gewaltfreiheit

“Etwas physisch, politisch Unerträgliches”

Die Todesstrafe in Michel Foucaults "Geschichte der Gegenwart" - Zur Dekonstruktion der Souveränität (3)

| Alfred Schobert

Fortsetzung aus GWR 295.

“Es gibt einen Mann, der in Auteuil wohnt und der in der Nacht von Montag auf letzen Dienstag einemillionzweihunderttausend Francs verdient hat. Monsieur Obrecht hat zweimal an der Schnur gezogen: sechshunderttausend Francs für einen in einen Korb springenden Kopf.

Das gibt es noch, das macht einen Teil unserer Institutionen aus, versammelt um seine Zeremonie die Richterschaft, die bewaffneten Polizisten und, im Schatten, den Präsidenten der Republik – kurz alle Gewalten: es gibt da etwas physisch, politisch Unerträgliches.”

Dies schrieb Michel Foucault nach der Hinrichtung von Claude Buffet und Roger Bontems am 29. November 1972 eingangs seines Textes Les deux morts de Pompidou im Magazin Le Nouvel Observateur. (1)

Der kurze Text verdient es aus mehrerlei Gründen, heute in Erinnerung gerufen zu werden.

Erstens verweist Foucault mit der Kritik am Präsidenten implizit auf das diesem zustehende Begnadigungsrecht, eines der deutlichsten Überbleibsel monarchischer Souveränität in der Republik. Zweitens steht Foucaults Intervention als Intellektueller im Kontext seiner seit 1970 Zug um Zug ausgearbeiteten radikalen Kritik des modernen Strafsystems, die keine bloße Schreibtisch- und Hörsaal-Aktivität eines hochgradig entlasteten Akademikers war, sondern in einem politischen Aktionskollektiv, der Gruppe Gefängnis-Information, entwickelt wurde. Drittens wird dieser Text merkwürdigerweise in jüngeren Debatten über Foucaults Position(en) zur Todesstrafe übersehen; in dieser Rezeption der Schriften und Gesten Foucaults hat sich einiger Schutt angehäuft, der beseitigt werden muss, bevor Foucaults analytische Destruktion der Souveränität beleuchtet werden kann.

Souveränität und Gnade

Indem Foucault bereits im Titel von den “zwei Toten Pompidous” spricht, macht er die Verantwortung des damaligen französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou klar. Da dem Staatspräsidenten das Begnadigungsrecht obliegt, hätte er die Hinrichtungen verhindern können. Das präsidiale Begnadigungsrecht ist kein spezifisches Merkmal der auf einen starken Mann, ursprünglich den General de Gaulle, zugeschnittenen Verfassung der V. Republik, die ein späterer Amtsträger, François Mitterand, ja mal mit einigem Recht einen “permanenten Staatsstreich” genannt hatte.

Dass der Präsident als ein auf Zeit gewählter Quasi-Monarch über das Recht auf Begnadigung verfügt, ist ein auch in Verfassungen mit weit schwächerer Stellung des die Souveränität symbolisch verkörpernden Staatsoberhauptes, beispielsweise der der Bundesrepublik Deutschland, zu findendes Überbleibsel ehedem monarchischer Souveränität. Dass 1793 der Kopf des Königs Ludwig XVI. gefallen ist “heißt nicht, dass das Gespenst der Monarchie – der souveräne Vater als Bedingung der Einheit der Staats-Nation – sein Ende gefunden hätte”. (2)

Kritik der Gefängnisse

Auf die von Derrida betonte politisch-theologische Dimension, die im Begnadigungsrecht des Präsidenten deutlich wird, geht Foucault im zitierten Text indes nicht ausdrücklich ein. Das sollte nicht überinterpretiert werden, passt aber zu seinen wenige Jahre später vorgelegten Macht-Analysen in den Büchern Surveiller et punir und La volonté de savoir (3) sowie seinen Vorlesungen am Collége de France aus diesem Zeitraum, die nach und nach vollständig (auch in deutscher Übersetzung) publiziert werden. (4) Hier sieht Foucault Souveränität vorrangig als Hindernis an, das bei der Analytik der Macht zu umgehen sei. Doch soll in der Darstellung nichts übereilt werden, auch wenn dies Ungeduldige ‘auf die Folter spannt’ (merkwürdige Redensart), indem es sie auf eine spätere Folge warten lässt.

