Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.
Der brutale Krieg in der Ukraine, der unmittelbar nach Drucklegung der letzten Ausgabe begann, hat uns alle schockiert – ebenso wie die nationalistischen Töne im internationalen Diskurs und die militaristischen Antworten anderer Staaten, nicht zuletzt der Bundesregierung: Unter dem Banner der angeblichen Solidarität mit der Ukraine hat die Ampel-Regierung die Chance genutzt, um ihre lang gehegten Aufrüstungspläne zu verwirklichen, die der ukrainischen Bevölkerung nicht im Geringsten helfen. Stattdessen bedeutet der Geldregen für die Bundeswehr massive Kürzungen im Sozialbereich, bei Bildung und Gesundheitswesen, das Aus für die zuvor postulierten Klimaziele und gewaltige Gewinne für die Rüstungsindustrie. Auch die neu entdeckte Mitmenschlichkeit und Willkommenskultur gelten nicht für alle Menschen: Humanitäre Hilfe und offene Grenzen gibt es nur für Geflüchtete der Mehrheitsbevölkerung und mit ukrainischem Pass, nicht für aus der Ukraine flüchtende Minderheiten oder Menschen anderer Staatsangehörigkeit, nicht für Flüchtende aus anderen Kriegsgebieten.
Doch es gibt auch positive Signale: Antikriegsdemonstrationen, bei denen keine Nationalfahnen geschwenkt werden; direkte Unterstützung für Aktivist*innen, die sich durch antimilitaristische Proteste in Russland und der Ukraine oder durch Desertion auf beiden Seiten dem Morden entgegenstellen; Initiativen, die die Bewegungen gegen Krieg, Aufrüstung, Klimawandel und Rassismus zusammenbringen. Ermutigend waren die gewaltigen Demonstrationen zum Globalen Klimastreik „People Not Profit – Für Klimagerechtigkeit und Frieden“ von Fridays for Future am 25. März, an denen sich bundesweit 220.000 Menschen beteiligten, und der dezentrale Aktionstag „Rheinmetall entwaffnen“ am 27. März unter dem Motto „Gegen Krieg und Krise! Für Klimagerechtigkeit, offene Grenzen, Abrüstung & Frieden!“ An diese Initiativen gilt es anzuknüpfen und mit einer starken antimilitaristischen Bewegung die Rüstungsspirale zu stoppen.
Und es gibt noch weitere gute Nachrichten: Der Verlag Graswurzelrevolution bekommt den Deutschen Verlagspreis 2022! Dieser Preis zur Förderung von Kleinverlagen wird für ein besonderes verlegerisches Profil, herausragendes kulturelles Engagement und einen außerordentlichen Beitrag zur Vielfalt der Verlagslandschaft verliehen. Damit wird die jahrzehntelange großartige gewaltfrei-anarchistische Publikationstätigkeit und engagierte Öffentlichkeitsarbeit unseres Buchverlags gewürdigt. Das Preisgeld wird nun viele weitere spannende Veröffentlichungen und neue Projekte ermöglichen. Herzlichen Glückwunsch!
In dieser Ausgabe versuchen wir uns dem komplexen Thema des Ukraine-Kriegs mit einem breit gefassten Schwerpunkt anzunähern. Die politischen Entwicklungen in Russland, das Scheitern der militärischen Verteidigung in der Ukraine, aber auch Ansätze der Sozialen Verteidigung als Alternative spricht Lou Marin ebenso an wie die jetzige „Zeitenwende“ der Bundeswehr. Ein Interview mit einem russischen Anarchosyndikalisten gibt Einblicke in die Antikriegsproteste und die anarchistische Bewegung in Russland und in der Ukraine – ein Thema, dem sich auch Peter Nowak widmet. Welche atomaren Gefahren der Krieg bedeutet – sei es in Form des „Normalbetriebs“ von AKWs in umkämpften Regionen oder in Form der Drohung mit Atomwaffen, sei es indirekt, wenn beispielsweise als Konsequenz aus dem Verzicht auf russisches Gas eine Laufzeitverlängerung der hiesigen Atomkraftwerke gefordert wird –, untersucht Eichhörnchen. Die Unterdrückung und Beschränkung der Presse und Meinungsbildung in Zeiten des Krieges stehen in Daniel Jerkes Beitrag im Mittelpunkt, und Rudi Friedrich gibt einen Überblick über die Situation von Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern und zeigt Unterstützungsmöglichkeiten auf. Ausgehend von der medialen Darstellung Putins nähert sich Johann Bauer Bakunins Schriften an, und drei Kommentare geben weitere Sichtweisen auf den Ukrainekrieg wieder.
Ein kleinerer zweiter Schwerpunkt widmet sich aktuellen Mieter*innenkämpfen: Selbstorganisierte Studierendenproteste in Münster und große Kampagnen wie der „Mietentscheid Frankfurt“ oder „Deutsche Wohnen enteignen“ kommen ebenso zu Wort wie Stadtteilarbeit in der Mannheimer Neckarstadt. Selbstverwaltete Gegenstrategien zum Immobilienmarkt hat das Mietshäuser Syndikat (MHS) unter dem Motto „Die Häuser denen, die drin wohnen“ entwickelt: Fünf MHS-Wohnprojektvorstellungen machen die Vielfalt dieses Zusammenschlusses sichtbar.
Darüber hinaus bietet diese GWR-Ausgabe viele weitere Beiträge zu unterschiedlichen Themen. Hoffentlich macht sie Mut und motiviert zu den direkten Aktionen und lautstarken gewaltfrei-anarchistischen Stimmen, die in diesen Zeiten so bitter nötig sind.
Eure GWR-Redaktion
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.
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