Friedensnobelpreis der Peinlichkeit

Eine satirische Kritik von Jurij Scheljashenko (Ukrainische Pazifistische Bewegung)

| Jurij Scheljashenko

Die Nichtregierungsorganisation „Center for Civil Liberties“ (CCL) in der Ukraine wurde am 7. Oktober 2022 – zusammen mit der russischen erinnerungspolitischen Organisation „Memorial“ und dem belorussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki – mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser ukrainischen Organisation? Hier gebe ich einige Hinweise. Wenn Sie den Friedensnobelpreis bekommen wollen, dann:

  • Stützen Sie sich nicht auf Bürger*innen vor Ort, sondern umgarnen Sie internationale Geberinstitutionen wie das U. S. State Department und das NED (National Endowment for Democracy/Nationale Stiftung für Demokratie), eine regierungsnahe US-Stiftung, bei deren Gründung 1983 Präsident Ronald Reagan die Eröffnungsrede hielt. (1)
  • Unterstützen Sie die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, beschämen Sie diejenigen, die einen Kompromiss mit Russland suchen, und drängen Sie den Westen dazu, an der Seite der Ukraine gegen Russland in den Krieg zu ziehen, indem Sie eine Flugverbotszone und Waffenlieferungen fordern.
  • Bestehen Sie darauf, dass der Krieg für ein Überleben notwendig ist und keinerlei Verhandlungen möglich sind.
  • Lehnen Sie die internationalen Institutionen als wertlos ab und fordern Sie als Menschenrechtsaktivist*innen Waffen für die Ukrainischen Streitkräfte. So sagte die CCL-Vorsitzende Oleksandra Matwijtschuk in einem Interview am 1. September 2022 u. a.: „Die Veto-Macht Russlands im US-Sicherheitsrat bedeutet dessen Paralyse. Wenn es keinen Mechanismus gibt, Russland zu zwingen, sich an die Normen des internationalen Rechts zu halten, bedeutet das Paralyse. (…) Das internationale System liegt in Ruinen, ganz so wie Mariupol. (…) Die verschiedenen internationalen Organisationen sollen ihre Angestellten aus Kiew abziehen. Auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes. (..) Die Ukraine sollte eine Koalition mit anderen Ländern bilden, die dasselbe Problem sehen. Wir sollten den Menschen erklären, dass eine Welt, in der eine Menschenrechtsaktivistin Waffen für die Ukrainischen Streitkräfte fordert, eine gefährliche Welt ist.“ (2)
  • Behaupten Sie fest, dass nur Wladimir Putin die Menschenrechte in der Ukraine verletzt und dass ausschließlich die ukrainische Armee die wahre Menschenrechtsverteidigerin ist.
  • Kritisieren Sie niemals die ukrainische Regierung dafür, dass sie pro-russische Medien, Parteien und öffentliche Personen kriminalisiert.
  • Kritisieren Sie niemals die ukrainische Armee dafür, Kriegsverbrechen zu begehen, Menschenrechtsverletzungen hinsichtlich der Kriegsanstrengungen und der militärischen Mobilisierung zu begehen, wie etwa das Zusammenschlagen von Student*innen durch Grenzschützer, weil sie mit der Absicht fliehen wollten, in einem anderen Land zu studieren anstatt zum Kanonenfutter zu werden. (3)
  • Und niemand von Ihnen soll auch nur ein Wort über das Menschenrecht auf Verweigerung des Militärdienstes verlieren. Seit Kriegsbeginn wurde das bereits seit Langem nur für Angehörige religiöser Kleinstgruppen geltende Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine ausgesetzt. Kriegsdienstverweigerer werden seither zu harten Gefängnisstrafen verurteilt: „So wurden im Mai und Juni 2022 zumindest zwei Verweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. (…) In einem Fall erfolgte eine Verurteilung zu drei Jahren Haft auf ein Jahr Bewährung, im anderen Falle zu vier Jahren Haft auf drei Jahre Bewährung. Da beide erneut einberufen werden können und sie aufgrund ihrer Überzeugung weiterhin keinen Militärdienst ableisten wollen, droht ihnen somit die Verbüßung der bereits angesprochenen langen Haftstrafe und eine erneute Verurteilung.“ (4)

Nach dem Willen von Alfred Nobel sollte der Friedenspreis jährlich vergeben werden „an eine Person, die den größten und besten Teil ihrer Arbeit für die Brüderlichkeit unter den Nationen oder die Reduzierung stehender Armeen“ geleistet hat. (5) Oleksandra Matwijtschuk, CCL-Vorsitzende, sagte am 8. Oktober 2022 bei ihrer Pressekonferenz zur Nobelpreisverleihung: „Keinesfalls soll dieser Preis der alten Erzählung über die brüderlichen Nationen ähneln.“ (6) Wenn das CCL explizit die „alte Erzählung über die brüderlichen Nationen“ ablehnt, wäre es dann nicht zumindest konsequent, den Nobelpreis zurückzugeben?
Besonders widerlich ist es aber, dass sie in derselben Pressekonferenz wahrheitswidrig behauptete, die Ukraine sei ein demokratisches Land, in dem „die Polizei friedliche Studierendendemonstrationen nicht niederknüppelt.“ (7) Aber gleichzeitig knüppelt die ukrainische Grenzpolizei Student*innen nieder, die auf ihrem Recht bestehen, im Ausland zu studieren, anstatt sich am Blutvergießen zu beteiligen.

(1) Siehe: www.ned.org/about/ .
(2) Zit. nach Oleksandra Matwijtschuk, veröffentlicht auf https://ccl.org.ua am 1.9.2022.
(3) Vgl. den studentischen Hilferuf als Tonaufnahme, in dem das brutale Schlagen von ukrainischen Student*innen durch Grenzschützer angesprochen wird, siehe: www.youtube.com/shorts/3hgMThRaMbA .
(4) Zit. nach: Connection e. V., Pressemitteilung, 5.9.2022, „Ukraine setzt Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus“, https://de.connection-ev.org/article-3613 .
(5) Zit. nach: www.nobelpeaceprize.org/nobel-peace-prize/history/alfred-nobel-s-will .
(6) Zit. nach Pressekonferenz zur Preisverleihung von CCL am 8.10.2022, siehe: https://ccl.org.ua/en/claims/oleksandra-matviychuks-speech-at-the-press-conference-dedicated-to-the-2022-nobel-peace-prize/ .
(7) Zit. nach ebd.

Übersetzung aus dem Englischen und Bearbeitung
für die Graswurzelrevolution: Lou Marin