Die Situation der Frauen im Iran

Wie können wir die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung unterstützen?

| Shouresh Shakibapour

Seitdem im September 2022 die iranische Kurdin Jina Mahsa Amini in Teheran durch islamische „Sittenwächter“ ermordet wurde, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hat, gab es im Iran zahlreiche Massenproteste gegen das staatsterroristische Ajatollah-Regime (vgl. GWR 478). Bis heute ist das Land von extremen Menschenrechtsverletzungen geprägt, darunter willkürliche Verhaftungen, grausame Folter in den Gefängnissen und Hinrichtungen. Der iranische Staat reagierte auf die Proteste mit Repression. Es wurden drastische Gesetzesverschärfungen eingeführt, um die Verschleierungspflicht durchzusetzen. (GWR-Red.)

Die Situation der Frauen im Iran ist heute vielleicht noch schlimmer geworden als vor den Massenprotesten der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung. Überall befinden sich Kameras auf den Straßen, wenn Frauen kein Kopftuch tragen, werden sie erkannt, vorgeladen, abgemahnt und erhalten hohe Geldstrafen. Falls sie ein Auto besitzen, wird dieses stillgelegt. Die Frauen werden in allen Lebensbereichen unterdrückt. Durch die vielen Festnahmen und Hinrichtungen verlangsamt sich die Revolutionsbewegung. Die massive Gewalt des Regimes gegen alle aktiven Menschen ist zu groß. Außerdem haben die Menschen im Iran auch verstanden, dass die westlichen Länder sie nicht unterstützen werden. Der Westen muss endlich aufhören, das Gewaltregime zu legitimieren. Denn dieser Staat hat nichts als Armut, Leid und Tod gebracht. Am 8. März 1979, also kurz nach der Ausrufung der Islamischen Republik Iran, demonstrierten 100.000 Frauen für ihre Rechte. Sie riefen Parolen wie: „Freiheit ist weder westlich noch östlich, sondern universell!“
45 Jahre später kämpfen die Menschen noch immer für eine freie Gesellschaft.
Jeden Dienstag gehen viele politische Gefangene in Iran, allein 61 Frauen aus dem berüchtigten Folter-Gefängnis Evin, in den Hungerstreik. Sie protestieren so gegen die Hinrichtungen. Sie wollen unsere Aufmerksamkeit und verlangen von uns, Verantwortung zu übernehmen.
Viele Menschen sagen: „Was können wir von hier aus schon tun?“
Wir können so viel tun! Wir können uns an Demonstrationen (1) beteiligen, Petitionen unterschreiben, Kundgebungen unterstützen, Infoveranstaltungen in Schule, Betrieb und Hochschule organisieren. Wir wertschätzen und unterstützen euch mit Herz, Verstand und Kraft. Schreibt Leserbriefe und Pressemitteilungen an örtliche Medien, an örtliche Abgeordnete von Landes- und Bundesparlament, organisiert Solidaritätsbekundungen. Solidarität muss praktisch werden! Es ist leider nicht so, dass ein klerikal-faschistisches Regime, das seit 45 Jahren an der Macht ist und vom Westen unterstützt wird, einfach gestürzt werden kann. Wir müssen dauerhaft aktiv sein, auch wenn wir müde werden, wir müssen die Politiker*innen nerven und Druck aufbauen, damit endlich was passiert. Es wird in die Geschichte eingehen, dass es eine massive Hinrichtungswelle im Iran gegeben hat. Und dass Hunderttausende auf die Straßen gegangen sind im Iran und im Ausland, aber die deutsche Bundesregierung nur dabei zugesehen hat. Wir wollen keinen Krieg im Iran, keinen militärischen Einsatz, wir fordern von der Bundesregierung:
• Sofort wirksame Sanktionen gegen den Staatsterrorismus im Iran. Sanktionen, die nicht die Bevölkerung treffen! Die Revolutionsgarde muss auf die Terror- und Sanktionsliste.
• Das Leben der politischen Gefangenen ist in akuter Gefahr: Für massiven ökonomischen und politischen Druck zur Freilassung aller politischen Gefangenen.
• Abbruch aller diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zum Iran. Schließung der Iranischen Botschaft in Berlin und der Konsulate in Deutschland. Schließung der IZH in Hamburg!
• Keine Wiederaufnahme des Atomprogramms und keine damit verbundene Freistellung von Milliardengeldern für das Regime!
• Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp für Geflüchtete aus dem Iran, solange in Iran faschistische Verhältnisse herrschen!

