die waffen nieder!

Rheinmetalls Visionen

Aufrüstung und Kriegsvorbereitung

| Thomas Siepelmeyer

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Foto: unai Pascual Loyarte: NO WAR via flickr.com (CC BY 2.0)

Die Pläne des Rüstungskonzerns für die Zukunft unter dem neuen angeblichen „Bedrohungsscenario“ und der NATO 2%-Entscheidung

Auf der letzten Aktionärsversammlung der Rheinmetall AG am 28. Mai 2019 im Hotel MARITIM in Berlin, aber auch schon vorher im Rahmen der Berichterstattung über den Geschäftsentwicklung der Aktiengesellschaft, hat der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger eine „Vision für Rheinmetall“ entwickelt, die er für die kommenden Jahre am Beginn eines „Super Cycle“ für die Kriegsindustrie sieht.

Defence Markets at the Beginning of a Super Cycle“ ist das Dokument überschrieben, das leicht auf der Rheinmetallwebsite zu finden ist. Der Begriff „Super Cycle“ ist eigentlich aus der Bergbauindustrie bekannt; dort werden die seit vielen Jahrzehnten feststellbaren langjährigen und extrem profitablen Aufschwünge der Rohstoffnachfrage – immer nach fast ebenso langen Abwärtstendenzen – als „Super Cycle“ bezeichnet. Sie sind meistens mit erheblichen Preissteigerungen der nachgefragten Rohstoffe verbunden.

Der Hintergrund dieser – nicht nur auf die Firma Rheinmetall beschränkten – Hoffnungen der Kriegsindustrie ist ihre Analyse, dass es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 eine lange Phase des relativen (im Bezug zum BSP des jeweiligen Landes) wie auch in einigen Fällen absoluten Rückgangs der Ausgaben für Kriege und Kriegsvorbereitungen gab, unter den Bezeichnungen „Friedensdividende“, Zurückfahren der konventionellen Kriegsführung und Ersatz durch „Out of area missions“. Dieser Trend kehrte sich mit der Besetzung der Krim-Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 um: kurz darauf wurde das 2%-Ziel der NATO zumindest ins Auge gefasst (einen offiziellen gemeinsamen Beschluss gibt es dazu nicht), es wurde die Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Konzepts der „territorialen Verteidigung“ propagiert, wozu die umfassende personelle und technische Aufrüstung aller Armeen der NATO-Mitgliedsländer für die nächsten zehn bis zwölf Jahre gehört. Auch außerhalb der NATO steigen die Budgets für Kriegsführung in den meisten Ländern seit Jahren kontinuierlich und weltweit überproportional an. Fast scheint es, als bereiteten sich die meisten Regierungen nach der Weltfinanzkrise 2008 / 2009 darauf vor, die dadurch entstandenen Verwerfungen und Konkurrenzverschärfungen auf den Waren- und Handelsmärkten durch kriegerisches Eingreifen in ihrem Sinne lösen zu wollen.

Für die Bundeswehr allein ergibt sich dieser neue „Bedarf“ durch den Beschluss der Regierung zur Neuaufstellung weiterer Brigaden bis hin zu einer ganzen neuen 4. Division, der Neuanschaffung von über 40.000 leichten und schweren Fahrzeugen bis 2031 und anderer Systeme, inklusive all der neuen Panzer- und Schützenpanzerprogramme. Dazu über 5,5 Mrd Euro für den sofortigen Start des „Schwerlast-Hubschrauber“ Programms, so dass schon im Jahr 2023 der deutsche Kriegsetat auf ca. 60 bis 65 Mrd. Euro gestiegen sein wird, im Vergleich zu 39 Mrd. Euro im Jahr 2018. Das entspricht aber immer noch „nur“ ca. 1,5% des dann zu erwartenden deutschen Bruttosozialprodukts (BSP), so dass noch ein gewaltiger Spielraum von über 20 Mrd. Euro vorhanden ist, um das Ziel von 2% zu erreichen. Alle Nato-Programme und -Systeme sollen standardisiert und angeglichen werden, so dass sich ähnliche personelle und technische Aufrüstungsprogramme für alle NATO-Mitgliedsländer ergeben.

