graswurzelrevolution

Das war Luxus

35 Jahre Graswurzelrevolution - Das Fest in Könnern

| Solveig Feldmeier, Freundeskreis der attacVilla Könnern

Im Vorfeld der Geburtstagsfeierlichkeiten gab es Schwierigkeiten, einen geeigneten Ort für die GWR-Party zu finden. Die attacVilla in Könnern bot sich an.

Allerdings ist der Weg in den Osten für viele AnarchistInnen doch noch zu weit und die LeserInnenschaft im Raum Halle nicht eben zahlreich. Also ging das Redaktionskollektiv davon aus, dass die TeilnehmerInnenzahl vom 30. Geburtstagsfest (2002 in Münster mit über 300 zahlenden Gästen) nicht erreicht werden könnte. Klein aber fein sollte es werden unser Fest.

Und dieser Anspruch ist voll erfüllt worden. Natürlich hatten die OrganisatorInnen einige Hürden zu nehmen. Auf dem Gelände der Villa musste gegen meterhohe Brombeerhecken und Buschwerk gekämpft werden. Durch tatkräftige Hilfe von KönneranerInnen konnte der Zugang zum Parkplatz freigelegt werden und im Garten bot ein wunderschönes Rundzelt mit 12 Metern Durchmesser Schutz vor Regen und Sonne.

Jeden Tag verfolgten wir die Wetterprognose und hofften auf Sonnenschein. Nach langem Hin und Her hatten wir uns entschieden, das Kulturprogramm am Freitagabend im Garten durchzuführen. Leider regnete es, und zwar gerade als die Technik aus Hoyerswerda aufgebaut war. Dennoch kein Problem. Denn Götz, unser Techniker vom Freien Radio Corax in Halle, disponierte um, und der eindrucksvolle Auftritt vom Singenden Tresen ging im Säulenzimmer über die Bühne. Klaus, der Geiger, und Salossi entschieden sich spontan, im geräumigen Treppenhaus aufzuspielen. Als sie dann noch den Oboisten vom Singenden Tresen zur Session einluden, gelangte die Stimmung auf den Höhepunkt. Sowas hat das 100jährige Haus in seiner wechselvollen Geschichte noch nicht erlebt!

Peryton sprach sich dafür aus, auch am Samstag in der Villa zu bleiben und nicht ins Kulturhaus zu ziehen. Von Seiten der Einrichtung kam man diesem Wunsch unkompliziert entgegen. Nach seinem Auftritt strahlte der Künstler. Er war begeistert, dass die Gäste, von denen die meisten einen harten Seminartag hinter sich hatten, seinen nachdenklichen Liedern noch fast drei Stunden ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten.

Zu vorgerückter Stunde verbreitete dann das Duo Contraviento lateinamerikanisches Flair und schaffte es spielend, das Publikum zum Mitsingen und Mitmusizieren zu bewegen. Einige wollten gar nicht mehr aufhören. Sie holten die eigene Gitarre heraus und machten bis zum Morgen weiter. Nur wenige Gäste fanden zeitiger ins Bett. Die meisten saßen noch beisammen und diskutierten.

Viele junge Leute waren gekommen, vor allem aus dem Umfeld des Leipziger Libertären Zentrums Libelle. Diese hatten besonders eifrig für das Fest plakatiert. An dieser Stelle noch mal ein besonderer Dank dafür. Diese JungaktivistInnen trafen mit ganz alten Graswurzeln zusammen.

Was kommt nach dem Kapitalismus? Die Frage war allgegenwärtig.

