Seit 1889 produziert Rheinmetall als systemüberdauernde Rüstungsschmiede Waffen – zuerst für das militaristische Deutsche Kaiserreich, später für die Nazi-Diktatur und ab 1956 für die sich remilitarisierende Bundesrepublik Deutschland. Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten hunderttausende Zwangsarbeiter*innen in den Rheinmetall-Betrieben. Allein im Werk Unterlüß wurden am Kriegsende etwa 5000 ausländische Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangene von den britischen Truppen befreit. In der Nazizeit gab es mehrere KZ-Außenlager, in denen die Sklavenarbeiter*innen für den Nazikonzern arbeiten mussten. An diese Lager erinnert bis heute kein Denkmal. Bis heute liefert Rheinmetall Waffen in alle Welt, umgeht Exportvorschriften durch eigenständige Werke wie in Sardinien und Südafrika oder durch das Vergeben von Lizenzen.

Deswegen gab es vom 1. bis 9. September 2019 zum dritten Mal ein Camp (1) im niedersächsischen Unterlüß, der größten Produktionsstätte in Deutschland. Von überall kamen Menschen zum Camp, auch aus Südafrika (siehe Interview in dieser GWR) und Sardinien. Workshops gab es unter anderem zu Militär und Männlichkeit, Desertion und Militärstreik im Ersten Weltkrieg oder zu Friedensbewegung und Rechtsoffenheit. Stark vertreten waren kurdische Gruppen und Soli-Gruppen, die sich vielfältig präsentierten. Meinungsverschiedenheiten gab es, mit welchen Methoden Frieden in den kurdischen Regionen erreicht werden kann.
Ausflüge gab es zur Panzerausstellung „Stahl auf der Heide“ in Munster oder zum zehn Kilometer entfernten Wohnort vom Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Papperger. Dass die Aktion beim Papperger ankam, zeigte die gut besuchte Menschenrechts-Veranstaltung, die es nach dem Camp in Hermannsburg gab.
Eine Erinnerung an die Nazi-Zeit von Rheinmetall ist unerwünscht. Die Einsicht in die Firmenakten dazu wird verweigert – es sei Privateigentum. Sie wollen auch nichts in Entschädigungsfonds einzahlen. Bis jetzt fehlen immer noch Mahnmale für die Gräueltaten in der NS-Zeit. Deswegen wurde am KZ Außenlager Tannenberg für etwa 900 osteuropäische Jüdinnen eine Gedenktafel aufgestellt. Der Weg vom Lager zum Rheinmetall-Werkstor wurde entlang einer weißen Linie mit Baumbinden mit den Namens(teilen) von 53 (namentlich bekannten) Zwangsarbeiterinnen markiert. Leider wurden an den darauf folgenden Tagen die Baumbinden, die Banner und die Tafel zerstört.
Der Freitag sollte der Blockadetag werden. Gestartet wurde aber schon am Donnerstagmittag von unabhängigen Kleingruppen mit einer Mastbesetzung, Tripod und Blockade der Haupt-Zufahrtsstraße zu dem Werk „Waffe/Munition“. Am Freitag um 5 Uhr starteten dann über 250 Menschen in vier Fingern organisiert, um das Werk „Waffe/Munition“ komplett dicht zu machen. Sofort war der Polizei-Heli darüber. Doch nur zehn Polizist*innen versuchten die Aktion zu stoppen und alle Finger kamen ans Ziel. Rheinmetall hatte sich auf die Aktion eingestellt, wollte nicht räumen lassen. So gab es dann wenig Stress. Einige Mitarbeiter*innen wollten doch ins Werk und liefen quer durch Kleingärten über Zäune oder durch den Wald. Die Waldwege wurden mit Barrikaden aus Altholz dicht gemacht. Mit der Voll-Blockade hatte anscheinend die Werksleitung nicht gerechnet und so musste am Nachmittag ein Waldweg für ein paar Limousinen geräumt werden, wodurch eine Person stark verletzt wurde. Die Tage danach startete die Hetze in Unterlüß gegen die „Gewalt und Sachbeschädigung durch eine Demo“ und bei avaaz wurde eine schräge Unterschriftenliste erstellt, die schnell 500 Unterschreibende fand.
Am Samstag kamen über 600 zur Demo, die vom Bahnhof am Camp vorbei zu Rheinmetall lief. Nach einigen Diskussionen waren auch die YPG-Flaggen erlaubt. Vorneweg ging der FLINT-Block. Es sprachen Menschen aus dem Kaukasus, Afrin, Südafrika und Sardinien. Esther Bejarano konnte leider nicht kommen, sie schickte eine von ihr aufgenommene sehr bewegende Rede. (2)
Viele waren durch die gelungenen Aktionstage sehr motiviert und hoffen, dass es auf die antimilitaristische Bewegung ausstrahlt. Beim Nachbereitungstreffen wurde viel über die Vermittelbarkeit der Proteste gesprochen, da sich viele aus Unterlüß über Sachbeschädigungen aufregten. Die Kosten sollten nicht bei der Gemeinde oder den Anwohner*innen entstehen. Zu viel Vermummung bei der Aktion hilft nicht bei der Außenwirkung. Im nächsten Jahr gibt es vermutlich wieder ein Camp und dann könnte auch das zweite Werk in Unterlüß blockiert werden. Aber wichtig ist nicht unbedingt, länger und effektiver zu blockieren, sondern den Druck auf Rheinmetall vielfältig zu erhöhen und noch mehr Einwohner*innen zum Mitmachen zu bewegen. Ein Ziel könnte auch sein, Waffen- und Militärtransporte zu blockieren.
Aktuell gibt es Aktionen vor Rüstungskonzernen. Sie richten sich gegen den im Oktober begonnenen Angriffskrieg, den der türkische Staat nicht zuletzt mit Waffen aus deutscher Produktion gegen die Kurdinnen und Kurden im nordsyrischen Rojava führt. Die deutsche Regierung spricht derzeit zwar vom Exportstopp an die Türkei, stoppt die Waffenlieferungen aber nicht. (3) Verhindert werden muss der Bau eines Panzerwerks von Rheinmetall in der Türkei. (4)
Im Frühjahr 2020 beabsichtigen die Streitkräfte der USA mit Beteiligung anderer NATO-Staaten ein europäisches Mega-Militärmanöver mit starker deutscher Beteiligung: „Defender 2020“. Dagegen sind antimilitaristische Proteste in Vorbereitung. (5)
Beteiligt Euch an den Aktionen! Rheinmetall entrüsten! Waffenexporte und Kriege stoppen! Militär abschaffen – überall!
Peter K.
Anmerkungen:
1) Mehr Infos: https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/
2) Rede von Esther Bejarano: https://www.youtube.com/watch?v=3adqgQcWzHQ
3) Aktionen gegen Rüstungsfirmen: https://riseup4rojava.org/take-action/
4) https://www.facebook.com/StopptdiePanzerfabrikfuerErdogan/
5) Infos zu Defender 2020: www.imi-online.de/2019/10/02/defender-2020/