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Interkulturelle FrauenLesbenUni

Entgegen der elitären Expo-Frauenuni wird es am 1.-30.7.2000 eine FrauenLesbenSommerUni in Hannover geben

| Die Mambas

Seid jetzt fast einem halben Jahr bereitet eine kleine Vorbereitungsgruppe das Konzept für eine Sommeruniversität für Frauen und Lesben in Hannover vor. Obwohl die FrauenLesben der Gruppe alle unterschiedliche (Lebens-) Hintergründe und (Politik-) Erfahrungen mitbringen, unterliegt doch der Arbeit ein gemeinsamer Bezugspunkt: die herkömmliche Universität als ausschließender Männerort und als geschlossene Gesellschaft für genormte Mitglieder, die sich ihre Bildung auch leisten können.

Es können jetzt hier nicht alle Aspekte des fortschreitenden Neoliberalismus und der Entdemokratisierung beschrieben werden (gerade der BdWi und die Heftreihe Forum Wissenschaft“ leisten zu diesem Themenkomplex gute Aufklärungsarbeit), aber betrachten wir doch einmal die Fassaden (vielmehr die Ruinen) der „Bildungsanstalten“ näher.

Zulassungsbeschränkungen ohne Ende

Während meines Studiums, und auch während ich in der studentischen Selbstverwaltung etwas hinter die Kulissen der Uni Hannover gucken konnte, drängte sich immer mehr die Frage auf, welchen Nutzen es hat, wenn durch eine genormte und als ultimativ angesehene Wissenschaftlichkeit ab- bzw. ausgegrenzt wird. Was soll vermittelt werden in unseren Eliteschmieden – und für wen wird das getan? Es ist ziemlich sicher, daß die Lerninhalte und -formen durch einen weißen Eurozentrismus, der einer elitären Norm vorbehalten ist, geprägt sind. Sowohl FrauenLesben, Nicht-Deutsche, „behinderte“ Menschen und andere nicht einer Normbiographie entsprechende Menschen sind ausgeschlossen. Dies soll zum Beispiel auch in dem diskutierten HRG-Entwurf festgeschrieben werden, in dem Studierende nach einer bestimmten Regelstudienzeit zwangsberaten und -exmatrikuliert werden sollen. Gründe für eine längere Studiendauer, wie zum Beispiel Kinderbetreuungszeiten, Jobben, Krankheiten, etc., werden dabei nicht berücksichtigt.

Somit soll neben dem Hochschulreifezeugnis noch eine zweite Zulassungsbeschränkung aufgebaut werden, nämlich ausreichend Geld, um sich ein Studium im Eiltempo leisten zu können. Die Einführung von Studiengebühren in noch so getarnter Form, wie schon in verschiedenen Bundesländern geschehen, fördert diese Entwicklung im rasanten Tempo!.

Universitätsbetrieb nach männlicher Norm

Wenn wir uns einmal diese Wissenschaftsinhalte und -formen betrachten, wird ziemlich schnell klar, daß sie männlich geprägt sind; Männer sollen uns scheinbar geschlechtsneutrale Lerninhalte vermitteln, in denen weder die Wechselwirkungen der Geschlechtskonstrukte, noch die spezifischen Probleme und Barrieren, die für Frauen aufgebaut sind, untersucht werden. Noch immer steht das gelesene Wissen über dem gelebten Wissen. Somit haben FrauenLesben kaum eine Chance, ihre zumeist von der männlichen Norm abweichenden Erfahrungen in den Universitätsbetrieb mit einzubringen.

Neoliberale Utopien der ifu (internationale frauen-universität)

Um dies zu durchbrechen hat sich neben der interkulturellen Sommeruni noch eine weitere Gruppe aufgemacht, um im Jahre 2000 eine Frauenuniversität durchzuführen: die ifu (internationale frauenuniversität). Allerdings birgt dieses Modell mehrere Kritikpunkte in sich. Zum einen werden in diesem Projekt neoliberale Utopien festgeschrieben, in denen direkte Studiengebühren umgesetzt werden (pro Teilnehmerin werden DM 600,-verlangt). Außerdem ist eine Teilnahme fast nur durch besondere Leistungen und Fürsprecherinnen möglich. Zum anderen wird die Kritik an die Anbindung an das Pleitegeschäft EXPO 2000 immer lauter. Obwohl die EXPO GmbH nur einen geringen Teil der Finanzierung stellt, schreibt sie sich dieses Projekt als Aushängeschild auf die Fahnen. Die teilweise der EXPO sehr kritisch eingestellten Frauen täten sehr gut daran, sich mit diesem Umstand einmal auseinander zu setzen. Ein dritter Kritikpunkt ist der Aufbau einer Vereinsstruktur, deren Mitbestimmungsrechte der Mitglieder (der Wissenschaftlerinnen, die nicht im Vereinsvorstand sind) mehr als beschnitten sind. Studentinnen wurden bei der Entwicklung des Konzeptes und von der Mitgestaltung kategorisch ausgeschlossen.

