Fusionspläne: Eurochampion Rheinmetall?

| Jürgen Wagner

Bildmontage: Gerhard Seyfried

Der deutsche Panzerbauer Rheinmetall ist auf dem „besten“ Weg zu einem der größten europäischen Rüstungskonzerne aufzusteigen.

Auch politisch genießt der Konzern volle Rückendeckung für seine geplante Fusion mit „Krauss-Maffei Wegmann“, schließlich ist es seit Jahren die erklärte Strategie der Bundesregierung, aus einer nationalen Position der Stärke heraus den europäischen Rüstungsmarkt aufzurollen. Nicht zuletzt schielt Rheinmetall mit der Fusion darauf, über ein Zusammengehen mit KMW die Mehrheit beim deutsch-französischen Konsortium KNDS zu erlangen, das die Führung beim geplanten Bau eines deutsch-französischen Kampfpanzers übernehmen soll. Ob diese Pläne gelingen, steht im Augenblick noch in den Sternen, da insbesondere Frankreich aktuell wenig Begeisterung an den Tag zu legen scheint, hier das Feld zu räumen.

Strategie zur Stärkung der Rüstungsindustrie

Seit Jahren steht die Stärkung der rüstungsindustriellen Basis und der dazugehörigen Unternehmen weit oben auf der Agenda der Bundesregierung. Um dies zu erreichen, sollen neben dem Luftfahrtsektor (Airbus) auch weitere Sparten der Rüstungsindustrie über Fusionen und Übernahmen stärker europäisch gebündelt werden. Die aktuell etwa 180 großen europäischen Waffenprogramme, die sich auf zahlreiche – zumindest im globalen Verhältnis – kleine Aufträge und Firmen verteilen, sollen schnellstmöglich reduziert und in die Hände einiger weniger europäischer Großkonzerne – sogenannter Eurochampions – gelegt werden. Die Regierung verspricht sich von einer solchen Konsolidierung des Rüstungssektors vor allem Skaleneffekte und damit erhebliche Preissenkungen – letztlich also eine größere militärische Schlagkraft pro ausgegebenem Euro. Gleichzeitig sollen die größeren Auftragsmargen die entstehenden Eurochampions in die Lage versetzen, „erfolgreicher“ auf den globalen Rüstungsexportmärkten konkurrieren zu können.

Gänzlich neu sind diese Ideen nicht, sie werden aber seit die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2014 die „Agenda Rüstung“ ausgerufen hat, mit neuem Elan verfolgt. Zur Seite sprang ihr seinerzeit auch der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der im Oktober 2014 eine rüstungspolitische Grundsatzrede hielt, deren Inhalte dann größtenteils sogar wortwörtlich in das im Juli 2015 veröffentlichte „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland“ (1) einflossen. Darin wurde für eine „exportpolitische Flankierung der Verteidigungsindustrie“ geworben und das Ziel formuliert, „den bisher stark fragmentierten europäischen Verteidigungsmarkt neu zu gestalten und die wehrtechnische industrielle Basis Europas zu stärken“. Es gehe nicht länger an, sich den „Luxus“ zahlreicher Waffenprogramme zu leisten, dafür müssten aber gezielt europäische Konzentrationsprozesse angeschoben werden, so das Strategiepapier weiter: „Die Verteidigungsindustrie in der EU ist nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert. Europa leistet sich den ‚Luxus‘ zahlreicher Programme für gepanzerte Fahrzeuge, einen intensiven Wettstreit zwischen drei Kampfflugzeugprogrammen und eine starke Konkurrenz im Überwasser- und Unterwasserbereich. Folgen dieser Situation sind unbefriedigende Kostenstrukturen in den Programmen, Nachteile im internationalen Wettbewerb und damit höhere Belastungen für die nationalen Verteidigungshaushalte. […] Die Bundesregierung setzt verstärkt auf eine europäische Zusammenarbeit bis hin zum Zusammengehen von in einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen unter Wahrnehmung der nationalen Interessen. Die Bündelung technologischer Stärken wird die wirtschaftliche Bedeutung europäischer Projekte im internationalen Wettbewerb entscheidend erhöhen.“

