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90 Minuten plus Nachspielzeit

Arminia Bielefelds Fußballgeschichte

| Kai@Fusli

Wilhelm Achelpöhler, Jan-Hendrik Grotevent: 90 Minuten Arminia Bielefeld, Verlag Die Werkstatt, Bielefeld 2020, 144 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 9783730704622

 

Fußball ist ein Thema, das in der Graswurzelrevolution selten Beachtung findet. Nun hat aber der GWR-Autor Wilhelm Achelpöhler (zusammen mit Jan-Hendrik Grotevent) ein Buch über den Aufsteiger Arminia Bielefeld geschrieben. Im Sinne der Fan- bzw. „Völkerverständigung“ haben wir einen Fan eines „verfeindeten“ Vereins um folgende Buchbesprechung gebeten. (GWR-Red.)

Als ich gefragt wurde, ob ich eine Rezension schreiben wolle, fragte ich mich, welche Qualifikation ich dazu hätte. Als ich den Titel des Buches hörte, musste ich dann doch schmunzeln: „90 Minuten ARMINIA BIELEFELD“. Zu meinem Hintergrund: Meine Qualifikation besteht wohl darin, dass ich Fußballfan bin, allerdings schlägt mein Herz für den SC Preußen Münster. Für alle nicht so fußballaffinen Menschen sollte erklärt werden, dass die Beziehung zwischen dem SCP und Arminia Bielefeld – milde ausgedrückt – durch gegenseitige Abneigung geprägt ist.

Die Autoren des Buches, Wilhelm Achelpöhler und Jan-Hendrik Grotevent, sind langjährige Fans des Vereins von der Bielefelder Alm und das wird beim Lesen auch deutlich. Es ist ein Buch von Fans für Fans. Aber auch als Nicht-Armine gibt es in dem Band einiges zu entdecken. Aufgeteilt in 90 Minuten plus Nachspielzeit werden Erfolge und Misserfolge der Arminia erzählt, angelehnt an die Ereignisse, die sich in der bestimmten Spielminute zutrugen. Aber wie jedes Fußballspiel beginnt auch dieses Buch mit einer Kabinenansprache. Hier ist es die jetzt schon legendäre Kabinenansprache aus dem Jahr 2017 des damaligen Co-Trainers Carsten Rump, die wohl jedeR Fußballfan schon mit Tränen in den Augen in den sozialen Netzwerken mitbekommen hat. Danach reiht sich Geschichte an Geschichte und Anekdote an Anekdote. Viele Ereignisse fallen dem Fußballfan wieder ein, wie bspw. „Der offene Schenkel“ des Ewald Lienen aus dem Spiel Werder Bremen – Arminia Bielefeld vom 14. August 1981 oder das unvergessene Relegationsspiel vom 14. Mai 2014, indem der schon sichere Klassenerhalt in einem denkwürdigen Spiel gegen Darmstadt 98 in der 122. Spielminute vergeigt wurde. Diese und noch viele weitere Geschichten werden reich bebildert auf 144 Seiten dargestellt, wobei auch über Spiele des Frauenfußballteams und die Spiele der Nachwuchsmannschaften berichtet wird.

Neben diesen größtenteils sportlichen Ausführungen über Arminia Bielefeld, werden auch einige politische Geschichten über und um den Verein herum skizziert. Es wird auf die Rolle von Arminia Bielefeld im Dritten Reich eingegangen. Wie bei den meisten Vereinen in Deutschland, wurden auch bei Arminia Bielefeld nach 1933 jüdische Funktionäre ausgegrenzt, wie der zur jüdischen Gemeinde Bielefelds zählende Julius Hesse, der 1909 erster Vorsitzender des Vereins wurde und diesen bis 1914 zukunftsfähig und erfolgreich gemacht hatte. Auch die Beteiligung von Mitgliedern der Armina beim Niederbrennen der jüdischen Synagoge an der Turnerstraße in Bielefeld, während der Novemberpogrome 1938, wird erwähnt. Es wird berichtet, wie die beiden rivalisierenden Vereine Arminia und VFB03 im Juli 1943 zur Kriegspielgemeinschaft (KSG) Bielefeld fusionierten, um trotz Bombenkrieg und Erbarmungslosigkeit des Krieges dem Alltag durch den Fußball wenigstens für ein paar Stunden entfliehen zu können.

Die politische Dimension des Fußballs wird jedoch eher am Rande erzählt, wie bei der Schilderung des Freundschaftsspiels der Arminia gegen Austria Wien nach dem Anschluß Österreichs am 1. Mai 1938 oder bei der Darstellung des Freundschaftsspiels der Armina gegen Lok Leipzig am 1. Juni 1983 in einer Zeit, als die Diskussionen über die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Westdeutschland im vollen Gange war und der Bielefelder Spieler Ewald Lienen als Sprecher der Initiative „Sportler gegen Atomraketen – Sportler für den Frieden“ in der DDR mit wohlwollenden Applaus empfangen wurde. Schließlich werde auch ich als Fan des SC Preußen quasi alle paar Seiten bedient, indem Anekdoten aus der gemeinsamen Geschichte der beiden Vereine erzählt werden, wie die über die erste Radioreportage eines Fußballspiels in Deutschland vom 1. November 1925, welches die Arminia mit 5:0 gewann oder die 2:1 Niederlage der Armina beim VFB Rheine aus dem Jahr 1989, wodurch der SC Preußen Münster unerwartet Meister der Oberliga wurde und anschließend in die Zweite Liga aufstieg. Alles in allem also ein kurzweiliges Buch mit    Geschichten aus 115 Jahren Arminia Bielefeld.