Damit steht die Frauenuniversität – was ihre Struktur anbelangt – im krassen Gegensatz zu den Forderungen der Sommeruniversitäten (Berlin 1976 undfolgende – B. G.). Dort sollte es ja gerade darum gehen, die Hierarchien zwischen Wissenschaftlerinnen und Nichtwissenschaftlerinnen, zwischen Professorinnen und Anderen abzubauen. Alle Frauen sollten mitdiskutieren und mitbestimmen können. Damals diskutierten in Berlin eine Woche lang Frauen und Lesben mit den unterschiedlichsten Beweggründen über Themen wie zum Beispiel Sozialisation, Frauen im Strafvollzug, die Situation der Haus(frauen)-arbeit, ect. Allen gemeinsa m war es, daß sie der männlich geprägten Welt, sowohl im Beruf als auch in der Universität, etwas entgegensetzen wollten. Feministische und interdisziplinäre Ansätze wurden praktiziert und auf ihre Vorteile überprüft. Nach dem noch Sommeruniversitäten bis Anfang der 80er Jahre folgten, verschwanden sie von der Bildfläche…

Bis jetzt! Bis jetzt ? …

In der Tradition der FrauenSommerUnis

Aufbauend auf den Erfahrungen und den Grundideen der Sommerunis in Berlin wollen wir im nächsten Sommer (01. – 30. Juli 2000) in Hannover einen neuen Versuch starten und eine interkulturelle Sommeruniversität für Frauen und Lesben durchführen. Auch wenn wir damit etwas anachronistisch sind (die Zeiten haben sich geringfügig geändert; die neue Frauen-Lesbenbewegung ist von der jetzigen Bewegung abgelöst worden, die andere Probleme zu bewältigen hat, aber auf den Erfahrungen und dem Erkämpften der FrauenLesbenbewegung der 70-er aufbauen kann, …). Wir denken aber trotzdem, daß ein solcher Versuch dringend erforderlich ist und auch erfolgsversprechend für neue Impulse sein kann. Die Sommeruni ist unabhängig und praxisorientiert.An diesem Projekt sollen und können alle FrauenLesben teilhaben, unabhängig von Status, Geldbeutel und Kulturzugehörigkeit … Unser Ziel ist es, Frauen und Lesben in und um Hannover zusammen zu bringen und einen Frei-Raum zu schaffen, um einander kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Spaß zu haben. So können wir alternative Lebensformen zusammen entwickeln und erlebbar machen! Wichtig ist uns neben Seminaren, Textarbeit und Diskussionen ein Angebot im sportlichen, musischen, handwerklichen und kulturellen Bereich. Natürlich soll auch das Nachdenken über einen möglichen Widerstand nicht zu kurz kommen, da wir uns ausdrücklich gegen das Großprojekt der EXPO 2000 als Festschreibung von kapitalistischen (männlichen) Interessen und Gentechnologie als Lösung der Probleme des kommenden Jahrtausends, wenden.

Für die Sommeruni haben wir ein (jederzeit offenes) Konzept entworfen:

  • mit dem wir den jetzigen Zustand betrachten wollen:
    FrauenLesben und Alltag
    03. – 07. Juli 2000
  • diskriminierende Erfahrungen und Bedingungen, die Frauen und Lesben erleben genauer untersuchen:
    FrauenLesben und Unrechtserfahrungen/ -bewußtsein
    10. – 14. Juli 2000
  • die verschiedenen Befreiungsstrategien ganz verschiedener FrauenLesben und -gruppen kennenlernen:
    FrauenLesbenbewegungen und -befreiungen im interkulturellen Vergleich
    17. – 21. Juli 2000
  • und Strategien für die Zukunft entwickeln:
    Utopia
    24. – 28. Juli 2000

Viele der Themen, die wir unter den einzelnen Schwerpunkten gesammelt haben, wiederholen sich in den einzelnen Wochen und sollen aus verschiedenen Perspektiven behandelt werden. Um Überleitungen, Gemeinsamkeiten oder Zusammenhänge schaffen zu können, wird es jeweils am Freitag nachmittag ein Plenum geben, das wir selbst gestalten können.