Foucaults eingangs zitierte öffentliche Intervention steht im Kontext radikaler Kritik der Gefängnisse, die er gemeinsam mit dem Groupe d’information sur les prisons (GIP) betrieb. (5)

Der Kampf gegen die Todesstrafe war für die “Gruppe Gefängnis-Information” nur eine Aktivität neben anderen. Entsprechend argumentierte Foucault auch in “Die zwei Toten Pompidous”: “Aber die Guillotine ist in Wahrheit nichts als der sichtbare Gipfel, die rote und schwarze Spitze einer hohen Pyramide. Das gesamte Strafsystem ist im Grunde auf den Tod hin ausgerichtet und wird von ihm regiert. Ein Urteilsspruch entscheidet nicht, wie man glaubt, über Gefängnis oder Tod; sondern wenn er das Gefängnis vorschreibt, dann fügt er als Möglichkeit hinzu: den Tod. […]

Das Gefängnis ist keine Alternative zum Tod, es bringt den Tod mit sich. Ein und derselbe rote Faden durchläuft diese ganze Strafinstitution, die angeblich das Gesetz anwendet, es tatsächlich jedoch suspendiert: hinter den Toren des Gefängnisses regieren die Willkür, die Drohung, die Erpressung, die Schläge. Gegen die Gewalt des Gefängnispersonals haben die Verurteilten nichts mehr als ihre Körper, um sich zu verteidigen, und nur noch ihre Körper zu verteidigen. Um Leben oder Tod, nicht um ‘Besserung’, geht es in den Gefängnissen.” (6)

Die politischen Aktivitäten des GIP bilden den Hintergrund für Foucaults Studie Überwachen und Strafen. Dieses Buch, dem nicht zu Unrecht “intellektuelles Charisma” (7) zugeschrieben wird, löste die internationale Foucault-Rezeption in den Sozialwissenschaften erst aus; theoretisch war es zudem ein wichtiger Auftrieb für den Abolitionismus als radikaler Institutionenkritik und Reformbewegung. (8) Der britische Historiker Richard J. Evans betonte schließlich zwei Jahrzehnte später in seiner monumentalen Geschichte der Todesstrafe in Deutschland, Foucaults Buch habe “so nachhaltige Auswirkungen auf dieses Forschungsgebiet gehabt, dass eine kritische Auseinandersetzung mit ihm im Mittelpunkt jeder Bemühung stehen muss, die Geschichte des Strafvollzugs auf einer anderen als der rein empirischen Ebene abzuhandeln”. (9)

Evans’ Kritik an Foucault

Evans’ Lob von Überwachen und Strafen fällt allerdings im Rahmen einer überaus fragwürdigen Foucault-Interpretation, die wegen der Bedeutung seiner Studie für die Debatte eine kritische Betrachtung wert ist. (10) Evans ist Spezialist für deutsche Geschichte und insbesondere Nazismus. (11) Die Verteidigung berief den in Cambridge Lehrenden als Gutachter im Prozess, den der Auschwitzleugner David Irving gegen Deborah Lipstadt angestrengt hatte und – nicht zuletzt aufgrund von Evans’ Gutachten – verlor. (12) Mit dem Thema Todesstrafe beschäftigte sich Evans mehr als zwei Jahrzehnte, während der er in zahlreichen Archiven forschte und schließlich eine nicht nur zeitlich weit gestreckte, nämlich vom 16. Jahrhundert bis zur Abschaffung der Todesstrafe in der DDR 1987 reichende, umfassende Darstellung und Analyse der vielfältigen Aspekte des Machtrituals über Leben und Tod verfasste. Dabei drückt sich Evans auch nicht vor schwierigen Fragen; so weicht er nicht dem Frage-Komplex aus, welche Rolle die Todesstrafe als Teil eines langfristigen historischen Prozesses für Entstehung und Entfaltung des Nazismus und seiner Vernichtungspolitiken hatte, angefangen mit der von Evans bestrittenen These, die terreur der Französischen Revolution hätte mit der Anonymisierung und Mechanisierung massenhaften Mordens direkt zu den Gaskammern geführt. (13) All dies kann hier nicht diskutiert werden. Die folgende Kritik beschränkt sich auf nur wenige, allerdings im Grundgerüst der Argumentation wichtige, Seiten von insgesamt 1300 Seiten; sie ist also von begrenzter Reichweite und entzieht sich gezielt jener gegen schneidenden Logik, die nur entweder “ja” oder “nein” zu einem Buch oder einer Theorie sagen will, nur komplette Zustimmung oder vollständige Verdammung kennt.