Bei aller Begeisterung für etwaige europäische Konsolidierungsvorhaben hatte jedoch schon Gabriel zuvor in seiner Grundsatzrede unmissverständlich betont, „dass der Schritt in europäische Kooperationen und Zusammenschlüsse am besten auf der Basis einer konsolidierten deutschen Rüstungsindustrie aus erfolgt, um auf Augenhöhe mit europäischen Partnern verhandeln und notfalls auch zusammengehen zu können“. Noch klarer drückte sich Hans-Peter Bartels als damaliger SPD-Vorsitzender im Verteidigungsausschuss aus: „Der nationalen Konsolidierung muss dann im Übrigen eine europäische folgen, aber eben aus einer starken Position heraus.“

Mit anderen Worten: An einem europäischen Konsolidierungsprozess ist die Regierung überaus interessiert, aber nur wenn aus ihm deutsche Eurochampions hervorgehen. Das „Strategiepapier der Bundesregierung“ trug diesen Ambitionen Rechnung, indem es kurzerhand eine Reihe von Bereichen zu „verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien“ erklärte, die unter keinen Umständen in fremde Hände geraten dürfen. Darunter befand sich auch der Sektor „geschützt/gepanzerte Fahrzeuge.“

KMW auf Abwegen und neuerliche Fusionspläne

Im selben Monat, in dem die Bundesregierung recht unmissverständlich mit ihrem Strategiepapier erklärt hatte, dass u.a. im Panzerbau erst national gebündelt und dann europäisch der Markt aufgerollt werden sollte, tanzte KMW aus der Reihe. Obwohl die Politik massiv auf eine Fusion mit Rheinmetall gedrängt hatte, gründete der Konzern ausgerechnet zusammen dem französischen Unternehmen Nexter die Holding KNDS, an der beide jeweils einen 50prozrentigen Anteil halten.

In der Politik traf dieser Schritt – vorsichtig formuliert – auf wenig Zustimmung. So polterte zum Beispiel der damalige SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss, Rainer Arnold: „Um von der starken französischen Präsenz nicht untergebuttert zu werden, müssen wir, wie die Franzosen, konsequent an nationalen Interessen festhalten und diese bei Zusammenschlüssen entsprechend verteidigen. […] Vor diesem Hintergrund muss die geplante Fusion der Panzerschmiede Krauss Maffei Wegmann (KMW) mit dem staatlichen französischen Rüstungsunternehmen Nexter äußerst kritisch bewertet werden. […] Deutsche Sicherheitsinteressen sprechen eindeutig gegen ‚Kant‘. Wenn die gerade erfolgte Definition von Schlüsselfähigkeiten nicht zur Makulatur werden soll, muss die deutsche Politik alle Möglichkeiten nutzen, um die Fusion zumindest in der geplanten Form zu verhindern. Es schmerzt, dass der eigentlich richtige Weg, zunächst KMW und die Rüstungssparte von Rheinmetall zusammenzuführen, nicht zuletzt aufgrund persönlicher Animositäten nie ernsthaft verfolgt wurde. […] Mit der Fusion wird KMW zunehmend ein französisches Unternehmen, und die auch mit Steuermitteln aufgebaute Technologie wandert ins Nachbarland ab. Deutschland würde seinen Spitzenplatz unwiederbringlich verlieren. Und der ‚Leopard der Zukunft‘ würde ein Franzose.“

Über viele Jahre seien „persönliche Animositäten“ verantwortlich gewesen, weshalb KMW von einer Fusion mit Rheinmetall nichts wissen wollte, wie u.a. vom Handelsblatt bemängelt wurde. Vermutlich infolge des Todes von Manfred Bode im Oktober 2018, der den Konzern über viele Jahre noch bis einen Monat vorher geleitet hatte, änderte sich diese Haltung jedoch schlagartig. Umgehend nahmen die Verhandlungen daraufhin wieder Fahrt auf, insbesondere im April und Mai 2019 schien es, als stünde eine Fusion kurz bevor. Gelänge dies käme Rheinmetall (Umsatz Rüstungssparte 2018: $3,8 Mrd.) zusammen mit dem KMW-Anteil an KNDS (2018: $1,3 Mrd.) auf 5,1 Mrd. Dollar Umsatz. Der Konzern würde damit etwa auf Platz 20 der weltweit größten Rüstungskonzerne vorrücken und in Europa Platz fünf einnehmen. Seither ist es allerdings wieder ein wenig ruhiger geworden, was vor allem daran liegen dürfte, dass Frankreich wenig Interesse aufzubringen scheint, Rheinmetall den Gefallen zu tun und den Weg zur Übernahme von KNDS freizumachen.