Wie schon beschrieben ist das Konzept in seiner Ausgestaltung offen und vor allem natürlich abhängig von den Referentinnen und Euren Ideen. Wir suchen nicht nur Koryphäen und Expertinnen, sondern auch Gruppen und Einzelpersonen, die sich schon länger in eine Thematik eingearbeitet haben. (Nebenbei suchen wir noch Übernachtungsmöglichkeiten in Hannover, FrauenLesben, die Lust haben, eine Kinderbetreuung durchzuführen und FrauenLesben, die Interesse haben, Kulturangebote aller Art durchzuführen!). Da die Teilnahme an der Sommeruni für alle FrauenLesben kostenlos sein soll, können (und wollen) wir für Referentinnen keine Honorare zahlen. Dies entspricht unserer Idee des Mit- und Voneinanderlernens als Uni von unten. (Materialgeld und Fahrtkosten können selbstverständlich ersetzt werden!) Des weiteren ist es uns wichtig, daß die Referentinnen sich untereinander kennenlernen und koordinieren. Nur so kann sich letztendlich ein rundes Bild ergeben, indem möglichst viele Teilaspekte zur Sprache, aufs Papier, in den Tanzsaal oder wohin auch immer, kommen können. Da wir auch planen die Sommeruni zu dokumentieren, ist die Bereitschaft, den eigenen Arbeitskreis, das Seminar oder ähnliches auszuwerten und zu beschreiben, immens wichtig. Wir finden, daß es aufgrund der Sprachlosigkeit, die auf Seiten vieler Frauen herrscht, gut ist, neue Impulse in die Diskussion um eine lebbare und gleichberechtigte Zukunft einzubringen. Weitere Informationen und ein ausführlicherer Kriterienkatalog ist unter der nachstehenden Adresse erhältlich.

Natürlich waren die Reaktionen auf unser Vorhaben sehr unterschiedlich. Die Uni Hannover und viele andere öffentliche Einrichtungen sind in die Lobeshymnen über die ifu miteingeschwenkt. Nun sind sie etwas erschrocken darüber, daß sich Studentinnen und andere Frauen, die dem Elitestandart nicht standhalten wollen, selbstorganisieren (und so den zugewiesenen Platz als billige Übernachtungsmöglichkeit verlassen). So werden uns z. B. von Seiten der Uni einige Steine in den Weg gelegt; Räume werden nicht bewilligt und andere kleine Schikanen ausgeheckt.

Die Studischaft der Universität Hannover hat trotz des Widerstands einiger (vieler ?) Männer die Sommeruni als Projekt festgeschrieben, eine Sachbearbeiterin zur Koordination eingesetzt und Gelder und Unterstützung zugesagt. Bei den Frauen in Hannover ist die Idee des Vorhabens inzwischen schon weit verbreitet, aber wie so oft: Hannover pennt. Während das Interesse aus anderen Städten immens ist, gibt es hier eher wenig Rücklauf. Das macht sich vor allem an der kleinen Vorbereitungsgruppe bemerkbar und an dem Zuspruch von FrauenLesben aus anderen Kulturkreisen. Auffällig ist dabei, daß viele ältere Frauen und Lesben, die schon die früheren Sommerunis miterlebt und -gestaltet haben, Interesse zeigen. (Vielleicht sind wir eben doch anachronistisch!) Wir wissen, daß die kleine Zahl der unverzagten Frauen und Lesben schon in viele Gruppen und Projekte eingebunden sind. Außerdem dient der ökonomische Druck durch immer mehr Sozialabbau auch zur modernen Aufstandsbekämpfung, denn wenn viel gearbeitet werden muß, ist wenig Zeit und Power übrig, um zu kämpfen.

Trotzdem brauchen wir Euch!! Begreifen wir die Sommeruni als eine Chance!

Wir laden Euch ein zu unseren regelmäßigen, offenen Treffen: jeden 2. und 4. Montag im Monat ab 17.00 Uhr im Frauen-LesbenRaum der Uni Hannover

Kontakt

Beate Gonitzki / Bego
c/o AStA der Uni Hannover
Welfengarten 2c
30167 Hannover
Tel: 0511/ 762 50 61/ -4
Fax: 0511/ 717 441
frauenuni@physik.org
www.physik.org/iksu/

Sprechzeiten: Montags, 15.00 - 17.00

Unterstützt durch: fzs (freier zusammenschluß der studentInnenschaften); GEW Kreisverband Hannover, FrauenLesbenReferat Bielefeld, verschiedene Astas, StuRas, UStAs