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„Mein größter Stolz ist es, überlebt zu haben ohne jemanden zu hintergehen oder jemandem zu schaden.“

Mauthausen. Eine Graphic Novel

| Jochen Knoblauch

 Ein Comic über einen Spanier im KZ Mauthausen

Spätestens seit Art Spiegelmans „Maus“ von 1989 ist die Thematisierung  der NS-Verbrechen  auch für das Medium Comic – oder heute feiner ausgedrückt: Graphic Novel – kein großes Hindernis mehr. Im vorliegenden Buch „Mauthausen“ von Jordi Peidro, wird die Geschichte des spanischen CNT-Mitglieds Francisco Aura Boronat (1918-2018) erzählt, der das KZ Mauthausen überlebte.

Beginnend mit den Bildern der Gefangenenlager 1993 auf dem Balkan, erzählt Paco (spanischer Kurzname für Francisco) seine Geschichte, wie er in das KZ Mauthausen kam und es überlebte. Als Mitglied der CNT meldetesich Paco als knapp 18jähriger freiwillig an die Front , um Madrid gegen den faschistischen Putsch zu verteidigen. Nach dem Sieg Francos folgte die Flucht nach Frankreich, wo er in diversen Lagern interniert wurde und sich dann 1939 den ausländischen Arbeitskompanien zur Errichtung der Maginot-Linie anbot. Es folgte die Gefangenschaft durch deutsche Truppen und die Deportation ins KZ Mauthausen, 20 Kilometer von Linz entfernt. Mauthausen war das größte KZ auf österreichischem Boden.

Von den ca. 200.000 Deportierten aus rund 30 Ländern starben hier in den Steinbrüchen nahezu die Hälfte durch das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“. Menschenunwürdige Zustände und an Grausamkeiten kaum zu überbietende Wachmannschaften prägten dort den Alltag. Wer die Befreiung des Lagers durch die US-Truppen noch erlebte, war meist physisch und psychisch am Ende. In Mauthausen waren ca. 7.000 spanische Republikaner inhaftiert, von denen mehr als 4.200 ermordet wurden.

Pacos Rückreise zu Verwandten in Frankreich, die ihn aufnahmen, sowie seine spätere Rückkehr 1953 nach Spanien, werden nur noch in kurzen Kapiteln abgehandelt. Berührend sind im Anhang die kurzen, liebevollen Berichte seiner drei Kinder, die die Nachwehen einer geraubten und entmenschlichten Jugend ihres Vaters zu spüren bekamen.

Die Farben des Comics sind – entgegen dem Thema – meist warme, rot, orange oder braune Töne. Mitunter ist es etwas schwierig, unter den vielen „Spitznasen“ auch die Hauptfigur zu identifizieren, aber insgesamt ein fesselndes und graphisch gelungenes Werk.

Diese Graphic Novel erschien im Original 2016 in Spanien und 2018 in deutscher Übersetzung in Wien bei bahoe books. Dass die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn jetzt eine preiswerte Taschenbuch-Ausgabe herausbringt, ist sicherlich lobenswert, wenngleich ich etwas störend empfand, dass sich mehrfach entschuldigt wurde. Es beginnt mit der „Bundeszentrale“, die im Impressum darstellt: „Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen trägt der Autor die Verantwortung.“ Und dann folgt auf S. 17 die Aussage Pacos: „Obwohl ich der Gewerkschaft CNT angehörte, war mein Interesse kein politisches.“

Verwirrend sind auch bei den Texten von Pacos Kindern die widersprüchlichen Aussagen   über ihre Kindheit in der Kleinstadt Alcoy in der Provinz Alicante, wenn die eine Tochter, Carmen Aura, berichtet: „Nie sprach man über Politik, niemals fielen Kommentare. Es war einfach so, als ob das Leben außerhalb unseres Alltags und unserer Familie keine Bedeutung hätte.“ Dagegen steht die Aussage von Lucia: „Ich habe meinen Vater immer darüber sprechen gehört [über Mauthausen]. In einer ruhigen Art, ohne Hass oder Groll, aber mit fester Überzeugung, dass man kennenlernen müsse, was dort geschehen ist, damit es nie wieder passieren kann.“ Und das alles vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Verdrängung des Spanischen Bürgerkrieges und der Präsenz des Franco-Regimes, selbst nach dessen Tod.

Wundersam erschien mir auch die Szene, wo Paco und ein Mitgefangener erleben, wie ein Jude von zwei Wachleuten zu Tode gebracht wird, der um sein Leben bettelt und, da er ein „sehr reicher“ Jude war, eben seine Besitztümer für sein Leben anbietet. Die ausländischen Gefangenen hatten mit den jüdischen in Mauthausen (wozu bis zu 52 Nebenlager zählten) wenig Kontakt. Und wenn, dann eben mit „sehr reichen“ Juden. Nun gut, Spanien und der Holocaust, oder Spanien und das Judentum sind ein Kapitel für sich, aber ich denke, diese hier beschriebene Episode im Comic hätte man sich auch schenken können, denn auch ohne den Aspekt des Holocaust war Mauthausen die Hölle für alle Inhaftierten.

Was auf alle Fälle bleibt, ist die Tatsache, dass hier  in einer besonders für Jugendliche ansprechenden Aufmachung die Geschichte eines Zeitzeugen  erzählt wird, die die  tiefen Abgründe der NS-Ideologie aufzeigt. Und dass es einen so gut wie „unbeteiligten“ Menschen wie Paco im fernen Spanien treffen kann, der aus einer Notlage als 18jähriger eine Entscheidung traf, die ihm seine Jugend raubte. Und nicht zuletzt der Schwur der Überlebenden von Mauthausen, der mit dem Absatz endet:

„Wir werden immer gedenken, mit welch großen blutigen Opfern aller Nationen diese neue Welt erkämpft wurde. Im Gedenken an das vergossene Blut aller Völker, im Gedenken an die Millionen durch den Nazifaschismus ermordeten Brüder geloben wir, dass wir diesen Weg nie verlassen werden. Auf den sicheren Grundlagen internationaler Gemeinschaft wollen wir das schönste Denkmal, das wir den gefallenen Soldaten der Freiheit setzen können, errichten: DIE WELT DES FREIEN MENSCHEN. Wir wenden uns an die ganze Welt mit dem Ruf: Helft uns bei dieser Arbeit. Es lebe die internationale Solidarität! Es lebe die Freiheit!“

Jordi Peidro (Übersetzung: Manfred Gmeiner): Mauthausen. Eine Graphic Novel,  Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2019, 198 S., 7 Euro, Bestellnummer: 10402  / bahoebooks 2018, 200 S., Hardcover, 19 Euro, ISBN 978-3-903022-88-1

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.