ökologie

Wasserstoff für nukleare Träume

| Horst Blume

Ganz gleich, welche Zeitung mensch aufschlägt, Wasserstoff und Brennstoffzelle werden immer öfter als Energieform der Zukunft dargestellt. Die USA begannen 2003 mit 1,2 Milliarden Dollar ihre Wasserstoff-Forschungsinitiative, die EU zog nach und in NRW werden ein Dutzend mittelständische Betriebe mit zig Millionen Euro gefördert. Besonders gerne wird von der Wirtschaft und den PolitikerInnen auf eine angebliche CO2-Freiheit der Wasserstofftechnologie hingewiesen, um Umweltverträglichkeit vorzutäuschen.

Wasserstoff ist jedoch nur ein Sekundärenergieträger. Die Energie selbst kann in konventionellen Kraftwerken, durch Alternativenergie oder aber durch Atomkraftwerke hergestellt werden. Es ist also für die Stromkonzerne die ideale Energieform, um in einer energiepolitischen Übergangszeit die Öffentlichkeit über ihre wahren Absichten im Unklaren zu lassen und nukleare Optionen trotz “Atomausstieg” weiterzuverfolgen. Das Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) arbeitet seit Jahren hochsubventioniert an einer engen Verzahnung von Nuklear- und Wasserstofftechnologie. Institute mit kerntechnischen Wurzeln und andere ohne Diese werden von ihm im Rahmen des Europäischen Exzellenz-Netzwerkes “Hysafe” koordiniert. In der Zeitschrift “Nachrichten” (3/05) visualisiert das FZK ganz offen ihre Forschungsziele (siehe Abbildung): Innerhalb des Wasserstoff-Grafikkuchens befinden sich als Anwendungsform nicht nur Kohle, Erdgas, Biomasse und Solarwärme. Nuklearstrom und Nuklearwärme haben ihr eigenes “Viertel” und dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Die 110 an diesem Projekt beteiligten WissenschaftlerInnen entscheiden in einem Koordinations-Komitee und einem zusätzlichen Beratergremium selbst, ob sie mehr in Richtung Nuklear- oder Alternativenergie forschen wollen. Der Ausstiegswille der Mehrheit der Bevölkerung spielt hier keine Rolle mehr. Hier entscheidet eine bestimmte Elite.

Die EU sieht im laufenden 6. Rahmenprogramm (und im zukünftigen 7.) die Forschung an der nuklearen Wasserstofferzeugung vor und bundesdeutsche Nuklearforscher arbeiten hier selbstverständlich mit. Ebenfalls sind die Internationale Atomenergiebehörde und das Generation IV International Forum (GIF), in der an der neuesten Reaktorlinie geforscht wird, eingebunden.

Mit den Ministern Pinkwart und Thoben hat die nukleare Wasserstofftechnologie in der NRW-Landesregierung zwei wichtige und unermüdliche Förderer. Gerade in diesem Bundesland wird versucht, die in Hamm gescheiterte nukleare Hochtemperatur (HTR) -Technologie mit der Wasserstoffproduktion zu koppeln. Die nuklear produzierte Energie soll in einem Parallelkreislauf zusätzlich noch ein Edelgas aufheizen und Wasserstoff produzieren. Dieses gekoppelte nuklear-chemische System greift prozessbedingt ineinander und birgt zusätzliche Gefahren in sich. Die hohe Explosionsgefahr im chemischen Teil wirkt sich auch auf den nuklearen aus. Es besteht ebenfalls die Gefahr, dass bisherige nukleare Sicherheitsstandards zugunsten von weniger strengen Bestimmungen in konventionellen Anlagen aufgeweicht werden. Die eingesetzten Produktgase könnten radioaktiv verseucht werden.

Die effektive Speicherung von Wasserstoff ist nach Aussagen vieler WissenschaftlerInnen noch weitgehend ungelöst. Die extrem kleine Zündenergie von Wasserstoff (20 mal geringer als Benzin oder Erdgas!) führt zu gravierenden Sicherheitsproblemen und Explosionsgefahr bei Wasserstoffautos, Garagen und Depots. Ob die Forschung diese technischen Probleme wirklich in den Griff bekommt, steht in den Sternen. Fest steht, hierfür werden auf allen politischen Ebenen viele Milliarden Euro ausgegeben. Es ist die Chance der Atomlobby ihrer Technologie ein positives, umweltfreundliches Image zu verpassen und Fördergelder aus dem Bereich der erneuerbaren Energien zur Atomkraft zurückzuleiten. Die Bevölkerung schaut irritiert bis fasziniert dem undurchsichtigem Treiben zu und weiß nicht, was sie davon halten soll, weil alles so kompliziert ist.

Hinter den Kulissen jedoch wurden die Fakten längst geschaffen, ohne Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger.

Anmerkungen

Weitere Infos unter: www.reaktorpleite.de