Neben der Kritik an einzelnen historischen Thesen Foucaults zielt Evans’ Foucault-Kritik vor allem auf methodologische Fragen und politische Positionen Foucaults. Irrtümlich schließt Evans Foucaults Methode in Überwachen und Strafen kurz mit seinen früheren Arbeiten zur “Archäologie des Wissens” und folgt, konsequent auf dieser falschen Spur bleibend, Jean-Paul Sartres Kritik, Foucault sei ein “Geologe des Wissens”, der geschichtliche Veränderungen nicht zu analysieren vermöge. (14) Diese Kritik bezog sich auf Foucaults Die Ordnung der Dinge und traf, abgesehen von anderen Einsätzen, die damals im Spiel waren, in der Tat ein Problem dieser Studie: dass nämlich dort die Übergänge von einer Episteme zur nächsten nicht geklärt wurden. Diese Kritik Sartres einfach auf Überwachen und Strafen zu verlängern, ist allerdings nicht legitim; an die Stelle der dortigen “Archäologie” war längst ein genealogisches Vorgehen getreten. Dass Evans Foucaults Studie zur “Geburt des Gefängnisses” auf dieser falschen Folie interpretiert, zeigt sich dann auch darin, dass er Foucaults Analyse auf bloßen ‘Diskurs'” (und zwar im eingeschränkten Sinne von ‘Debatte’, ‘bloßem Gerede’) reduziert, derweil Foucault diese – in Die Ordnung der Dinge tatsächlich vorfindliche – Einengung längst (wieder) überwunden hatte.

Nur auf der Basis diesen arg reduktionistischen Verständnisses von Überwachen und Strafen kann Evans seine ‘Drei-Ebenen-Anordnung’ von Foucault, Norbert Elias und Philippe Ariès vollziehen, deren erste Ebene, für die Foucault stehe, die des Diskurses sei: .”Vereinfacht gesagt, ist damit gemeint, was die Menschen über die Todesstrafe sagten und schrieben, welche Argumente sie gebrauchten, um sie zu verteidigen oder zu kritisieren, und auf welche Weise sie diese Strafe auf die größeren sozialen und politischen Ziele bezogen, die sie verfolgten.” (15) Gegen diesen von ihm selbst konstruierten Popanz “Foucault” argumentiert Evans: “Bei der Beschäftigung mit einem Thema wie der Todesstrafe dürfen wir nie vergessen, dass dies mehr als eine bloße Debatte […] ist. Letzten Endes wurden Menschen vom Staat getötet – blutig, stümperhaft und oft in riesiger Zahl. Wir sind es ihnen schuldig, ihre Not und ihr Schicksal ernst zu nehmen.” (16)

Was Evans hier schreibend produziert, ist ein moralisch aufgeladener Spezialdiskurs (Geschichtswissenschaft), in dem er die Todesstrafe als etwas Reales, das realen Menschen widerfuhr und widerfährt, aufbietet, um im Diskurs der Wissenschaften gegen andere zu punkten, gegen reale Menschen, deren reale Texte er bisweilen chirurgisch fein, bisweilen brutal amputiert und für seine Argumentation zurechtstückelt. (17)

James Millers Schlüsselloch-Perspektive

Evans war schlecht beraten, als er sich auf James Millers sensationsheischende Foucault-Biographie stützte. Miller ging bei seiner Recherche von dem Gerücht aus, Foucault habe im Wissen um seine HIV-Infektion weiter die schwulen Badehäuser San Franciscos besucht und dabei “vorsätzlich andere Menschen mit dem Virus infiziert”. (18) Damit ist Miller auf eine Schlüsselloch-Perspektive festgelegt. Nachgerade obsessiv verfolgt er sein Thema, eine Foucault unterstellte Faszination für Tod, Selbstmord, Gewalt und Sadomasochismus, die er in reduktionistisch-psychobiographischer Manier als Interpretationsschlüssel benutzt. Mit teilweise erbärmlichen Ergebnissen. Zwei Kostproben aus der laut Evans “brillanten Darstellung von Leben und Denken Foucaults” (19): Foucaults Aussage, Samuel Becketts Warten auf Godot sei für seinen intellektuellen Werdegang von entscheidender Bedeutung gewesen (20), veranlasst Miller zur Beckett-Lektüre, während derer er auf einige Zeilen stößt, die wohl Foucaults Interesse an diesen großen literarischen Werk erklären sollen: “‘Sollen wir uns aufhängen’, sagt einer.

