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Die Verhältnisse ändern

Politischen Druck machen ist wichtiger als nur „richtig“ einzukaufen

| Elisabeth Voß

Michael Kopatz: Schluss mit der Ökomoral! Wie wir die Welt retten, ohne ständig daran zu denken, oekom Verlag, München 2019, 240 Seiten, 20 Euro, ISBN 9783962381318

Mit seinem Buch „Schluss mit der Ökomoral! Wie wir die Welt retten, ohne ständig daran zu denken“ knüpft Michael Kopatz an seine 2018 veröffentlichte „Ökoroutine“ an. Mit fast unerschütterlichem Optimismus schildert der Wissenschaftler des „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ an Beispielen aus verschiedenen Lebensbereichen, dass es nicht darum geht, individuell das Richtige zu tun – wenngleich dies wünschenswert sei – sondern sich für Verhältnisse einzusetzen, in denen es das Einfachste und Naheliegendste ist, nachhaltig zu handeln.

Wie beseelt der Autor von seinem Thema ist, ohne dabei seinen Humor zu verlieren, das zeigt sich schon in den „Zehn Geboten zur Ökoerlösung“, die er voranstellt: „Arsch hoch! Du bist das Volk“ und „musst die Verhältnisse ändern“, zum Beispiel durch Unterstützung des Vereins LobbyControl, mit Protesten gegen die Agroindustrie und stadtpolitischem Engagement und „nicht shoppen am Tage des Herrn“.

Der vermeintlichen Macht der Verbraucher*innen erteilt Kopatz eine klare Absage und stellt stattdessen fest: „Das Konzept der Ökoroutine beginnt nicht in den Köpfen, sondern bei der Infrastruktur“. Dafür gäbe es einiges zu tun, und das klingt bei Kopatz mitunter, als sei es eigentlich ganz einfach. Statt mit moralischen Appellen Einzelne zu überfordern, müssten die Standards und Limits für die Produktion verändert werden – wozu nur Politik in der Lage ist, weswegen es wichtiger sei, politischen Druck zu machen als „richtig“ einzukaufen.

Im Detail stellt es sich jedoch oft viel komplexer dar. Hier ein paar Beispiele aus dem Kapitel „Unterwegs“ zur Frage der Mobilität: Würden keine Straßen mehr gebaut, Tempolimits eingeführt und ein günstiger oder sogar kostenloser öffentlicher Nahverkehr angeboten, so würde sich nicht nur der Individualverkehr, sondern auch der Warentransport verändern. Autofreie Quartiere und fahrradfreundliche Stadtgestaltung bringen – neben den notwendigen Änderungen des Verkehrsverhaltens – auch einen deutlichen Zuwachs an Lebensqualität. Darüber hinaus würden auch die Immobilienpreise steigen, bemerkt Kopatz wohlwollend. Auch sein Vorschlag, limitierte Lizenzen für die Zulassung von Autos auszugeben, die dann gehandelt werden könnten, zeigt die doch recht marktbasierte Sicht des Autors, ebenso wie die Begrenzung des Flugverkehrs durch Preiserhöhungen. Seiner Kritik an der Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten, während Flugtickets steuerfrei sind, ist jedoch zuzustimmen.

Selbstverständlich fehlen auch nicht die überdimensionierten SUVs, freudig zeigt der Autor einen Aufkleber: „Eine Penisverlängerung wäre klimafreundlicher als dieses Angeberauto“. Er rät jedoch, statt Freundschaften durch solche Kritik zu riskieren, sich besser beim Parking Day oder der Critical Mass zu engagieren. Klimalabels für Autos, die das CO2 in Relation zum Gewicht bewerten, statt den absoluten CO2-Ausstoß, brandmarkt er zurecht als „Fake“. Nicht nachvollziehbar war für mich allerdings, warum Carsharing sinnvoll, ja sogar „der Albtraum für die deutsche Autowirtschaft“ sein soll. Zum automatisierten „autonomen Fahren“ skizziert Kopatz immerhin sowohl ein ökologisches als auch ein Horrorszenario.

Weitere Lebensbereiche sind Konsum und Essen, sowie Wohnen, Wärme und Strom. Zu allen Themen gibt es neben vielfältigen Anregungen knapp und übersichtlich gehaltene Zahlen, sowie eine Reihe von Illustrationen mit aussagekräftigen Bildunterschriften. Das Buch ist einfach und verständlich gehalten, Kopatz möchte überzeugen und motivieren. Mit seiner Botschaft, dass sich grundlegend etwas verändern muss, vermittelt er auch die Vorstellung, dass dies im herrschenden System möglich sei. Schon heute etwas zu verändern ist sicherlich wichtig und notwendig, gleichzeitig wirkt es mitunter etwas gutgläubig, als würde es reichen, vernünftige Argumente zusammenzutragen, als gäbe es weder Macht noch profitgenerierende Eigentumsverhältnisse oder kapitalistische Wachstumszwänge.

Der Autor appelliert an ein undefiniertes „Wir“ aus einer mittelschichtigen Perspektive derjenigen, die zwar ökologische Grundüberzeugungen teilen, diesen jedoch oft im Privaten nicht folgen. Dem grundlegenden Ansatz, die ökologische Frage zu politisieren, moralische Ermahnungen fallen zu lassen und die Verhältnisse zu ändern, kann trotzdem uneingeschränkt zugestimmt werden.

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