aktuelles

Widerstand am Kap – Schweigen in Deutschland

| Horst Blume

Neben den stillgelegten Atomanlagen in Hamm-Uentrop und Jülich gibt es weltweit nur noch 5 bis 30 Megawatt-Versuchsanlagen der Hochtemperaturreaktorlinie in China, Japan und Indien. Das in Deutschland im Forschungszentrum Jülich entwickelte Know how für diesen sogenannten Kugelhaufenreaktor wurde unter Rotgrün in den letzten Jahren nach Südafrika transferiert, wo Anfang 2005 mit dem Bau begonnen werden soll (siehe GWR 277 und 278).

Das südafrikanische Energieversorgungsunternehmen ESKOM rechnet sich große Exportchancen für die in Südafrika Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) genannten 165 MW-Module aus.

Der erste Reaktor soll nur 28 Kilometer nördlich von Kapstadt in Koeberg errichtet werden. Hier stehen am Atlantik schon zwei Druckwasserreaktoren mit jeweils 922 MW Leistung. 1982 hat der ANC durch zwei Sabotageaktionen wenige Tage vor der Beladung mit radioaktiven Brennstäben die Inbetriebnahme verzögern können. Er tat dies, weil er verhindern wollte, dass das weiße Rassistenregime mit Hilfe des dort entstehenden Plutoniums seine militärische und wirtschaftliche Machtposition im südlichen Afrika ausbauen konnte. Heute befürwortet der ANC als Regierungspartei den Bau der neuen Reaktorlinie direkt neben den beiden alten Reaktorblöcken.

Die Einspruchsfrist gegen die Genehmigung der Umweltverträglichkeitsprüfung für den geplanten PBMR lief am 25. Juli 2003 ab. Zahlreiche Proteste und öffentlicher Druck bewirkten, dass der Umweltminister Chippy Olver – übrigens ein ehemaliger prominenter Aktivist der Kampagne zur Abschaffung der Wehrpflicht – die Einspruchsfrist bis zum 25. August verlängern musste. In dieser Zeit hat die Handelskammer von Kapstadt, die bisher den Bau des PBMR in der Nähe der Dreimillionenstadt befürwortete, eine Neubewertung der Wirtschaftlichkeit dieses geplanten Reaktors vorgenommen. In diesen Tagen wurde nämlich bekannt, dass riesige Erdgasfelder an der Westküste Südafrikas entdeckt worden sind. Dieses Ereignis hat die Energiediskussion in Südafrika um Alternativen zur Atomkraft nachhaltig belebt. Eine Studie von Forest Oil stellte fest, dass ein Gaskraftwerk an der Westküste wirtschaftlicher sei und weitreichende Konsequenzen für die ökonomische Entwicklung haben würde. Zufällig ist genau in dieser Zeit einige hundert Meter vor Kapstadt ein Frachter mit 50 Tonnen mittelangereichertem Uran auf Grund gelaufen. In den allerletzten Tagen vor verstreichen der Einwendungsfrist hat die Stadtverwaltung von Kapstadt Einspruch eingelegt. Dies ist ein wichtiger Teilerfolg für die UmweltschützerInnen!

In dieser Einspruchszeit kam der Kontakt zur Böllstiftung in Südafrika zustande. Teile unseres Internetauftrittes www.thtr-a.de wurden ins Englische übersetzt und innerhalb weniger Stunden ins Internet gestellt. Das war knapp: Einige Tage vor Ablauf der Einspruchsfrist stieg die Zahl der Internetzugriffe aus Südafrika sprunghaft an. Die südafrikanischen Umweltschützer wissen jetzt, dass es in Deutschland einen langfristigen Widerstand gegen die HTR-Technologie gab und immer noch gibt und dass sie nicht alleine mit ihrem Kampf dastehen. Da die Auseinandersetzung in Südafrika weitergeht und zu den verschiedenen anderen Aspekten des PBMR’s noch weitere Entscheidungen anstehen, wird zur Zeit geprüft, ob weitere Gutachten, Stellungnahmen oder Bücher über den THTR aus Deutschland ins Englische übersetzt werden sollen. In einem Bürgerantrag ist die BI Umweltschutz an die Stadt Hamm herangetreten, damit auch ein offizieller Erfahrungsaustausch zwischen Hamm und Kapstadt zustande kommt.

In Deutschland versuchen die Verantwortlichen für den Atom-Know-how-Export das Problem totzuschweigen. Umweltminister Trittin antwortet seit sieben Monaten nicht nur auf unsere Eingabe nicht, sondern ignoriert ebenfalls kritische Fragen des grünen Kreisverbandes Münster. Forschungsministerin Bulmahn schrieb uns, dass das Forschungszentrum Jülich in Zukunft noch eine sogenannte Expertise zu einigen Sicherheitsaspekten des PBMR’s erstellen soll und antwortet auf unsere konkreten Nachfragen seit fünf Monaten nicht. Außenminister Fischer, der im Jahre 2000 Südafrika besuchte und unter dessen Oberhoheit die aktuellen nuklearen Kooperationen zwischen Deutschland und Südafrika vereinbart worden sind, schweigt ebenfalls seit vier Monaten. Allmählich werden wir uns als Hammer Bürgerinitiative überlegen müssen, wie wir mit dem Verhalten der Verantwortlichen umgehen sollen.

Inzwischen verdichten sich die Erkenntnisse, dass die Hochtemperaturreaktoren von höchstem militärischen Interesse sind.

Denn beim Einsatz des Edelgases Helium als Kühlmittel entsteht beim HTR in einer von Neutronen ausgelösten Reaktion radioaktives Tritium, welches für den Bau von Atombomben genutzt werden kann.

Abzweigungsmöglichkeiten der besonders handlichen Brennelementekugeln während des laufenden Reaktorbetriebes sind ein besonders typisches Kennzeichen der HTR-Technologie. Wegen dieser Methodik und dem lediglich möglichen Stichprobencharakter der Überwachung ist dieser Reaktor einer effektiven internationalen Kontrolle entzogen. An dieser Tatsache ändert auch der Umstand nichts, dass der neue HTR in Südafrika mit niedrigangereichertem Uran betrieben wird. Er ist trotzdem waffentauglich. Das Material für eine Atombombe könnte bei einem Durchsatz von 1000 Kugeln pro Tag in weniger als zwei Monaten gewonnen und abgezweigte Brennelemente könnten mühelos durch Blindelemente ersetzt werden.

Diese Erkenntnisse sind nicht ganz neu. Sie wurden in einem Gutachten und in einer Presseerklärung von Lothar Hahn, dem ehemaligen Vorsitzenden der deutschen Reaktorsicherheitskommission, der Öffentlichkeit vorgestellt als er noch Mitarbeiter des Öko-Instituts war. Das Gutachten dieses ausgewiesenen HTR-Experten haben wir als Bürgerinitiative zusammen mit verschiedenen Anmerkungen und Empfehlungen an des Bundesforschungsministerium geschickt und in das Internet gestellt.

Dieses Ministerium wird sich angesichts des auch auf Regierungsebene propagandistisch ausgeschlachteten “Terrorismusproblems” nicht mehr lange um eine Antwort herumdrücken können. Tatsache bleibt, dass jeweils auf Bundesebene und im Land NRW zwei verschiedene rotgrüne Regierungen eine Entwicklung geduldet und gefördert haben, die weltweit weitreichende Konsequenzen haben wird und die jetzt nur noch durch außergewöhnlichen Einsatz oder ökonomische und technische Misserfolge zu stoppen ist.

Anmerkungen

Infos: www.thtr-a.de