Pflegekammer in NRW, Nein Danke!

| Ulrich Sigrist, Monika Sonnenberg

Pflegekammer06
Foto: Konrad Kisse

Nicht erst seit Corona ist bekannt, dass Pflegekräfte in Deutschland überlastet sind. Die politische Antwort darauf ist die Einführung einer Pflegekammer. Was sich im ersten Moment so gut anhört – Stimme der Pflege, Interessenvertretung der Pflegekräfte u.ä. – entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als ein Tritt in den Allerwertesten der Pflegekräfte, die gestern noch beklatscht wurden! Danke, nein!

Viele von uns sind mehr als sauer. Tausende Pflegekräfte haben sich in Niedersachen und Schleswig-Holstein erfolgreich gegen die Einführung einer Pflegekammer gewehrt. Dort wird sie wieder abgewickelt. Aber in NRW möchte man uns auf Grund einer Befragung von 1500 von über 200 000 Pflegekräften trotzdem in die Kammer zwingen. 50% dieser 1500 waren entweder gar nicht informiert, was Pflegekammer bedeutet oder sie hatten mal davon gehört.

Eine Kammer darf vom Staat nur gegründet werden, wenn sie eine Aufgabe des Staates übernimmt! Die Aufgabe der Pflegekammer ist: Sicherstellung der professionellen Pflege der Bevölkerung. Wir sollen also für den Staat ein Problem lösen, das genau dieser Staat über Jahrzehnte durch politische Rahmenbedingungen erst hervorgebracht hat. Danke, nein!

Dazu wird behauptet, dass die Kammer etwas für uns tue. Es wird von 4000€ Einstiegsgehalt gesprochen, besseren Arbeitsbedingungen usw. Dabei sind genau dies gar nicht die Aufgaben der Kammer! Die Kammer könnte auch rosa Einhörner fördern, der Erfolg wäre derselbe! Danke, nein!

Demonstration gegen die Pflegekammer, Foto: Konrad Kisse

Pflegekammer ist nicht in der Lage unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Pflegekammer kann nicht die Arbeitgeber sanktionieren. Pflegekammer verhandelt keine Tarife. Pflegekammer hat auch politisch nur so viel Einfluss wie Politik das zulässt. Ausgerechnet im obersten Gremium der Selbstverwaltung hat sie kein Stimmrecht. Auch im Hinblick auf Pflegepersonalbemessungsgrenzen hat sie keinen Einfluss! Aber, sie kann uns sanktionieren. Sie wird uns lebenslang als Mitglieder behalten auch über die Rente hinaus müssen wir Mitglied bleiben. Überhaupt nicht klar ist, ob wir Fortbildungen zukünftig in unserer Freizeit absolvieren und bezahlen müssen. Die Pflegekammer wäre nämlich für Fortbildung zuständig. Bisher hat der Arbeitgeber diese angeboten und auch bezahlt. Pflegekammer registriert uns mit allen Daten. Man nimmt uns die Gelegenheit über unsere Daten frei zu verfügen. Da der Datenaustausch zwischen Arbeitgeber und einer Behörde stattfände, sei der Datenschutz grundsätzlich gewährleistet. Danke, nein!

Wir sind schon heute nicht mehr in der Lage, die uns bekannten pflegefachlichen Standards umzusetzen. Nicht weil sie uns nicht bekannt sind, sondern weil einfach die Zeit für viele Dinge fehlt, da es zu wenig Personal gibt. Da helfen keine weiteren pflegefachlichen oder berufsethischen Standards. Im Gegenteil, das erzeugt nur noch weiteren Druck. Auf so eine Interessenvertretung können wir verzichten!

Die Politik ist eine Aufgabe inklusive der Kosten los und hat dazu noch eine Institution, auf die sie verweisen kann und wird, wenn es um die mangelhafte pflegerische Versorgung der Bevölkerung geht – siehe demografischer Wandel und auch in künftigen Pandemiezeiten! Nein Danke!

Die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ist eines der bedeutendsten und schwerwiegendsten Themen der Zukunft. Uns Pflegekräften diese Aufgabe zu übertragen und das auch noch als großen Wurf zu verkaufen, ist unter den bekannten Rahmenbedingungen ein echter Schlag ins Gesicht! Danke, nein!

Foto: Konrad Kisse

Eine Vollbefragung zur Pflegekammer wäre das Mindeste. Beide Pflegekammern, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein, haben aufgrund der Pflichtmitgliedschaft, der Kosten, mangelnder Transparenz in der Gremienarbeit und der mangelnden Einflussmöglichkeit auf die akuten Probleme in der Pflege Gegenwind bekommen und sind nach einer Befragung der Pflegenden abgewählt worden. Beide Kammern werden jetzt aufgelöst. Dies war ein großer Erfolg der Kammerskeptiker in NDS und S-H.

Längst liegen der Politik gute Instrumente zur Personalbemessung vor, um unsere Rahmenbedingungen zu ändern und wirkliche Wertschätzung zu zeigen. Was fehlt ist der politische Wille! Da hilft auch keine Kammer. Da war uns das Klatschen fast lieber, hat zwar auch kein Geld gebracht oder unsere Arbeitsbedingungen verbessert, aber hat uns wenigstens kein Geld gekostet!

Bielefelder Appell – 2021-Update.pdf
Pressemitteilung des „Bielefelder Appell“ vom 29.07.2021.pdf.

Flyer
Flyer: www.kammergegner.de Seite 1
Flyer: www.kammergegner.de Seite 2