‘Dann geht noch mal einer ab’, erwidert der andere.

‘Dann geht einer ab? (…) Komm, wir hängen uns sofort auf.'” (21) Diese Art ‘Stellen’-Lektüre eröffnet literarischen Rezeptionsanalysen wahrlich neue Perspektiven, und zwar weit über Becketts Werk hinaus: ganze Forschungsprogramme könnten sich damit beschäftigen, ob beispielsweise Interpreten von de Sade beim Schreiben einer abging, was – um nur ein prominentes Werk zu nennen, das durch die sexologische Miller-Mühle gedreht werden könnte – ganz sicher das Verständnis des Kapitels zu de Sade in der Dialektik der Aufklärung voranbringen könnte.

Im Zuge der Darstellung von Foucaults Aktivitäten mit der Gruppe Gefängnis-Information rutscht Miller eine ihrerseits interpretationswürdige interpretierende Zwischenbemerkung raus: Er zitiert Foucaults Zusammenfassung von Details des Gefängnisalltags, die die Gefängnis-Psychiaterin Rose enthüllt hatte (22), wie folgt: “‘Männer tagelang an Füßen und Handgelenken angekettet, (…) routinemäßiger Wechsel zwischen Schlägen und Beruhigungsmitteln, Gewahrsam/Spritze, Kerker/Valium (oh, die beruhigende Kraft der Moral); Autodiebe, die im Alter von zwanzig Jahren zu Berufsverbrechern gemacht werden’ (eine Behauptung, die in Überwachen und Strafen im Mittelpunkt stehen sollte); und – wie könnte sich Foucault diese Tatsache entgehen lassen [Hrvh. v. AS] – ‘fast jede Nacht Selbstmordversuche’.” (23) Zuvor hatte sich Miller große Mühe gegeben, Foucaults Faible für Selbstmord herauszustellen. Aber: bedarf es eines Hangs zum Selbstmord, um die Aufmerksamkeit für die hohe Selbstmordrate in Gefängnissen aufzubringen?

Und um die häufigen Selbstmorde in Gefängnissen im Rahmen einer Kritik der Inhaftierungspraxis zu benennen? Erklärungsbedürftig und (mehr als) eine Zwischenbemerkung wert wäre allenfalls, über diese Tatsache hinwegzusehen.

Foucaults ‘maoistische’ Irrwege

Mit Recht erinnert Evans an ein zwar kurzes, aber sehr finsteres Kapitel in der Biographie Foucaults, das in vielen Darstellungen gerne ausgespart oder nur ganz am Rande behandelt wird, von Miller hingegen breit exponiert wird. (24) 1972 publizierte die Zeitschrift Les Temps modernes im Rahmen einer von der Redaktion der Zeitschrift Cause du peuple (“Sache des Volkes”) und maoistischen Aktivisten gestalteten Sondernummer ein Gespräch Foucaults mit maoistischen Genossen, darunter Pierre Victor, ein in der Illegalität lebender, aus Ägypten stammender jüdischer Einwanderer und maoistischer Führer, späterer Sekretär Jean-Paul Sartres und noch später unter seinem richtigen Namen Benny Lévy zum orthodoxen Judentum (re)konvertiert. (25) Eine deutsche Übersetzung erschien im selben Jahr bei Wagenbach. Die These vom sich auf den demokratischen Rechtsstaat stützenden “neuen Faschismus” und seiner “präventiven Konterrevolution” boomte also auch in Teilen der westdeutschen Linken; “die Lehren” der französischen Diskussion “für die BRD und Westberlin”, so heißt es in der deutschen Vorbemerkung, “drängen sich […] geradezu auf”. (26)

Ganz im Überbietungsgestus linksradikaler Debatten pries Foucault in diesem Gespräch die Septembermorde während der Französischen Revolution 1792; solche Entladung revolutionärer Energien des Volkes solle, so Foucault in diesem Gespräch, nicht durch Volkstribunale gebremst werden. Evans behauptet, Foucault habe “auch weiterhin seinen emphatischen Glauben an die Volksjustiz” (27) bewahrt. Erst “Anfang der 1980er Jahre” habe Foucault “sein revolutionär getöntes Eintreten für die Volksjustiz” aufgegeben. (28)

Man darf sich verwundert fragen, warum Evans, der so viel Wert auf “objektiven” Umgang mit Quellen legt, in sein Foucault-Bild nicht die angesichts seines Themas doch nahe liegende Tatsache erwähnt, dass Foucault in den siebziger Jahren ebenso wie Anfang der achtziger Jahre sich mit einiger Beharrlichkeit gegen die Todesstrafe engagierte, ob 1975 in Spanien oder in mehreren Texten (29) während der Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe in Frankreich und dabei keineswegs auf die ‘Entladung von Energien des Volkes’ setzte.

