aktuelles

BI FREIe HEIDe bezwingt die Bundeswehr

Ein Zwischenergebnis

| Andreas Hauschild

Es sieht alles danach aus, als wenn zum ersten Mal seit Bestehen der Bundeswehr dieselbe aufgrund von Protesten in der Bevölkerung ein zentrales militärisches Projekt aufgeben müsste.

Der sieben Jahre währende, konsequent gewaltfreie Widerstand der ortsansässigen Bevölkerung, des Landkreises und der Gemeinden sowie der auswärtigen Einzelpersonen und Gruppen gegen Europas größten Bombenabwurfplatz bei Wittstock überzeugte letztendlich auch die Richter des Bundesverwaltungsgerichts, die am 14.12.2000 um 9.45 verkündeten: “Die Revision der Bundeswehr gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt/Oder wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Bundeswehr”. Als am Morgen des 14.12. ein Bus aus der Region Wittstock mit Aktiven der BI FREIe HEIDe vor dem herrschaftlichen Bau des Bundesverwaltungsgerichts am Bahnhof ZOO anhielt, waren dort bereits einige Berlinerinnen und Berliner mit Transparenten und Musik da. Das Motto für die Zeit nach der Urteilsverkündung stand seit der letzten BI-Sitzung fest: Die Heide wird frei ! Niemand von uns wusste jedoch, ob die Sekt oder die Selters- Flaschen nach der Urteilsverkündung geöffnet würden. Der säulengeschmückte Saal, an dessen grünen Wänden die altehrwürdigen BVG-Richter thronten, war voll. Das Blitzlichtgewitter konnte die Spannung auf beiden Seiten nicht zerstreuen. Die Bundeswehr war kaum sichtbar; als hätte sie das Urteil geahnt. Die CDU-Bürgerinitiative aus Wittstock verteilte gleich mehrere Presseerklärungen, je nach Prozessausgang. Die Sympathien der Medien waren jedoch eindeutig bei der BI FREIe HEIDe. Es ist lange her, so einige ReporterInnen, daß irgend jemand sich der Bundeswehr ernsthaft in den Weg gestellt hätte. Als der Richter das kurze unmissverständliche Urteil verlesen hatte, war es wie nach einem Tor der Heimmannschaft. Ein seltener Jubel erfüllte den Saal. Es folgte eine längere Begründung des Urteils. Wie befürchtet interpretierten die Bundesrichter den Einigungsvertrag und den Vertrag über den Abzug der sowjetischen Truppen aus Sicht des Bundes und sahen im Unterschied zu den Vorinstanzen keine Probleme in einer Nachnutzung des Geländes durch die Bundeswehr: Landesverteidigung ist Landesverteidigung. Viele hatten eine Bestätigung des Urteils vom Oberverwaltungsgericht für möglich gehalten, wenn die Nachnutzung nicht aus den Verträgen ableitbar ist. Keine und keiner, auch Geulen – der Anwalt der BI FREIe HEIDe und der BI Lüchow-Dannenberg – nicht, hatte im Traum damit gerechnet, daß der Bundeswehr die militärische Nutzung aus anderen Gründen untersagt würde. Das Urteil wurde nicht aus der direkten Rechtslage bezüglich des Bombodroms Wittstock, aus den Verträgen abgeleitet, sondern aus der Abwägung der gesamtpolitischen Situation, die in groben Zügen im Grundgesetz verankert ist. Der Grund für den Erfolg ist somit in der politischen Arbeit der BI FREIe HEIDe zu suchen, die die Gemeinde- und BürgerInnenrechte so erfolgreich in den letzten Jahren eingefordert hat. In den vergangenen Jahren berichtete die GWR immer wieder über die FREIe HEIDe. Im nebenstehenden Kasten sind die wichtigsten historischen Daten zusammengefasst. Viele Details der Auseinandersetzung können dem kürzlich erschienen ,,Buch der FREIen HEIDe” (Hrsg. H.Nehls / S.Hoch) entnommen werden.

