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Das Foucaultsche Labyrinth

| Der Boris

Marvin Chlada, Gerd Dembowski (Hg.), Das Foucaultsche Labyrinth. Eine Einführung, Aschaffenburg 2002

Es macht sich immer ganz prächtig, einen Text über einen wichtigen Denker mit einem Zitat desselben zu beginnen, das diesen direkt als geeignet für die eigene Sache ausweist. Das ist manchmal nicht so einfach, manchmal auch weil es nicht einfach ist sich zu entscheiden. So etwa bei Michel Foucault. Will man seine Beschreibungen von Kontrolle und Disziplin für eine Kritik verwandter Themen einsetzen oder sich nur eklektizistisch einzelner Fragmente bedienen, eignet sich der Rückgriff auf das Zitat mit der Werkzeugkiste, die seine Bücher sein sollen, die es den Leuten ermöglichen sollen diesen oder jenen Satz, diese oder jene Idee oder Analyse als Schraubenzieher zu verwenden, um die Machtsysteme kurzzuschließen, zu demontieren oder zu sprengen. Auch sollen seine Bücher sein wie Operationsmesser, Molotowcocktails oder unterirdische Stollen die Gänge durch die herrschenden Diskurse graben, sie aushöhlen und neuen Formen von Subjektivität erzeugen. Mit anderen Worten geht es darum, das Bestehende so nicht hinzunehmen, der Dummheit Schaden zu tun und Kritik zu formulieren. Und auch hier wieder lauter schöne Sätze. Auf die Frage, was Kritik nun eigentlich sei? Die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden. Oder, Kants Frage danach was Aufklärung sei im Nacken: Dann ist Kritik die Kunst der freiwilligen Unknechtschaft, der reflektierten Unfügsamkeit… der Entunterwerfung. Das hier besprochene Buch ist ein schönes Beispiel dafür und strotzt vor lauter solchen Zitaten. Soviel dazu.

Ein anderer Anfang. An Einführungen in das Denken des französischen Poststrukturalisten, Philosophen und politischen Aktivisten, Michel Foucault mangelt es nicht gerade. Dabei stellt es sich oftmals als recht schwierig heraus, das Denken Foucaults systematisch in Form einer Einführung darzustellen und verständlich zu machen. Ein neuer Versuch also? Dem vor zwei Jahren erschienen Universum des Gilles Deleuze. Eine Einführung (vgl. GWR 262/Libertäre Buchseiten, Oktober 2001) folgte nun im Alibri Verlag eine Einführung in das Foucaultsche Labyrinth. In dieses verschachtelte Labyrinth werden fünf thematische Eingänge geboten, die Foucault in seinen zahlreichen Formen nutzen wollen. Keine systematische Darstellung mit Biographie und Werdegang sondern ein unsystematisches Schrauben und Bohren mit den foucaultschen Werkzeugen waren das Ziel der verschiedenen AutorInnen. So beginnt Velten Schäfer den ersten Eingang Politik und Macht mit einer Diskussion der politischen Heimat Foucaults, zumal sich dieser von Habermas als einen Jungkonservativen bezeichnen lassen musste und sein positiver und vielfältiger Bezug auf Heidegger von vielen Linken nicht verziehen wurde.

In der Nähe des zweiten Eingangs steht die US-amerikanische Feministin Judith Butler, die Anfang der 90er Jahre mit dem Unbehagen der Geschlechter nicht nur für den Feminismus Zutritt zu Foucaults Labyrinth in Deutschland geschaffen hat. Sarah Dellmann kommt so über Foucaults Diskurs- und Machtbegriffe zu Butlers Performativität und den Möglichkeiten der subversiven Verschiebung von Geschlechtervorstellungen.

Eines der größten Verdienste dieses Buches ist es das Verhältnis von Foucault und Adorno neu zu beleuchten und dabei nicht auf Habermas hereinzufallen. Nicht nur in Daniel Loicks Artikel, der sich explizit mit deren Verhältnis befasst, sondern in Ansätzen auch in mehreren Aufsätzen, werden beide näher zusammengerückt, als dies bisweilen üblich ist. Die Differenz liegt schließlich in der Frage nach dem Subjekt und darin, ob dieses nun aufklärerisch also potentiell autonom und essentiell begriffen wird oder ob man dies postmodern für falsch und eine Lüge hält.

Dass unter der recht großen Zahl an Aufsätzen, die alle recht kurz und eingängig gehalten sind, auch eher mäßigere vertreten sind, bei denen man sich doch fragen kann ob Foucault so gelesen werden muss, sollte nicht weiter stören und den Gesamtwert des Buches nicht schmälern. Vielleicht erklärt dies Buch nicht so genau, wie Foucaults Werkzeuge aussehen, dafür zeigen sie aber was damit gemacht werden kann (Als direkte Bauanleitung etwa Siegfried Jägers Kritische Diskursanalyse) und lohnt auf jeden Fall.