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Der Kampf gegen Union Busting

Willkürliche Gerichtsverfahren bedrohen die unabhängige Organisierung von Arbeiter*innen im Betrieb

| Jessica Reisner & Elmar Wigand

Union Busting? Der aus dem Englischen kommende Begriff bedeutet übersetzt Gewerkschaften bekämpfen, sprengen, zerstören. Gemeint ist das systematische, professionell organisierte Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen, die Be- oder Verhinderung von Betriebsratsarbeit. Für die Rechte von lohnabhängig Beschäftigten und Betriebsräten, die von Union Busting, Lohndumping und Lohnraub betroffen sind, setzt sich der in Köln sitzende gemeinnützige Verein „Aktion gegen Arbeitsunrecht e.V.“ ein, deren Arbeit Jessica Reisner und Elmar Wigand im folgenden Artikel vorstellen. (GWR-Red.).

„Kommando Müller“, das klingt ein bisschen nach Comic. Die Panzerknacker aus Entenhausen, Lucky Luke und die Daltons. Tatsächlich hieß so in den 1980er Jahren eine interne Stabsstelle von McDonalds, die mit Zuckerbrot und Peitsche – üppigen Abfindungen und knallharten Zermürbungsstrategien – jegliche Betriebsratsgründung in Filialen der Hamburger-Kette verhinderte. Diese hausinterne Fertigmacher-Abteilung war nach dem damaligen Personaldirektor Bernd Müller benannt. Der US-amerikanische Junk-Food-Pionier war somit nicht nur Wegbereiter des Franchise-Systems in Deutschland, sondern auch Vorreiter des Union Busting. Bis heute gibt es nur einige wenige Alibi-Betriebsräte bei McDonalds. Deren Funktion dürfte es wohl sein, dass McDonalds nicht mehr öffentlich „betriebsratsfreie Zone“ genannt werden kann. Auch wenn das weitgehend der Fall ist.

Ab Ende der 1990er-Jahre begann, parallel zur Finanzialisierung der Wirtschaft und zum verstärkten Engagement aggressiver Finanzinvestoren und Unternehmensberatungen in Deutschland, ein kometenhafter Aufstieg von Wirtschaftskanzleien und spezialisierten Arbeitsrechtsboutiquen. Seither lagern Konzerne das schmutzige Geschäft des Union Busting, das oft in der Grauzone zur Kriminalität stattfindet, meist aus an eine wild wachsende Industrie hoch bezahlter Dienstleister, in deren Zentrum Jurist*innen stehen. Allerdings haben US-Konzerne wie UPS und Amazon immer noch große hausinterne Union-Busting-Abteilungen. Oft heißen sie „Labor Relations Department“ (Abteilung für Arbeitsbeziehungen) oder so ähnlich.

Die auf Seiten des Unternehmens beteiligten Kanzleien haben kein Interesse an Deeskalation. Jeder weitere, meist zentimeterdicke Schriftsatz spült Honorar in ihre Kassen.

Anders als in den USA war Union Busting, die systematische Behinderung von Betriebsratsräten (1) und gewerkschaftlicher Organisierung, in Deutschland kein Forschungsgegenstand. Aus den 1980er und 1990er Jahren liegen wenig Berichte und keine Zahlen vor. Bis der Begriff Union Busting sich in Deutschland, zumindest in gewerkschaftsnahen Kreisen durchsetzte, dauerte es schließlich noch fast 30 Jahre. Die erste uns bekannte Erwähnung des Begriffs „Union Busting“ erfolgte 1999 durch den Trotzkisten und langjährigen Chefredakteur der IG-Metall-Zeitschrift Metall, Jakob Moneta. Er bezog sich ebenfalls auf McDonalds. (2)
Zum Union Busting gehört immer auch der Kampf gegen freie Berichterstattung und Konzernkritik mit Hilfe von Public Relations – um Medien mit positiven Meldungen, irreführenden Darstellungen oder Falschinformationen zu versorgen – und Agenda Cutting, also Methoden, Berichterstattung zu unterbinden und die Frage der innerbetrieblichen Demokratie von der Tagesordnung zu nehmen. Medien(verhinderungs)kanzleien arbeiten daran, Kritiker*innen mit willkürlichen Klagen zu überziehen. Das mussten wir in den letzten Monaten verstärkt erleben, als wir uns mit dem Supermarkt-Lieferdienst Flink beschäftigten. 2014 gründeten Publizisten, Juristen, Gewerkschafter*innen und Betriebsratsmitglieder die „Aktion gegen Arbeitsunrecht – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb“. Auslöser war eine Studie der Vereinsmitbegründer Elmar Wigand und Werner Rügemer für die IG-Metall nahe Otto-Brenner-Stiftung.

Union Busting statt Mobbing – Begriffe helfen zu begreifen

Es gehört zu den wichtigsten Erfolgen der Initiative, dass wir den Begriff Union Busting im deutschen Sprachraum durchsetzen konnten. Denn es ist für Betroffene nach unserer Einschätzung enorm wichtig, ihr Schicksal auf einen Begriff bringen zu können. Den Konflikt als breit angelegten strategischen Angriff zu begreifen, nicht als individuelles Schicksal und erst recht nicht als etwas diffuses wie „Mobbing“ – das bis dahin vorherrschende, irreführende Narrativ. Der Begriff Union Busting setzt, im Gegensatz zum opferzentrierten „Mobbing“, die Täter*innen und ihre kriminellen, rechtsnihilistischen Motive ins Rampenlicht.

