libertäre buchseiten

Frauenkörper als Schlachtfeld

„Gerne will ich wieder ins Bordell gehen...“ Maria K.s „freiwillige“ Meldung für ein Wehrmachtsbordell

| Monika Kupczyk

In ihrem Buch „Gerne will ich wieder ins Bordell gehen…“ Maria K.s „freiwillige“ Meldung für ein Wehrmachtsbordell beschreibt Anne S. Respondek das System der Wehrmachtsbordelle, die während des Zweiten Weltkriegs in den besetzten Gebieten errichtet wurden. Anhand zahlreicher Archiv-Dokumente zeigt die Historikerin wie die Anwerbung und Verbringung von Frauen in Bordelle für deutsche Soldaten organisiert wurde. Durch die detailierte Rekonstruktion der Lebenssituation von Maria K. beleuchtet das Buch wie dabei „Freiwilligkeit“ durch die staatlichen Behörden konstruiert wird.

Während der Besatzung Polens 1939 wird Maria K. aufgrund ihrer prekären Arbeits- und Lebenslage von den Behörden der „Gewerbsunzucht“ angeklagt. Als potentielle „Ansteckungsquelle“ für Geschlechtskrankheiten gebrandmarkt, steht sie unter Aufsicht unter anderem von Gesundheitsbehörden, Kriminalpolizei und Gestapo. Jeder Versuch dieser Kontrolle zu entkommen endet mit Vorbeuge- oder Lagerhaft. Mutmaßungen, dass sie mit einem deutschen Soldaten verkehrt und dafür bezahlt wird (was die Rassenideologie bedroht) führen zur Verurteilung als freie Prostituierte. Daraufhin wird Maria ins Wehrmachtsbordell verbracht, wo sie der staatlichen Kontrolle unterliegt. Wehrlos den deutschen Soldaten ausgeliefert, soll Maria der „Geschlechtsnot“ in einem Wehrmachtsbordell entgegenwirken und somit den Zielen des nationalsozialistischen Staates dienen.

Diese Objektifizierung des Frauenkörpers geht einher mit dem Bild der Frauen und deren untergeordneten Rolle in der patriarchal-bürgerlichen Gesellschaft. Dieses sexistische Frauenbild wird nicht selten um klassistische und im Nationalsozialismus zusätzlich um rassistische Komponenten ergänzt. Als Frau erlebt Maria im Bordell neben der sexualisierten Gewalt auch weitere Demütigungen. Als „Slawin“ gilt sie nicht nur als Gegnerin im Krieg, zusätzlich stellvertretend als „das Andere“. Die Erschaffung der Wehrmachtsbordelle durch den Staat hat   Vergewaltigungen als Teil der patriarchalen Kriegsführung legitimiert. Durch die Institutionalisierung des Systems von Wehrmachtsbordellen wurde eine „Normalität“ erschaffen, d.h. das frauenfeindliche Bild der patriarchal-bürgerlichen Gesellschaft und damit verbundene geschlechtliche Machtverhälnisse aufrecht erhalten. Die „Besucher“ des Bordells, wie deutsche Soldaten verharmlosend genannt wurden, hatten dadurch die Möglichkeit ungestraft über Frauen zu verfügen, die sich „freiwillig“ ins Bordell gemeldet haben. In dieser staatlich organisierten Massenvergewaltigung handelten also die Wehrmachtsoldaten nicht nur als individuelle Täter, sondern auch im Namen der Besatzungsmacht. Der Frauenkörper wurde also zum Schlachfeld während des Kriegs gemacht. Die Brutalität im Umgang mit den Frauen geht aus vielen in dem Buch zitierten Soldatenberichten hervor. Diese beschreiben nicht nur das Bordellleben und den dehumanisierenden Umgang mit den Frauen, sondern auch die Sichtweise, dass die Situation der Frauen selbstverschuldet sei. Es fand also eine Täter-Opfer-Umkehrung statt.

Durch den Mechanismus der staatlichen Selektion, Kontrolle und Disziplinierung, der auf Mutmaßungen, Drohungen und Schickanen basierte, wurden Frauen, die als prostitutionsverdächtig galten, in die Zwangsprostitution hinein manövriert. So wurde eine junge Polin, die im Cafe arbeitete, zu einer Zwangsprostituierten. Um das tägliche Leid im Bordell auszuhalten, suchte Maria den Ausweg im Alkoholismus. Als sie es nicht mehr aushalten konnte, floh sie. Am Ende wurde sie als „Asoziale“ stigmatisiert und nach Auschwitz geschickt, da sie sich dem System nicht fügen wollte.

Die Historikerin Respondek deckt den Mythos der „Freiwilligkeit“ der Frauen in den Wehrmachtsbordellen auf und weist darauf hin, dass er sich in fehlender Annerkenung der Opfer weiter manifestiert. Der Staat hat dem Ganzen den Anschein der Normalität gegeben und das Verhalten der deutschen Soldaten, die ungestraft über Frauen verfügten, legitimiert. Wie es die Autorin zutreffend zusammenfasst: „Alleine das Wissen darum ist schon eine Demütigung. Der Angriff auf eine Frau ist nie nur der Angriff auf eine Frau. Er meint immer alle Frauen.“

Anne S. Respondek: „Gerne will ich wieder ins Bordell gehen...“ Maria K.s „freiwillige“ Meldung für ein Wehrmachtsbordell, Marta Press, Hamburg 2019, 280 Seiten, ISBN 978-3-944442-73-0, 34 Euro

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.