(1) Michel Foucault: Die zwei Toten Pompidous [frz. zuerst 1972]. In: ders.: Mikrophysik der Macht. Über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin. Berlin: Merve 1976, S. 23-27.

(2) Jacques Derrida / Elisabeth Roudinesco: De quoi demain... Dialogue. Paris: Fayard/Galilée 2001, S. 150.

(3) Vgl. Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses [frz. zuerst 1975]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 3. Aufl. 1979 u. ders.: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I [frz. zuerst 1976]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 5. Aufl. 1991. In der politischen Rezeption dieser Bücher spielten in der Bundesrepublik zwei Textsammlungen eine wichtige Rolle (die Universität tat sich eher schwer mit diesen kleinen Texten); vgl. Foucault: Mikrophysik der Macht (Anm. 1) u. ders.: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve 1978.

(4) Hier ist besonders zu nennen Michel Foucault: In Verteidigung der Gesellschaft. Vorlesungen am Collège de France (1975-76) [frz. zuerst 1996]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999. Einige dieser Vorlesungen waren zuvor bereits in deutscher Übersetzung erschienen: vgl. ders.: Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte. Hrsg. von Walter Seitter. Berlin: Merve 1986 u. ders.: Leben machen und sterben lassen. Die Geburt des Rassismus [frz. zuerst 1991]. In: Sebastian Reinfeldt / Richard Schwarz: Bio-Macht. Duisburg: DISS 1992, S. 27-51.

(5) Vgl. zum GIP Didier Eribon: Michel Foucault. Eine Biographie [frz. zuerst 1989]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991, S. 318ff. Instruktiv zum Verhältnis der Praxis des GIP zum theoretischen Werk Foucaults die - insgesamt sehr empfehlenswerten - Studien Thomas Lemke: Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität. Berlin/Hamburg: Argument 1997, hier S. 62ff. und Ulrich Brieler: Die Unerbittlichkeit der Historizität. Foucault als Historiker. Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1998, hier S. 294ff.

(6) Foucault: Die zwei Toten Pompidous (Anm. 1), S. 24.

(7) David Garland: Foucault's 'Discipline and Punish'. An Exposition and Critique. In: The American Bar Foundation Research Journal 4/1986, S. 847-880, hier S. 847.

(8) Es ist nur teilweise zutreffend, wenn René van Swaaningen behauptet, am "Anfang der Entwicklung eines wissenschaftlichen Abolitionismus" hätten "die Arbeiten von drei Philosophen [...]: Michel Foucault, Jürgen Habermas und Ivan Illich" gestanden (René van Swaaningen: Strafrecht als sociaal probleem: Een overzicht van abolitionistische theorievorming. In: Recht en Kritiek 14 [1988], S. 59-78, hier S. 1988: 66); der Abolitionismus entstand unabhängig von den Arbeiten der genannten Autoren, hat aber gewiss von ihren theoretischen Positionen profitiert (vgl. Mathieu Deflem, 1992: Jürgen Habermas - Pflegevater oder Sorgenkind der abolitionistischen Perspektive. In: Kriminologisches Journal 24 [1992], S. 82-97, hier S. 91). Zum Einfluss Foucaults auf den Abolitionismus vgl. R. S. de Folter, 1986: On the methodological foundation of the abolitionist approach to the criminal justice system: A comparison of the ideas of Hulsman, Mathiesen and Foucault. In: Contemporary Crises 10, S. 39-62 u. . René van Swaaningen: Abolitionisme als kritische geïintegreerde strafrechtswetenschap. In: Delikt en Delinkwent 21 (1991), S. 151-173.

(9) Vgl. Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532-1987 [engl. zuerst 1996]. Berlin/Hamburg: Kindler/Hamburger Edition 2001, S. 37.

