libertäre buchseiten

Es gibt Hoffnung

Safiye Cans vielversprechendes Debüt

| Jörg Siegert

"Rose und Nachtigall. Liebesgedichte", Größenwahn Verlag, Frankfurt/M. 2014, 2. Auflage 2016, 126 Seiten, 12,99 Euro, ISBN 978-3-942223-64-5

Der in Offenbach geborenen und lebenden Autorin Safiye Can ist mit ihrem Debüt „Rose und Nachtigall“ mittlerweile ein Lyrikbestseller in 2. Auflage gelungen. Das vom Frankfurter Kleinverlag Größenwahn mutig und schön editierte Buch ist ein wahres Wunderwerk. Safiye Can verzaubert durch Bilder, die man lange betrachten mag. Sie gewinnt ihnen faszinierende Facetten ab, indem sie Ungewohntes mit Neubelebtem kongenial zu komponieren weiß, neue Motive mit altem Hintergrund. Auch längere Gedichte und visuelle Poesie bereichern bleibende Eindrücke. Es erstaunt nicht, dass Safiye Can 2016 den Else-Laske-Schüler-Preis erhalten hat, sondern dass die Literaturszene so lange vorher auf sie verzichten musste. Sie gehört zu den milde stimmenden Stimmen der neuen Poesie.

So gelingt es ihr, auf dem leider sprachverarmten Feld der Liebeslyrik Wortbilder und Satzpflanzen zu säen, die bei der Lektüre wachsen. Dabei watet sie nicht im üblichen Sumpf des dumpfen Herzschmerzweinwassers und tappst nicht in Klischeepfützen. Sie geht herzlich mit der Sprache um, nähert sich ihr nachdenklich, entlockt ihr berührende Melodien, ist konkret und phantasiebegabt zugleich. Da findet man sich im Verlorenen, wird aber zärtlich zugeneigt begleitet; da riecht ein Hemd nach Heimat, sind Hände und Augen die Fremde. „Vielleicht bist du eine Leerzeile/ in einer Vita, vollbeladen/ mit tiefliegenden Gefühlen“ heißt es, und „jeden Abend flechte ich dich/ in mein Haar hinein“. Enttäuschungen verarbeitet sie mit Feingefühl und bisweilen ironisch entklärend.

„empor fliegt ein Schmetterling/ aus Trauer, lässt er einen Flügel fallen/ meine Einsamkeit, eine Kerkereinsamkeit/ golden glänzt du aus ihr heraus/ ich halte fest an dir/ deine Hände wärmen/ die einer anderen.“

Besonders begeistern zudem ihre Abschiede, etwa in „Dornröschen, Liebchen“:

„Die Fender ist zertrümmert, Herzblatt/ wenn du Nachhause findest/bring Papers mit/ und Mischtabak“.

In „Ingoknito“ gibt es „Knautschblicke“ und wird der Mund mit Panzertape verklebt, „damit er ja nie mehr spräche/ von Liebe“. Im Frankfurt-Zyklus „Zu Menschen anderer Sprache“ erweitert sie ihre Liebeserklärung über das Individuelle und doch Universelle hinaus. „Ein Potpourri aus Strophen/ quillt aus dem Asphalt“, und „ein Umzugswagen lädt eine neue Welt aus“. Das Titelthema im Langgedicht „Rose und Nachtigall“ wird virtuos variiert und mit einer atemberaubenden Dynamik versehen.

Safiye Can hat ihrer unverwechselbar eigenen Wortschöpfungsgeschichte den Weg in eine vielversprechende Geisteszukunft geebnet. Sie lässt hoffen und zu, dass man sich in ihre Gedichte verlieben kann. Von dieser Autorin werden wir noch einiges zu lesen bekommen. Und das ist gut. Oder wie sie selbst schreibt: „ich habe mit der Poesie/ einen endlosen Prozess.“