Diese Entwicklung und die zugrundeliegenden Prämissen gelten aber nicht nur für die NATO, sondern auch für andere Kernmärkte Rheinmetalls, vor allem auch für Australien und Südostasien. Allein in Australien liegt ein Auftragsvolumen von über 9 Mrd. Euro für schwere LKW sowie Boxer- und Lynx-Panzerfahrzeuge im nächsten Jahrzehnt vor; dafür errichtet Rheinmetall dort gerade eine eigene Fabrik mit hohen Subventionen durch den australischen Staat. Interessant ist hierbei, dass der Anteil für Munition nur ca. 1% des Auftragsvolumens beträgt. Ähnliche Pläne existieren u.a. für die südostasiatischen Länder Malaysia, Indonesien, Philippinen, aber auch für einige Golfanrainerstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate.

Über Australien und dortige eigene Produktionsstätten will Rheinmetall auch den größten Markt für Kriegsgerät weltweit, die USA, für sich weiter öffnen. Denn Australien hat spezielle Zoll- und andere Präferenzen im Handel mit den USA. Dort spezialisiert sich die Firma auf Kampffahrzeuge, Munition mittleren Kalibers, aktive Schutz- sowie Feuerleit- und Kontrollsysteme. Vor allem sollen alle Möglichkeiten der Digitalisierung von Kampf- und Logistikplattformen, Aufklärungssystemen und Befehlsstrukturen für jeden möglichen Kriegsschauplatz weiterentwickelt werden. Hier ist dann auch die größte Schnittstelle mit dem sog. „zivilen“ Produktionsbereich von Rheinmetall, genannt „Automotive“, vorhanden, deren Entwicklungen z.B. für selbstfahrende zivile KfZ-Plattformen und andere automatisierte und digitalisierte Anwendungen immer wichtiger auch für den militärischen Bereich werden.

Protest gegen die Jahreshauptversammlung von Rheinmetall in Unterlüß 2018. Foto: Cécile Lecomte

Dieser „Super-Cycle“ verspricht Rheinmetall also ein langlebiges, über mehr als ein Jahrzehnt prognostiziertes Wachstum mit dem entsprechenden Wachstum der Profite, alles verbürgt durch Garantie der Zahlung jeder ihrer Rechnungen durch die Steuerzahlerin. Dafür sorgt vor allem die politische Entscheidung der NATO, innerhalb ihrer Mitgliedsländer das Ziel einer militärischen Aufrüstung in Höhe von mindestens 2% des jeweiligen BSP durchzusetzen. Das zeigt auch der Höchststand der Aktie im September 2019 an der Börse mit 118 Euro, ca. 20% höher als noch während der Hauptversammlung im Mai.

Der jahrelange Kampf für die Plünderung der öffentlichen Kassen durch die Rüstungsindustrie erfreut den Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden. Endlich habe man wohl eine Situation überwunden, die er in einem Interview mit der FAZ im September 2019 so beschreibt: „In Deutschland sei eine Generation groß geworden, die sage: ‚Wir sind doch sicher, investieren wir lieber in andere Dinge.‘“ Aber er muss im selben Interview auch konstatieren: „…in Deutschland … gibt man uns nicht mal die Hand, weil sie sagen: ‚Das ist Defense-Industrie, das ist gefährlich.‘ Dabei produzieren wir Güter für die Sicherheit dieses Landes.“ Er beklagt eine „öffentliche Hetzkampagne“ gegen seine Branche. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik mal ganz klar sagt, dass wir die Rüstungsindustrie in Deutschland brauchen.“

Sicher ist er sich also nicht, dass er die profitablen Visionen seiner Firma von Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in die Wirklichkeit umsetzen kann. Eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Notwendigkeiten einer sozial gerechten, ökologischen und friedfertigen Transformation kann ihm und anderen Rüstungs- und Kriegsoligarchen, nicht nur in Deutschland, die Suppe versalzen und die Verschwendung von menschlichen und natürlichen Ressourcen in diesem Bereich beenden.

Thomas Siepelmeyer

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.