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ami come back!

Es gibt keine antimilitarismus information mehr

| Bernd Drücke

"Liebe Abonnentin, lieber Abonnent, dies ist die letzte Ausgabe der antimilitarismus information. Nach 33 Jahren sehen wir uns leider gezwungen, die ami mit Jahresende 2003 einzustellen, weil unser Redaktionskollektiv zu klein, die AbonnentInnenzahl zu gering und die Kostenrisiken zu groß geworden sind."

So beginnt das Editorial der erst im Februar 2004 ausgelieferten ami (Heft 9-12, 2003).

Ein Schock für alle, die die kundigen, antimilitaristischen Analysen dieser langlebigen Alternativzeitung geschätzt haben.

Seit 1971 konnte sich das Blatt halten. Angesichts der Tatsache, dass die Friedensbewegung immer wieder für tot erklärt wurde und jedem Bewegungshoch ein Tief folgte, war es schon ein kleines Wunder, dass diese Fachzeitschrift so lange erscheinen konnte.

Obwohl am 15. Februar 2003 weltweit mehr als 12 Millionen und in Berlin 500.000 Menschen gegen den bevorstehenden 3. Golfkrieg demonstrierten und es einen Aufschwung der Anti-Kriegs-Bewegung (1) gab, hatte das auf die Auflage der ami kaum Auswirkungen.

„Es scheint paradox: noch immer befindet sich Deutschland im ‚Bündnisfall‘, die Bundeswehr schreitet mit Siebenmeilenstiefeln immer tiefer in den Interventionsmorast. Demokratisch unkontrolliert stapft die Militarisierung Europas hinterher, Völkerrecht und Außenpolitik werden zunehmend durch Faustrecht ersetzt, die ungezählten übrigen Kriege auf dem Globus scheinen nur noch RegionalexpertInnen begreiflich. – Und doch ist es der ami nicht gelungen, mit all diesen Themen genügend Menschen anzusprechen, um auf Basis eines soliden AbonnentInnenstammes weiterhin fundierte Hintergrundinformationen zu liefern“, so die Redaktion. Die Ursachen hierfür seien teils hausgemacht, teils hätten die veränderten Rahmenbedingungen das ehrenamtliche Projekt überfordert.

„Vielen schien es altmodisch, dass die ami auch nach dem Kalten Krieg weiterhin ‚Erbsen zählte‘, vor Waffensystemen, Exporten und Strategiepapieren warnte und Kriege in der ‚Dritten Welt‘ in eine deutsche Friedenszeitung zerrte. Schnee von gestern für Viele, die vom ‚gemeinsamen Haus Europa‘, von Konversion, Friedensdividende oder UNO träumten.“

Nach Ansicht des ami-Kollektivs „gibt (es) keine regelmäßig erscheinende kritische Zeitschrift mehr, die sich noch ausschließlich mit dem Themenspektrum zwischen Rüstungsindustrie, Streitkräften, Kriegen und Sicherheitspolitik beschäftigt (…).“

Und hier dürfte auch ein weiterer Grund für den drastischen Aborückgang der ami zu finden sein. Eine Zeitschrift, die nur selten erscheint, sich beinahe nur mit einem Themenkomplex beschäftigt und andere wichtige Themen, wie z.B. globalisierter Kapitalismus, Sozialpolitik, Ökologie, Anti-Rassismus, Anti-Atom-Bewegung, Anti-Sexismus, … weitgehend ignoriert, mag für ExpertInnen interessant sein. Wenig attraktiv ist sie aber für BewegungsaktivistInnen, die nicht nur antimilitaristische Arbeit leisten, sondern sich auch in anderen sozialen Bewegungen engagieren.

Gründe für das Scheitern sind möglicherweise der „Elfenbeinturmcharakter“, ein Hauch von Akademismus und ein – sogar im Vergleich zur „Bleiwüstenrevolution“ (GWR) – dröges, immer gleiches (Nicht-)Layout.

Die ami-Redaktionsmitglieder kamen überwiegend vom Otto-Suhr-Institut für politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin.

„Mit jeder Sparmaßnahme des Senats und der FU-Verwaltung wurden die Studienbedingungen schwieriger. Friedens- und Konfliktforschung sowie regionale Studiengänge wurden kaputtgespart.“ Ehrenamtliche Arbeit wurde zum Luxus und so brach der vom Verein für friedenspolitische Publizistik herausgegebenen Zeitschrift „ihr traditioneller Nachwuchspool weg.“

Ob die Lücke, die das Verschwinden der ami im alternativen Blätterwald hinterlassen wird, von anderen, häufiger erscheinenden und auflagenstärkeren, antimilitaristischen Zeitschriften wie z.B. Friedensforum, Zivilcourage, Freiraum und Graswurzelrevolution gefüllt werden kann, ist fraglich.

Mit dem Verschwinden der ami verliert die antimilitaristische Bewegung eines ihrer traditionsreichsten und interessantesten Magazine. Ein Stück alternative Mediengeschichte von unten droht in Vergessenheit zu geraten.

(1) Im Februar 2003 wurden 55.000 Exemplare der GWR-Aktionszeitung "NO-WAR-Sturmwarnung" unter die Leute gebracht. Ein GWR-Auflagenrekord, und sicher auch ein Indikator für ein Bewegungshoch.

Kontakt

Die alten amis sind in einigen Bibliotheken und im Internet zu finden:
www.antimilitarismus-information.de

Heft 9-12/03 (September-Dezember 2003, 60 DIN A-5-Seiten) hat folgende Themen:

Luftsicherheitsgesetz: Licence to kill
Entsendegesetz: Selbstentmündigung des Bundestags
BND
USA: Atomkriegsplanung gegen "Schurkenstaaten"
Erbsenzählen in Nordkorea

Die letzte Ausgabe kann für 3 Euro plus Porto bestellt werden bei:
redaktion@antimilitarismus-information.de

Der Verein für friedenspolitische Publizistik ist seit Februar 2004 erreichbar über:

Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär
Kopenhagener Str. 71
10437 Berlin