Der Gerichtsprozess

Die Vorgeschichte des Urteils vom 14.12.2000 begann kurz vor dem 22.12.1993. Damals übertrug das Bundesverwaltungsamt, dem die Liegenschaft nach dem Abzug der Roten Armee zufiel, das Gelände an die Bundeswehr. Fast gleichzeitig verschickte die Oberfinanzdirektion Cottbus Eigentumstitel an Gemeinden, Kirchengemeinden und einige Privatpersonen. Im Frühjahr 1994 wurde gemeinsam eine Klage auf Unterlassung der militärischen Nutzung und Herausgabe des Eigentums eingereicht, wobei einige Privatpersonen sich auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit beriefen. Entscheidend war die Klage der Gemeinden mit der Begründung, dass ihr grundgesetzlich verankertes Planungsrecht außer Kraft gesetzt würde. Sie bekamen vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht recht, weil der Einigungsvertrag, auf den sich die Bundeswehr beruft, keine expliziten Weiternutzungsrechte für Flächen der Alliierten vorsah und die Bundeswehr somit eine Neueinrichtung eines Truppenübungsplatzes anstreben müßte mit dem dazugehörigen Planungsverfahren. Alle eigentumsrechtlichen und anderen Fragen wurden dem oben beschriebenen Verfahren untergeordnet oder abgewiesen. Bereits vor dem letztinstanzlichen Prozeß vor dem Bundesverwaltungsgericht war allen klar, daß eine Bestätigung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts nicht zwingend eine zivile Nutzung des Bombodromgeländes zur Folge hätte. Sollte die Bundeswehr auch vor dem Bundesverwaltungsgericht verlieren, steht ihr noch der Weg offen, im Rahmen eines rechtsstaatlichen Planungsverfahrens die Neueinrichtung eines Truppenübungsplatzes zu betreiben. Dafür steht das Landbeschaffungsgesetz zur Verfügung. Die Bundeswehr müsste dann aber – so wie seinerzeit auf Anordnung Stalins – Enteignungen vornehmen und die Gemeinderechte ausser Kraft setzen. Dazu muß sie den tatsächlichen Bedarf für Verteidigungszwecke nachweisen. Die Entrechtung ist auf dem Gebiet der ehemaligen DDR politisch und emotional höchst brisant, der Bedarfsnachweis fällt der Bundeswehr aufgrund der quantitativen Reduzierung der Luftwaffe seit Anfang der neunziger Jahre zunehmend schwerer. Die rot-grüne Koalition prüft zumindest den Bedarf der Bundeswehr kritisch. Wie befürchtet folgte das Bundesverwaltungsgericht nicht der Argumentation der Vorinstanzen, wonach die Weiternutzung keine rechtliche Grundlage hätte, sondern interpretierte das Gesetz aus Sicht des Bundes, wonach die Weiternutzung ,,im Geiste” des Einigungsvertrages sei. Dennoch, und das ist das eigentlich Überraschende, gab das Bundesverwaltungsgericht der FREIen HEIDe recht. Die Bundesrichter bemängelten, daß die Interessen der Region nicht gebührend bei der Entscheidungsfindung des Bundes berücksichtigt wurden. (Eine Kurzfassung der Urteilsbegründung wurde auch im Internet veröffentlicht.) Dies kann man nur so interpretieren, daß damit die politische Arbeit der BI FREIe HEIDe belohnt wurde. Das konsequent gewaltfreie Einfordern der Gemeinde- und Persönlichkeitsrechte hat wohl auch die Richter beeindruckt und überzeugt.

Protest und Widerstand

Die Einigkeit in der Region quer über alle Parteigrenzen hinweg führte seit 1992 zu einer Welle von Protest auf verschiedenen Ebenen. Die BI organisierte Protestwanderungen, der Landkreis vertrat die FREIe HEIDe gegenüber der Landesregierung und die Gemeinden kooperierten nicht mit der Bundeswehr. Zusammen wurde ein Klage eingereicht. Die BI FREIe HEIDe organisierte seit 1992 über 60 Protestwanderungen und viele andere Aktionen mit 200 bis 6000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Alljährlich findet in der Region einer der größten deutschen Ostermärsche statt.