(10) Demgegenüber lohnt eine Auseinandersetzung mit den Foucault-Kritiken diverser deutscher Linker, die mit kurzem Atem und langen Zähnen formuliert sind, nicht. Mir fehlt die Grausamkeit, die Riege der Eiferer, die zuletzt anlässlich des 20. Todestages Foucaults Inkompetenz mit Gesinnungsstärke paarten, auch nur namentlich zu benennen.

(11) Vgl. Richard J. Evans: Im Schatten Hitlers? Historikerstreit und Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik [engl. zuerst 1989]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991 u. ders.: Das Dritte Reich. Band 1: Der Aufstieg. München: DVA 2004.

(12) Aus seinem Prozess-Gutachten entstand ein lesenswertes Buch über Irving und den Irving-Prozess; vgl. Richard J. Evans: Der Geschichtsfälscher. Holocaust und historische Wahrheit im David-Irving-Prozess. Frankfurt a.M./New York: Campus 2001. Lehrreich und aktuell ist insbesondere das Kapitel über Irvings breit rezipierte Manipulationen der Opferzahlen des Bombardements von Dresden. Vgl. zum Irving-Prozess und Evans dortiger Rolle auch (trotz des schiefen Titels) D.D. Guttenplan: Der Holocaust-Prozess. Die Hintergründe der "Auschwitz-Lüge". München: Goldmann 2001.

(13) Vgl. Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 53 u. 184-186 und zum NS die Kapitel 14 bis 16.

(14) Vgl. Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 40f.

(15) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 54.

(16) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 55.

(17) Evans' spätere Kritik an vermeintlicher "Postmoderne" in den Geschichtswissenschaften ist streckenweise von ähnlicher Machart; vgl. Richard J. Evans: Fakten und Fiktionen. Über die Grundlagen historischer Erkenntnis [engl. zuerst 1997]. Frankfurt a.M./New York 1998 (so ist, um ein krasses Beispiel zu nennen, seine Textlektüre Derridas philologisch desaströs und besonders peinlich für jemand, der den zuverlässigen Umgang mit Quellen so hochhält wie Evans dies tut).

(18) James Miller: Die Leidenschaft des Michel Foucault [amerik. zuerst 1993]. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1995, S. 549; Miller räumt ein, es handle sich "um ein Gerücht, von dem ich heute glaube, daß es im wesentlichen unwahr ist" (ebd.).

(19) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 1053.

(20) 1983 sagte Foucault in einem Interview: "Ich gehöre zu einer Generation, die während ihrer Studentenzeit in einen Horizont eingesperrt war, der aus Marxismus, Phänomenologie und Existenzialismus bestand. [...] Ich war wie alle Philosophie-Studenten dieser Zeit, und der Bruch kam für mich mit Becketts 'Warten auf Godot' in einer Aufführung, die atemberaubend war" (Michel Foucault: Archéologie d'une passion. In: ders.: Dits et écrits II, 1976-1988. Paris: Gallimard 2001, S. 1418-1427, hier S. 1427).

(21) Miller: Die Leidenschaft des Michel Foucault (Anm. 18), S. 92.

(22) Vgl. dazu Michel Foucault: Die Rede von Toul [frz. zuerst 1972] In: ders.: Mikrophysik der Macht (Anm. 1), S. 28-30.

(23) Miller: Die Leidenschaft des Michel Foucault (Anm. 18), S. 280.

(24) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 1054 u. 1057-1060. Miller überschreibt sein Kapitel mit "Seid grausam".

(25) Benny Lévy wird bis heute gelegentlich verwechselt mit dem philosophierenden Medienstar Bernhard-Henry Lévy, der auch mal Maoist war. Victor war auch an einem der Gründung der Tageszeitung Libération dienenden Gesprächsband beteiligt, der einen O-Ton-Überblick über die damaligen Debatten im gauchisme bietet; vgl. Jean-Paul Sartre/Philippe Gavi/Pierre Victor: Der Intellektuelle als Revolutionär. Streitgespräche [frz. zuerst 1974]. Reinbek: Rowohlt 1976.

(26) Michel Foucault / Alain Geismar / André Glucksmann: Neuer Faschismus, Neue Demokratie. Über den Faschismus im Rechtsstaat. Berlin: Wagenbach 1972, S. 9.

(27) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9, S. 1060.

(28) Evans: Rituale der Vergeltung (Anm. 9), S. 1063.

(29) Vgl. Foucault: Dits et écrits II (Anm. 20), S. 987, 998 und öfter.