Ringen um den Kampfpanzer

Nicht zuletzt dürfte Rheinmetall mit der Einverleibung von KMW auf die Führung im KNDS-Konsortium und damit beim Bau des geplanten deutsch-französischen Kampfpanzers („Main Grund Combat System“, MGCS) schielen. Er soll als Weiterentwicklung von „Leclerc“ (Nexter) und Leopard 2 (KMW) mit einem geschätzten Gesamtumsatz von bis zu 100 Mrd. Euro künftig tonangebend den europäischen Panzermarkt dominieren.

Das zumindest wird in deutschen Medien, wie hier im „Manager-Magazin“ auch ganz offen so ausgesprochen: „Es geht um den 50-Prozent-Anteil von KMW an der deutsch-französischen Rüstungsholding KNDS, die zur anderen Hälfte dem französischen Staatsunternehmen Nexter gehört. Beide Firmen haben ihre Geschäfte in diese Holding eingebracht – kauft Rheinmetall den KMW-Anteil komplett, würde es den Münchner Konzern schlucken. […] Würde Rheinmetall bei KNDS einsteigen, würde die deutsche Seite in dem Gemeinschaftsunternehmen wesentlich gestärkt. Branchenexperten zufolge könnte Rheinmetall auf lange Sicht eigenes Geschäft in die Holding einbringen, wodurch der Anteil der Düsseldorfer auf bis zu 75 Prozent steigen könnte.“

Allerdings hat Rheinmetall hier wohl zunächst die Rechnung ohne den französischen Wirt gemacht. Denn Berichten zufolge hätte es eigentlich im Juni 2019 zu einem Vertragsabschluss in Sachen MGCS kommen sollen. Der wurde aber von Frankreich zunächst einmal auf Eis gelegt, und zwar solange bis sichergestellt ist, dass KNDS nicht in die Hände von Rheinmetall hinüberwandert. So heißt es im Handelsblatt: „[Rheinmetall] strebt […] die Mehrheit an der deutsch-französischen Holding KNDS an, in der die Anteile von KMW und Nexter gebündelt sind. Als Minderheitseigner wäre der Einfluss der Franzosen geringer als bisher. […] ‘Für uns ist eine Voraussetzung, dass die Balance beim Verbund der Panzerbauer gewahrt wird‘, erfuhr das Handelsblatt aus der französischen Regierungszentrale. Das sei aber nicht mehr der Fall, wenn zu dem Gemeinschaftsunternehmen von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Nexter wie angestrebt noch Rheinmetall hinzustoße. ‚Wenn Deutschland das wirklich wünscht, müsste auf französischer Seite etwas hinzukommen, damit das Gleichgewicht wieder stimmt‘, erläuterte der Élysée-Insider.“

Bis auf weiteres konnte sich hier die französische Seite durchsetzen, wurde doch Mitte Oktober 2019 gemeldet, man habe sich darauf verständigt, Nexter werde 50 Prozent, KMW und Rheinmetall je 25 Prozent vom MGCS-Kuchen erhalten. Beim kurz darauf stattfindenden Treffen des deutsch-französischen Ministerrates wurde dann beschossen, Anfang 2020 mit einer Studie zur MGCS-Systemarchitektur mit der Entwicklungsphase zu beginnen. Dennoch dürfte das Fingerhakeln um Fusionen und die Kontrolle des europäischen Panzermarkts damit noch nicht sein Ende gefunden haben.

Jürgen Wagner

 

Jürgen Wagner ist Politikwissenschaftler und geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen.

Kontakt: www.imi-online.de