libertäre buchseiten

Pop! Stolizei!

Seyfried "Die Werke. Alle!"

| Findus

"Pop! Stolizei! Äh: Stei! Polizop! Nein, öh .. Stop! Poliz .. Weg isser ..!" Wenn es doch immer so amüsant mit der Bullerei zugehen würde, wie in Gerhard Seyfrieds Cartoons ...

Nach dem Sammelband “Die Comics. Alle!”, der 2007 bei Zweitausendeins veröffentlicht und in einem Interview mit Gerhard Seyfried und Ziska in den Libertären Buchseiten der GWR 322 bejubelt wurde, erschien mit “Die Werke. Alle!” im Oktober 2008 ein zweiter Band gesammelter Arbeiten des Anarcho-Comiczeichners Seyfried. Das 596 Seiten zählende Schwergewicht enthält sämtliche Karikaturen, Plakate, Plattencovers, Cartoons, Ölgemälde, Skizzen und auch Fotos und Collagen von Seyfried.

Sie umspannen seine gesamte Schaffenszeit von den Anfängen bei der Satirezeitung “Pardon” und bei der Münchner Anarcho-Szene-Zeitung “BLATT” bis zu seiner, sagen wir mal, gemäßigteren Phase von taz-Cartoons und Ströbele-Wahlplakaten heute.

Hinzu kommt ein nicht minder unterhaltsames, weil sehr persönliches Interview mit Seyfried, das die Comiczeichnerin und Herausgeberin des Buches, Ziska, führt.

Beide – Bildauswahl und Interview – dokumentieren die Geschichte Gerhard Seyfrieds und damit auch ein Stück linker und libertärer BRD-Geschichte von unten. So erzählt Seyfried anekdotenhaft und mit viel (Selbst)Ironie, wie er von der “Akademie für das Graphische Gewerbe” in München geflogen ist, weil er 1968 als AStA-Referent zum Streik gegen die Notstandsverordnung aufgerufen hat.

Oder wie er mit Hilfe der IDK (Internationale der Kriegsdienstgegner – heute DFG-IdK) erfolgreich den Kriegsdienst verweigert und dann doch “aus Neugier” für 3 Monate beim Bund mit gemacht hat. Über diverse Stalinisten und Trotzkisten, bei denen er es aber nie lange ausgehalten hat, und der Gefangenen- und Knastarbeit bei der Roten Hilfe sei er dann bei den Anarchisten gelandet: “Das waren die ersten Leute, denen ich begegnet bin, die versucht haben, das zu leben, was sie predigen.”

Durch seinen Freundeskreis geriet Seyfried später auch in die militanten Kreise um die “Bewegung 2. Juni” und der RAF in Berlin. Zwar sei er eigenen Angaben nach Teil der “UnterstützerInnenszene” gewesen, hätte aber recht schnell begriffen, dass ein bewaffneter Kampf gegen den Staat nicht zu gewinnen sei. Er blieb also ein Stift-Guerillero und veröffentlichte 1978 beim Rotbuch-Verlag seine gesammelten Arbeiten, zumeist aus der Zeit beim Münchner “BLATT”, in dem Buch “Wo soll das alles enden”.

Der Rest ist Geschichte: Das Buch wurde ein Erfolg. Von den Einnahmen unternimmt er 1978 mehrere Trips (in jedem Sinne des Wortes) in die USA und lernt die “Freak-Brothers”-Legenden Shelton und Mavrides kennen, mit denen er auch eine “Freak-Brothers-Story” erstellt.

Zurück in Berlin zeichnet er die Comicbände “Freakadellen und Bulletten”, “Das schwarze Imperium”, “Flucht aus Berlin” u.a., und 1991 dann das erste Seyfried&Ziska-Werk “Future Subjunkies”.

Es folgen weitere gemeinsame Comics mit Ziska, welche die beiden im Interview ansprechen und reflektieren.

Viele Zeichnungen Seyfrieds bekommen durch den Text einen geschichtlichen Hintergrund, der dem Lesenden die künstlerische Entwicklung Seyfrieds nachvollziehen lässt. Eine echte Würdigung der Schaffenskraft eines, nein, DES Chronisten der Libertären Szene in Deutschland auf dem Feld der humoristischen Tuschezeichnung.

Und es gibt veritable Neuigkeiten: Nachdem Seyfried zuletzt nur noch Historien-Schinken anstatt Comics heraus gebracht hat, gaben er und Ziska unlängst bekannt, dass sie gemeinsam an einem neuen Comicprojekt arbeiten. Titel, Thema … eigentlich alles sei bisher “streng geheim”, lässt sich auf ihrem Blog www.seyfried-ziska.de lesen.

Nur soviel wird verraten: Der neue Comic wird im Frühjahr 2010 erwartet – und zwar sehnsuchtsvoll!

Die Zeit bis dahin lässt sich am besten mit “Die Werke. Alle!” vertreiben.

Ziska (Hg.): Seyfried "Die Werke. Alle!" Mit einem Vorwort von F.W. Bernstein. 596 meist farbige Bildseiten. Großformat 22x30 cm. Fadenheftung. Fester Einband. Zweitausendeins. Frankfurt/M., Oktober 2008, ISBN 978-3-86150-878-6, 49,90 Euro