Im Jahre 1905 erschien mit Maurice Leblancs Buch „Gentleman-Cambrioleur“ (dts. in etwa: Gentleman-Gauner) die Romanfigur Arsène Lupin in der Öffentlichkeit. Mutmaßlich vom kurz zuvor begonnen Prozess gegen den Anarchisten Alexandre Marius Jacob (1) beeinflusst – und in der Namensgebung auf den bekannten Pariser Stadtrat Arsène Login zurückgreifend, konzipierte der französische Autor Leblanc einen bis heute nicht nur in der französischen Popkultur gefeierten Helden. Seit dem Erscheinen der ersten Geschichte als Feuilletonroman sind etliche Verfilmungen und Comicadaptionen erschienen. In Étretat, dem ehemaligen Wohnort von Leblanc, kann man sich mit einer Pokemon-to-Go-Variante auf die Spuren des geheimnisvollen Meisterdiebes begeben. Es gibt eine Vielzahl von Adaptionen und Kopien dieses Helden, z. B. in Form von Victor Hugenay, einem Gegenspieler der drei Fragezeichen. Der Entstehungszeitraum fällt mit einer allgemeinen Anarchistenhysterie zusammen, die sich in der Berichterstattung zur Bonnot-Bande zeigt und sich auch in dem 1913 entstandenen Roman „Fantomâs“ ausdrückt.
In den Adaptionen der Geschichten rund um Arsène Lupin kommt der anarchistische Kontext meistens zu kurz. Lediglich auf das „anarchistische“ Bombenlegerklischee wird zurückgegriffen, wie im Falle der Verfilmung „Arsène Lupin – Der König unter den Dieben“ von Kean-Paul Salomé aus dem Jahr 2004. Trotzdem lohnt es sich, sich näher mit der Figur und seinen Comicadaptionen zu beschäftigen.
Im deutschsprachigen Raum ist der Hype um Lupin nur bedingt angekommen und wenn doch, dann erst mit der seit 2021 auf Netflix zu sehenden Serie „Lupin“, welche in Paris spielt und in der Omar Sy als Hauptdarsteller einen Juwelendieb und Fan der Bücherreihe spielt.
Im Comickatalog für deutschsprachige Comics gibt es allerdings nicht einen Treffer unter dem Schlagwort „Arsène Lupin“. In den großen Städten der Normandie gehört dagegen in vielen Tourismusinformationen eine Auswahl von Arsène Lupin-Comics und Figuren zum festen Sortiment, nicht nur in Étretat, wo ihm das Museum Clos Arsène Lupin (2) gewidmet ist.
Betrachtet man die Comicveröffentlichungen, dann fällt als erstes auf, dass vor allem zwei, drei Romane immer aufs Neue Zeichner_innen inspirieren: „Arsène Lupin gegen Herlock Sholmes “, „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ oder „Der Kristallstöpsel“. Es sind die bekanntesten Romane aus der Reihe. Gerade die Konfrontation mit dem verballhornten Sherlock Holmes bietet viele Anknüpfungspunkte. Es ist auch eine Geschichte, wo nicht immer nur Professor James Moriarty dem Meisterdedektiv entwischt. Der Meisterdieb Arsène Lupin entkommt ihm auf gewitzte Weise – und das gleich in mehreren Kurzgeschichten und Romanen.
Neben klassischen Comics in der franco-belgischen Tradition gibt es seit ein paar Jahren nun auch eine Lupin-Reihe im Mangastil von Morita Takashi. In insgesamt 97 Bänden werden die Geschichten des Gauners nacherzählt – und erreichen durch das gewählte Format auch neue Kreise. Mittlerweile haben die Manga in Frankreich den klassischen Comics den Rang in Bezug auf die Beliebtheit abgelaufen.
Wie bei vielen Comicreihen gibt es mittlerweile auch von Arsène Lupin eine Vorgeschichte – die Abenteuer des jungen Arsène Lupin unter dem Titel „Les Origines“. Es ist nicht sonderlich einfallsreich – so gibt es ja bereits Geschichten um den jungen Asterix, den jungen Pagen Spirou etc. pp.
Hierfür zeichnet sich im Falle von Lupin das Autorenduo Benoît Abbey und Pierre Deschodt sowie der Zeichner Christophe Gaultier verantwortlich. In einem recht einfach geladenen Zeichenstil wird in drei Bänden seine Vorgeschichte entworfen. Leider alles sehr traditionell und ohne große Innovationen. Ähnlich verhält es sich mit der Reihe „Le Jeunesse d’Arsène Lupin“, die von Jerome Felix in vier Bänden verfasst und von Alain Janolle zeichnerisch umgesetzt wurde. Diese sollen im Laufe diesen Jahres in einer deutschen Fassung beim Splitter-Verlag erscheinen.
Weiterhin gibt es mehrere Bände von Jerôme Ego, der den Arsène Lupin-Stoff kindergerecht für Kinder ab neun Jahren aufbereitet.
(1) Alexandre Marius Jacobs’ Lebensgeschichte wurde auch schon zu einer eigenständigen Comicgeschichte verarbeitet. Siehe Rezension hierzu von Michael Halfbrodt in den Libertären Buchseiten der Graswurzelrevolution Nr. 492, Oktober 2024
(2) https://www.normandie-tourisme.fr/sites-lieux-de-visites/le-clos-lupin-maison-maurice-leblanc/
Literaturauswahl:
– Abtei / Deshodt / Galopin: Arsène Lupis – Les Origines, 3 Bände, Rue de Sevrès
– Eho: Arsène Lupin et l'énigme du collier perdu,Edition Oreo.
– Felix / Janonelle: La Jeunesse d’Arsène Lupin, 4 Bände, Bambou Edition
– Takashi: Arsène Lupin, 97 Bände, Kurokawa Edition.