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Kleine Urenco-Reaktoren

Small is not beautiful!

| Horst Blume

Die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau ist in den letzten Monaten wieder stärker in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Gegen die Atommülltransporte von Gronau über Hamm, Amsterdam, Petersburg nach Sibirien formierte sich ein vielfältiger Widerstand bis hin zu Zugblockaden.

Ein wichtiger Kritikpunkt gegenüber dem UAA-Betreiber Urenco fand allerdings bisher nur bei einer Mahnwache am Standort des stillgelegten Thorium Hochtemperaturreaktors (THTR) in Hamm Beachtung. Das in den Niederlanden, Großbritannien, der BRD und mittlerweile auch in den USA ansässige Unternehmen Urenco bereitet weltweit den Einsatz von Small Modular Reactors (SMR) vor. Auf deutscher Seite sind RWE und E.ON beteiligt. RWE kann auf diese Weise an die alte störanfällige HTR-Linie vom AVR Jülich und THTR Hamm anknüpfen – trotz Atomausstieg in Deutschland!

Urenco will durch diese HTR-Weiterentwicklung den Absatz ihrer Produkte weltweit sichern. Die auch „Atom-Batterien“ genannten neuen Minireaktoren für abgelegene Gebiete sollen mit TRISO-Brennstoff betrieben werden, den Urenco herstellen will. „TRiststructural-ISOtropic“ ist ein Kernbrennstoff aus dreifach ummantelten PAC-Kügelchen (Plutonium, Americium, Curium). Er wurde in der Vergangenheit in ähnlicher Form bei Hochtemperaturreaktoren benutzt.

Die USA hat großes Interesse an der neuen Reaktorversion, weil bei ihr das Uran als nicht atomwaffenfähig deklariert wird, da es mit 19,75 Prozent nur ganz knapp unter der behördlich festgelegten Schwelle von 20 Prozent angereichert wird. Auf diese Weise kann die deutlich höhere und aufwendigere Sicherheitsstufe für hochangereichertes Uran über 20 Prozent mitsamt den ebenfalls höheren Kosten geschickt umgangen werden: Weniger Sicherheit = niedrigerer Preis. Da Urenco seit 2011 mit einer eigenen Niederlassung auf dem amerikanischen Markt agiert, ist diese Kooperation des europäischen Unternehmens Urenco mit der USA-Nuklearindustrie möglich.

Energie für die „Soldaten im Feld“

Die involvierte US-Nuklearfirma X-Energy betont, dass TRISO ein „sehr robuster Brennstoff sei, der sich gut für Militär- und Raumfahrtanwendungen eignet“. Weiterhin sagt das US-Verteidigungsministerium, dass diese Energieform wichtig in Krisenzeiten sei, weil militärische Operationen energieintensiver als früher geworden wären. Im Originalton: „Geld sparen und den Soldaten im Feld eine Hauptstromquelle mit erhöhter Flexibilität und Funktionalität bieten“.

Im zivilen Bereich wären diese kleinen Module geeignet für die Stromversorgung in abgelegenen Gegenden. Weil diesen kleinen Reaktoren eine so große Wichtigkeit zugesprochen wird, hat das US-Energieministerium eine Darlehnsgarantie für die Vermarktung von TRISO über 12,5 Milliarden US-Dollar gegeben.

Der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel ist zu entnehmen, dass sie trotz „Atomausstieg“ und schlechter Erfahrungen mit der HTR-Linie in der BRD ihre Weiterentwicklung durch Urenco in NRW positiv sieht. Das Betreiberkonsortium unter der Regie von Urenco behauptet, dass auch in Kanada und Großbritannien ein Bedarf von mehreren hundert dieser Small Modular Reactors besteht.

Bei all diesen hochtrabenden Plänen der Atomindustrie darf man natürlich nicht vergessen, dass es meist sehr lange bis zu ihrer Umsetzung dauert. Die für 2005 angekündigte Bauabsicht und der erst 2012 tatsächlich begonnene Bau des HTR in China (Halbinsel Shandong) zeigen dies deutlich. Seit Jahren wird die angekündigte Inbetriebnahme in schöner Regelmäßigkeit verschoben.

Hohe Temperaturen im Jungle

Bei all den bisherigen Problemen mit den Reaktoren der Generation IV ist es schon verwunderlich, dass eine linke Wochenzeitung wie „Jungle World“ BefürworterInnen dieser Reaktorlinie in ihrem Blatt zu Wort kommen lässt.

Stefan Laurin schrieb dort am 28. 3. 2019: „Was für all diese Entwicklungen nötig ist, ist Energie. Und die kann zuverlässig auch mit Atomkraftwerken erzeugt werden. Fusionsreaktoren sind noch ein Versprechen für die Zukunft. Wesentlich sicherere und weniger Abfall erzeugende Thorium-Reaktoren werden zur Zeit in China gebaut. Firmen in den USA und Kanada arbeiten an kleinen, wartungsarmen Thorium-Reaktoren, die auch in Ländern ohne Hightech-Infrastruktur eingesetzt werden könnten. Entgegen der unsinnigsten und bösartigsten (!, H. B.) Forderung einer regressiven Umweltbewegung darf Energie nicht teurer werden. Sie muss billiger werden …“.

Vor gut einem Jahr veröffentlichte „Jungle World“ ein Interview mit dem Atomlobbyverein „Nukleria“, der ebenfalls unter anderem Hochtemperaturreaktoren propagiert. Er versteht sich gar als „Graswurzelbewegung“ für die verkannte Atomkraft, versuchte mit Greta-Postkarten an Friday for Future anzudocken und veranstaltete ein Nuclear Pride Fest in München.

Auf der Facebook-Seite dieses Vereins werden Nachrichten von den rechtsgerichteten Portalen Tichys Einblick und Achse des Guten gepostet und am 27. März 2019 wurde gar verkündet: „Man kann über die AfD sagen, was man will, aber zum Atomausstieg stellt sie definitiv die richtigen Fragen …“. Eine Zeitschrift, die ansonsten kritisch über Rechtsradikale und Antisemiten berichtet, sollte sich schon bewusst sein, in welche Nähe sie sich begibt und welche Interessen sie mit ihrer positiven HTR-Berichterstattung bedient. Stattdessen wäre es eher angebracht, atomkraftkritische Whistleblower zu befragen, um die Anti-Atom-Bewegung zu unterstützen.

Horst Blume