Vor dem Fest waren wir zwei Wochen lang mit Aufräum- und Putzarbeiten beschäftigt. Dennoch gab es am Donnerstag und Freitag noch Etliches zu erledigen. Die ersten Gäste, Andreas und Helmut aus Bielefeld, packten tatkräftig mit an und managten das Einschecken und den Kiosk. Andere bereiteten die Schlafräume vor. Imponierend, wie Helga und Wolfgang Weber-Zucht unseren Abstellraum in ein dem Auge schmeichelndes Bücherzimmer verwandelten, in welchem gern verweilt wurde. Während der drei Tage klappte die Selbstorganisation hervorragend. Das ging beim Kaffee kochen los, beim Bereitlegen von trockenen Handtüchern in den Bädern weiter und hörte beim Abwaschen nicht auf. Auch wenn einige Seminare sich zeitlich verzögerten bzw. in anderen Räumlichkeiten stattfanden – es gab keine Nörgelei. Die Stimmung war rundum freundlich und heiter.

Sicherlich hatte daran auch die hervorragende Sorge für das leibliche Wohl Anteil. Was Katrin und Max aus Schortewitz, einem Dorf unweit von Könnern, da in ihrem Zelt zauberten und servierten, verdient zu Recht den Namen Essthetik. Die beiden von ” Himmel und Erde” und ihre Helferin Doro erhielten deshalb auch überschwängliches Lob von allen Seiten.

Beim Thema Essen sollten unbedingt auch unsere unermüdlichen PflaumenkuchenbäckerInnen und Männer bzw. Mädchen für alles Erwähnung finden. Amanda, Andre’ und Hartmut – das war lecker! Außerdem haben die drei noch so ganz nebenbei jede Menge Interviews und Mitschnitte fürs Freie Radio gemacht, die auch herunter geladen werden können.

Ein herzlicher Dank gilt unserem Hausherrn Fritz und seiner Monika. Sie unterstützen unsere Villa nicht nur finanziell, sondern legen selbst mit Hand an. Für alle Gäste, die bis Sonntagnachmittag geblieben waren, gab es außerdem noch eine geführte Wanderung in das wunderschöne Saaletal.

Nicht zuletzt möchte ich hier Richards Anteil am Gelingen des Festes hervorheben. Ich habe miterlebt, wie er zwei Monate lang herumtelefoniert hat und logistische Probleme lösen musste.

Wo bekommen wir die Technik her? Und dann: Wo den Techniker? Wie kriegen wir das mit dem Kulturhaus hin, obwohl Samstag Einschulung ist? Wo bringen wir die Leute unter? Was machen wir, wenn es mehr als zweihundert werden? Und was machen wir, wenn weniger als hundert kommen?

Es kamen über 150, aber viele von ihnen konnten nicht den vollen Beitrag zahlen. Am Samstag zog es etliche Menschen aus der näheren Umgebung nach Könnern. Nicht nur die Frauen vom Hallischen Chor MissKlang, welche uns mit ihrem Auftritt erfreuten, äußerten sich euphorisch über die Atmosphäre.

Klein aber fein. Essen, Seminare und Workshops (insbesondere die Kletterer aus Berlin!) und die kulturellen Beiträge boten was für Leib und Seele. Das war Luxus. Allerdings hat dieser, wie fast alles Schöne, seinen Preis. Und so kommt es, dass das 35. Geburtstagsfest doch etwas teurer ausgefallen ist. Einziger Nachteil im Osten: Die Stiftungen hier sind nicht so spendabel wie andernorts.

Ein negatives Ergebnis des 35 Jahre GWR-Festes ist nun ein Minus von 3.000 Euro. Um diese Verluste zu reduzieren, bitten wir herzlich um Spenden. Überweist sie bitte mit dem Betreff “GWR-Fest” auf das GWR-Konto: Kto. Nr. 266 57-207, BLZ 20010020, Postbank Hamburg.

Vielen Dank dafür von allen Gästen, den auftretenden Künstlerinnen und Künstlern, der Redaktion und dem HerausgeberInnenkreis der Graswurzelrevolution.

Anmerkungen

17 Radiointerviews zur 35-jährigen Geschichte der GWR findet Ihr, wenn Ihr auf www.freie-radios.net den Suchbegriff "Graswurzel" eingebt.

Es gibt noch Plakate gegen Spende zu verschicken. (ab 10 Euro) Infos dazu unter: www.attac.de/villa