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Blues der Städte oder Die Bewegung 2. Juni

Blues der Städte. Die Bewegung 2. Juni – eine sozialrevolutionäre Geschichte

| Vera Bianchi

Roman Danyluk hat mit „Blues der Städte“ die erste umfassende Untersuchung über die Bewegung 2. Juni vorgelegt. Diese wurde im Januar 1972 von Mitgliedern verschiedener linker militanter Gruppen gegründet und konnte in den 1970er Jahren als eine Art „kleine Schwester der RAF“ gelten. Von der Geschichtsschreibung wurde sie bislang vernachlässigt, was erstmal auch kein Nachteil ist – zumindest, wenn man sich die Parameter der herrschenden Geschichtsschreibung über linke Militanz zu Gemüte führt. In ihrer Ausrichtung und internen Organisation wich die Bewegung 2. Juni von der RAF ab. Während die Mitglieder der Roten Armee Fraktion in der Illegalität lebten, setzte die Bewegung 2. Juni auf eine Mischung aus legalen und illegalen Aktionen und auf die Zusammenarbeit von legal lebenden mit untergetauchten AktivistInnen. Statt des hierarchisch-leninistischen Aufbaus der RAF mit klarem Profil verstand sich die Bewegung 2. Juni als semi-anarchistische und gerade nicht-hierarchische Gruppe.

Roman Danyluk widmet der Vorgeschichte, die er in einem sozialrevolutionären Horizont im Geist von Georg Büchner sieht, mehr als ein Drittel des Buches. Darauf folgt die Geschichte und Praxis der Gruppe von 1972 bis zu ihrer Auflösung 1980 sowie die Darstellung ihres theoretischen Ansatzes. Nicht zu kurz kommt die Darstellung der staatlichen Reaktion und Repression. Dabei geht der Autor an vielen Stellen auf die Situation von Frauen in der BRD sowie auf die Positionen und Aktionen von Aktivistinnen ein. Am Ende des Buches widmet Danyluk in sehr instruktiver Weise den Kurzbiografien von 80 AktivistInnen der Bewegung einen ganzen Abschnitt: So viele Leute haben sich damals unter nicht geringem Risiko, ihr Leben zu verlieren oder in Haft zu verbringen, für eine praktisch werdende fundamentale Kritik an den herrschenden Verhältnissen engagiert.

Es zeichnet den Autor aus, dass er sein Buch gut lesbar und aus einer empathischen Position geschrieben hat; so werden die Bewegung 2. Juni und die RAF durchgängig als Stadtguerilla bzw. militante Gruppen bezeichnet, und der Autor weist mehrfach auf das Ziel der Bewegung 2. Juni hin, „die radikale Linke wieder zu stärken, ihr politisches Bewusstsein zu schärfen und den revolutionären Willen in der Linken anzuheizen.“ (S.221) Streckenweise ist der Stil sogar bewegend, z.B. beim Werdegang und Tod von Georg von Rauch.

Die Kapitelstruktur im Buch ist leider manchmal etwas unübersichtlich, und der Autor hat sich dafür entschieden, seine Vielzahl von zum Teil instruktiv in den Text gestreuten Hinweisen und Zitaten nicht mit Fußnoten oder sonstigen Quellenangaben zu belegen. Für jedeN neugierig ForschendeN ist sowas ein Ärgernis. Einerseits. Anderseits macht Danyluk auch dadurch klar, dass ihm nichts an einer scheinobjektiv-wissenschaftlichen Abhandlung liegt. Sein Buch, für das er über Jahre hinweg geforscht und Interviews mit ehemaligen Mitgliedern geführt hat, ist ganz aus einer gegenwärtigen aktivistischen Perspektive verfasst.

Dieses Buch ist ein informatives Werk, das in die Tiefe geht und die Bewegung 2. Juni in die soziohistorischen Umstände einbettet.

Roman Danyluk: Blues der Städte. Die Bewegung 2. Juni – eine sozialrevolutionäre Geschichte, Edition AV, Bodenburg 2019, 546 S., 20 Euro, ISBN: 3868412263

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.