Es waren schockierende Bilder, die Genoss*innen aus Thessaloníki im Januar 2018 ins Netz stellten. Das lichterloh brennende besetzte Haus Libertatia, von Nazihooligans angezündet (die GWR berichtete). Jetzt wird die Libertatia als antifaschistisches Zentrum wieder aufgebaut. Dafür wird Geld benötigt!
„Mazedonien ist griechisch“, „Mazedonien wird immer griechisch sein”, skandierte die aus ganz Griechenland angereiste Menschenmenge. Zur Kundgebung vor der Statue Alexander des Großen an der Strandpromenade Thessaloníkis am 21. Januar 2018, hatten nationalistische und rechtsextreme Organisationen, die inzwischen als kriminelle Vereinigung verurteilte Nazipartei Chrysí Avgí und große Teile des orthodoxen Klerus aufgerufen. Die Polizei sprach von 90.000 Teilnehmenden, die Veranstalter gaben 300.000 an. Jedenfalls war es die größte Demonstration in Thessaloníki seit 1992, als aus demselben Anlass fast eine Million Menschen in einem nationalistischen Delirium die Stadt überschwemmt hatten.
Während der Kundgebung 2018 war ein Mob von 150 bis 200 Nazis und rechten Fußballhooligans losgezogen, um die in der Nähe befindlichen anarchistischen Besetzungen „Libertatia“ und die „Schule zum Erlernen der Freiheit“ unter Geleitschutz von Polizeitruppen anzugreifen. Während Besetzer*innen und Unterstützer*innen der „Schule“ den Angriff abwehren konnten, waren die Aktivist*innen der „Libertatia“ auf einer antifaschistischen Gegenkundgebung, das Haus somit ungeschützt. Die Nationalisten traten die Tür ein und legten Feuer im Inneren des Hauses, das bis auf die Grundmauern abbrannte. Danach geleiteten die Polizeitruppen den Mob zurück zum Kundgebungsplatz. Es gab keine Festnahmen.
Heute ist das Grundstück von einem hohen Metallzaun umgeben. Durch die offenen Fensterhöhlen des ausgebrannten zweistöckigen neoklassizistischen Gebäudes pfeift der Wind. Doch die Fortschritte beim Wiederaufbau der Ruine sind beeindruckend. Das neue Dach ist so gut wie fertig, einige Zwischendecken werden eingezogen und im kleineren Hinterhaus sind einzelne Räume sogar schon verputzt und gestrichen. Nach Aussage der Aktivist*innen war das Schlimmste, die Tonnen von Bauschutt und verbrannten Balken zu entsorgen. Wochenlang habe man nur Dreck geschippt. Danach sei es besser geworden, doch es gehe eben nur langsam voran. Was einerseits am Geldmangel, andererseits am Corona-Lockdown und der andauernden Repression liege. Wiederholt sind während der Arbeiten starke Bulleneinheiten angerückt, zwei Mal wurden am Wiederaufbau Beteiligte verhaftet und Baumaterial sowie Werkzeuge beschlagnahmt. Um das Dach fertig stellen zu können, musste zu einer Kundgebung am Haus mobilisiert werden. Während 250 solidarische Menschen fünf Stunden lang vor dem Haus ausgeharrt hätten, waren 20 auf dem Dach, um die Bretter zu vernageln.
Seit dem Regierungsantritt der rechten Néa Dimokratía im Sommer 2019 hat sich die Repression gegen den inneren Feind extrem verschärft. „Bürgerschutzminister“ Michális Chrysochoídis, ein Law-and-Order-Hardliner, hat die Polizeitruppen von der Leine gelassen. Direkt nach der Wahl im Sommer 2019 ließ er die meisten Flüchtlingsbesetzungen in Athen räumen, in der Folge immer wieder anarchistische Besetzungen. Brutales polizeiliches Vorgehen bis hin zur Folter von Demonstrant*innen bleiben folgenlos. Für die Beamt*innen herrscht Straffreiheit bei ihren Einsätzen gegen Geflüchtete, Linke und Anarchist*innen. Obwohl im August 2020 das wichtige besetzte anarchistische Zentrum Terra Incognita in Thessaloníki geräumt wurde, sind die Aktivist*innen von Libertatia optimistisch: „Es ist nicht einfach, uns zu räumen, da wir sehr viel Unterstützung auch aus der Nachbarschaft erhalten. Alle sehen was hier geschieht. Gegen die rechtsradikalen Brandstifter wird nicht einmal ermittelt, obwohl Filme der Tat im Netz stehen. Gegen uns dagegen laufen 16 Strafverfahren wegen Beschädigung eines Baudenkmals und illegaler Bauarbeiten, weil wir es wieder aufbauen. Ein Baudenkmal im Übrigen, dass vor der Besetzung 2008 über 30 Jahre lang verrottete, ohne das es die Behörden interessierte.”
Auch die dreitägigen Feierlichkeiten zum zwölfjährigen Jubiläum der Libertatia-Besetzung, Mitte Oktober 2020, waren ein Erfolg und verliefen ohne Bullenstress. Im Winter geht es nun darum, mit einer Spendenkampagne Geld zu sammeln, um den Wiederaufbau des Hauses als Bollwerk des antifaschistischen Kampfes 2021 ein gutes Stück vorantreiben zu können.
Ralf Dreis,
Thessaloníki
Spendenkampagne:
Spenden mit dem Stichwort „Libertatia“ bitte an:
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