000 und 1997 und jetzt im März 2001 jeweils mehr als 30.000 PolizistInnen den Transport. Wie sah die “Deeskalationslinie” der Polizei aus? Die Polizei durchsuchte die Schultaschen von Kindern der Freien Schule Hitzacker. Sie tyrannisierte die Menschen im Wendland tage- und nächtelang: durch ständige Hubschraubereinsätze, durch Platzverbote und die Drohung Häuser, in denen mehr als zwei Gäste pro BewohnerIn untergekommen sind, zu räumen. “Deeskalation”, dazu gehörten Knüppeleinsätze, der von ZeugInnen beobachtete Einsatz von Steine werfenden Zivilpolizisten und die Verhaftung vieler AtomgegnerInnen. Jochen Stay, Sprecher der gewaltfreien Kampagne “X-tausendmal quer” und ehemaliger Koordinationsredakteur der “Graswurzelrevolution”, wurde mit der absurden Begründung, ein “Gewaltbefürworter” und “Rädelsführer” zu sein, tagelang inhaftiert.

Der erste von Rotgrün durchgesetzte Transport nach Gorleben war nur der Türöffner für weitere Atomtransporte u.a. zur WAA ins französische La Hague und in die britische Plutoniumfabrik Sellafield. Trotz gewisser Ermüdungserscheinungen so kurz nach den Aktionen von zigtausend AtomgegnerInnen im Wendland, wertete “X-tausendmal quer” auch die Aktivitäten von rund 3.000 Menschen gegen den ersten Transport nach La Hague im April 2001 als Erfolg: “Noch nie hat es soviel Widerstand gegen einen Castor-Transport in die Wiederaufbereitung gegeben.” Auch in Frankreich regt(e) sich der Widerstand.

6.800 PolizistInnen wurden zum Schutz dieses WAA-Transportes eingesetzt. Allein nach Gorleben müssen nach den Wünschen der Atomindustrie in diesem Jahr noch einmal sechs Castoren gebracht werden, je zwölf weitere in den kommenden beiden Jahren. Von 2004 bis 2009 sind es sogar 18 im Jahr. Bleibt also viel zu tun. Wenn es der Anti-Atomkraft-Bewegung gelingt, weiter zu wachsen, ohne sich spalten zu lassen, dann kann sie durch phantasievollen Widerstand, durch die “Verstopfungsstrategie” (vgl. GWR 237) erreichen, dass Schröder und die Atommafia schon bald eingestehen müssen: “Der Weiterbetrieb der Atomanlagen ist nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzbar. Der sofortige Ausstieg ist unerlässlich.”

Es wird ein Lachen sein, das sie besiegt.

(1) Ich bin erst am 27.03. ins Wendland gefahren.

(2) Zahlen aus: Der Spiegel 13/2001, S. 50