Jeden Tag werden im Iran mindestens zwei Menschen hingerichtet. Im Jahr 2023 gab es über 840 Hinrichtungen und alleine in Januar 2024 wurden 74 Menschen hingerichtet.
Und wie verhält sich Deutschland?
Sie schieben wieder in den Iran ab! Seit Januar 2024 gibt es keinen Abschiebestopp mehr in den Iran. So können nun wieder alle „vollziehbar ausreisepflichtigen Iraner*innen“, bei denen „keine Abschiebungshindernisse“ vorliegen, in den Iran abgeschoben werden. Bundesweit leben in Deutschland über 9.700 „ausreisepflichtige Iraner*innen“, davon über 8.600 mit einer Duldung (2).
Seit den revolutionären Unruhen im September 2022 wurden kaum Abschiebungen durchgeführt. Die Konferenz der Innenminister*innen (IMK) hatte sich im Dezember 2022 auf einen Teil-Abschiebestopp geeinigt. Ausnahmen bestanden für Gefährder und Straftäter sowie Personen, die „hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern“ (3).
Im Dezember 2023 hat sich die IMK leider gegen eine Verlängerung des Abschiebestopps ausgesprochen. Geduldete Ira-ner*innen, die ihren Pass abgegeben haben, sind nun wieder akut von Abschiebung bedroht, trotz der katastrophalen Menschenrechtslage im Iran.
„Es ist ein Skandal, dass die Innenministerkonferenz trotz der Hinrichtungswellen im Iran und der anhaltenden massiven Menschenrechtsverletzungen den Abschiebestopp in das Land nicht verlängert hat. Deutschland kann Abgeschobenen nicht garantieren, im Iran nicht willkürlich inhaftiert oder in Haft gefoltert zu werden – und darf deswegen auch keine Abschiebungen durchführen. Diese drohen aber nun. Am Frankfurter Flughafen hat aktuell ein iranischer Mann große Angst vor seiner Rückführung“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Nach Schnellverfahren droht Rückführung nach Teheran

Der iranische Staatsangehörige ist im Januar 2024 per Flugzeug aus Indien am Frankfurter Flughafen angekommen. Im am Flughafen vorgesehenen Asylschnellverfahren wurde sein Asylantrag nach dem dort gängigen Vorgehen innerhalb von zwei Tagen als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt und ihm die Einreise verweigert. Aktuell wird von der Bundespolizei eine Zurückweisung in den Iran oder nach Indien (als Abflugland) vorbereitet.
Das Flughafenasylverfahren ist ein verkürztes Schnellverfahren, welches seit seiner Einführung vor 30 Jahren immer wieder von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird. „Wir haben uns schon seit jeher grundsätzlich gegen das Schnellverfahren am Flughafen ausgesprochen und sehen immer wieder Ablehnungen als ‚offensichtlich unbegründet‘, die so im normalen Asylverfahren nie ablaufen würden. Gerade bei Schutzsuchenden aus Ländern wie dem Iran ist es völlig unverantwortlich zu behaupten, dass ‚offensichtlich‘ keine Asylgründe vorlägen“, erklärt Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates.
PRO ASYL und die Flüchtlingsräte fordern die Erneuerung des Abschiebestopps (4). Die islamische Republik sperrt Frauen, Musiker, Kulturliebende und politisch Aktive hinter Gitter und malträtiert sie mit Peitschenhieben.
Menschen, die hier sicher sein sollten, sogar Menschen, die im letzten Jahr an Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen haben, droht die Abschiebung.
Im Iran wartet Folter und Tod auf sie. Die Gefahr im Iran ist nach wie vor sehr groß.
Es ist skandalös, dass trotz der Hinrichtungswellen und der Folter Menschen abgeschoben werden. Politisch Verfolgte verdienen es in Sicherheit zu leben.
Wenn ich in den Iran schaue, sehe ich so viel Leid. Ich wünschte, alle Menschen auf der Welt könnten in Freiheit leben.

(1) So findet zum Beispiel in Münster an jedem ersten Samstag im Monat in der Stubengasse von 14 Uhr bis 15 Uhr eine Kundgebung der „Iran-Solidarität – Frauen Leben Freiheit Münster“ statt.
(2) BT-Drucksache 20/9931, S. 48
(2) https://www.proasyl.de/pressemitteilung/keine-abschiebungen-in-den-iran-pro-asyl-und-der-hessische-fluechtlingsrat-fordern-sofortige-erneuerung-des-abschiebestopps/
(3) https://fluechtlingsrat-bw.de/aktuelles/abschiebungen-in-den-iran/