Die politische Arbeit der BI wurde von vielen Gruppen, insbesondere von Berliner GraswurzlerInnen und der Lebenslaute, sowie Personen des öffentlichen Lebens unterstützt. Höhepunkte waren Redebeiträge auf Ostermärschen, Veranstaltungen mit Prominenten und sachkundigen Personen in der Region, sowie die alljährlichen Sommeraktionstage.

Die Bundeswehr versuchte mithilfe besonders geschulter Platzkommandanten, Bevölkerungsteile mit dem vagen Versprechen zu gewinnen, eine größere Garnison bei Wittstock einrichten zu wollen und so Arbeitsplätze in die Region zu bringen, sollte der Widerstand gegen das Bombodrom aufgegeben werden. Das ökonomische Argument führte auch dazu daß zwei der Gemeinden die Klage nach der ersten Instanz nicht weiterverfolgten, da die Anwalts- und Gerichtskosten einen erheblichen Teil des frei verfügbaren Gemeindehaushalts ausmachten. Umso wichtiger war, daß alle Verfahrenskosten nun vom Bund getragen werden müssen. Wie erfolglos die Bundeswehr politisch in der Region war, konnte man abermals kurz vor dem Prozeß im Oktober 2000 beobachten. Die Bundeswehr kündigte trotz eines bestehenden Verbots der militärischen Nutzung an, auf dem Bombodrom-Gelände ein Manöver abhalten zu wollen, Macht zu demonstrieren. Aufgrund von Protesten in- und außerhalb der Region mußte sie das Manöver nach wenigen Tage absagen, um einen größeren politischen Schaden unmittelbar vor dem Prozeß abzuwenden. Eine wichtige Basis des Erfolgs der FREIen HEIDe war einerseits die gute Zusammenarbeit zwischen Bombodrom-GegnerInnen in und außerhalb der Region, die einige Spaltungsversuche seitens der Bundeswehr gestärkt überstand und andererseits die kulturelle Ausrichtung der Proteste, was immer wieder zur Stärkung der BI nach innen führte und der Resignation entgegenarbeitete. Ein gutes Beispiel hierfür waren die letzten Sommeraktionstage, an deren Ende ein Konzert der Lebenslaute mit einer anschließenden kurzen Platzbesetzung stand. Das Foto zeigt, wie TeilnehmerInnen der Sommeraktionstage, Lebenslaute- MusikerInnen und BI-Aktive gemeinsam bei der Platzbesetzung ein altes Dorf tanzend wieder einweihen. Die Bundeswehr zog es auch diesmal vor, kein Aufsehen zu erregen, und ließ die 24-stündige Platzbesetzung geschehen.

Was kommt nun?

Die klagenden Gemeinden forderten nach der Urteilsverkündung die Bundeswehr auf, den Platz bis 23.12. zu verlassen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bundeswehr aufgibt, oder gegen den eisigen Wind aus der Region es versucht, den Platz politisch durchzusetzen. So mühsam die Jahre waren, auf diese Situation haben viele in der BI lange gewartet und sind bereit die Auseinandersetzung fortzusetzen, denn es lohnt sich bestimmt. Die BI lädt alle Freundinnen und Freunde der Freie HEIDe ein, den Erfolg am Neujahrstag gemeinsam zu feiern.

Kontakt

BI FREIe HEIDe
Helmut Schönberg
Tannenstr.12
16909 Schweinrich
Tel: (033966) 60246
Fax: 60248

FREIe HEIDe Berlin
A. Hauschild
Fehrbellinerstr.7
10119 Berlin
Tel: (030) 4499779
Fax: 44051596

Termine

Ostermarsch 2001, 15. April, 14.00 Uhr, 16909 Fretzdorf
Sommeraktionstage: 14. - 19. 8.2001

Infos

H.Nehls und S.Hoch (Hg.): "Buch der FREIen HEIDe", erhältlich über den Buchhandel oder bei der BI FREIe HEIDe gegen Spende.