Derzeit liegen nach unserer Einschätzung vier Methoden im Trend:

  1. Die Zersplitterung von Belegschaften,
  2. sogenannte alternative Arbeitnehmervertretungen,
  3. gelbe Listen und managementhörige Betriebsräte,
  4. massives Vorgehen gegen kritische Berichterstattung (SLAPP) mithilfe von Medienkanzleien.
Was ist Union Busting? Wie geht das?

Betriebsratsmitglieder und -gründer*innen genießen mit gutem Grund besonderen Kündigungsschutz. Theoretisch. In der Praxis werden sie auf verschiedene Weise systematisch zermürbt. Dazu gehören unzählige Gerichtsverfahren. Lohnabhängige, die das Recht eigentlich zu 100 % auf ihrer Seite haben, sehen sich plötzlich Wellen von Abmahnungen, Hausverboten, Kündigungsversuchen mit infamen Konstruktionen bis zum Prozessbetrug ausgesetzt. Oft werden sie durch willkürliche Lohnkürzungen und Kündigungsversuche existentiell bedroht. Hinzu kommen Verleumdungskampagnen in der Belegschaft. Ziel ist es, Einzelne aus dem Kreis der Betriebsratsgründer*innen oder einem bestehenden Betriebsrat herauszubrechen.

Solche massenhaft und rechtsmissbräuchlich losgetretenen Verfahren gegen Beschäftigte und Betriebsräte nutzen aggressive Unternehmen auch dann, wenn sie verloren gehen. Der Weg ist das Ziel: Die Prozesswelle erzeugt einerseits Stress bei den Betroffenen und andererseits in der Belegschaft ein Bild, als seien Betriebsratsmitglieder notorische Prozesshansel, Querulant*innen, Opfer und Jammerlappen.

Die auf Seiten des Unternehmens beteiligten Kanzleien haben kein Interesse an Deeskalation. Jeder weitere, meist zentimeterdicke Schriftsatz spült Honorar in ihre Kassen. Unternehmen, die unabhängige Interessenvertretung unterlaufen wollen, lassen sich nicht lumpen. Ihre „Kriegskassen“ sind auch deshalb so gut gefüllt, weil Deutschland ein streik-armes Land ist. Union Busting soll präventiv dafür sorgen, dass dem so bleibt.

Straffreiheit – komatöse Staatsanwaltschaften und fehlender politischer Wille

Obwohl Behinderung von Betriebsratsarbeit strafbar ist, funktioniert es immer noch wie geschmiert. §1 des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht die Gründung von Betriebsräten in allen Betrieben mit mehr als fünf ständig Beschäftigten routinemäßig vor; auf Behinderung von Betriebsratsarbeit steht nach §119 BetrVG bis zu einem Jahr Gefängnis. Dennoch dürften Verstöße gegen §119 BetrVG zu den am wenigsten verfolgten Straftaten in Deutschland gehören. Verurteilungen gibt es so gut wie nie, und wenn, dann werden bestenfalls Strafzahlungen fällig, die die Unternehmer*innen aus der Portokasse zahlen. Die höchsten Summen, die wir bisher dokumentieren konnten, drehen sich um die 20.000 Euro. Im Vergleich zu den aufgerufenen Anwaltshonoraren der Gegenseite ist das lächerlich.

Elmar Wigand (mit Plakat) und sein Anwalt Martin Bechert (rechts) im Kreise solidarischer Unterstützer und Prozessbeobachter*innen. – Foto: arbeitsunrecht.de

Bevor es zu einem Prozess kommt, stellen Staatsanwaltschaften die Verfahren in der Regel ein. Staatsanwältinnen und -anwälte erkennen Union Busting selbst dann oft nicht, wenn ihnen der Fall auf einem Silbertablett serviert wird. Oder sie sind schlicht zu faul.

Inzwischen will der Gesetzgeber nachbessern. Die Ampelkoalition plant, die Behinderung von Betriebsratsarbeit zum Offizialdelikt zu erheben. Dann muss eine Staatsanwaltschaft ermitteln, sobald sie Kenntnis von einem Fall erlangt. Das kann auch durch einen Artikel in der GWR geschehen, der anonym zugestellt wird. Bislang kann Betriebsratsbehinderung als eingeschränktes Antragsdelikt nur von betroffenen Betriebsräten und beteiligten Gewerkschaften zur Anzeige gebracht werden.

Flink + Pusch Wahlig – Pseudo-Betriebsräte und SLAPP

Aggressive Unternehmen, wie z.B. Flink, versuchen mittlerweile nicht einmal mehr sich den Anschein zu geben, als wollten sie sich beim Thema Mitbestimmung auf dem Boden des Betriebsverfassungsgesetzes bewegen.
Neben der Zersplitterung der Belegschaft durch die Gründung unzähliger sogenannter „Flink Expansion GmbHs“, wirbt das Management für sogenannte „Operation Comittees“ (Betriebsausschüsse) – von der Geschäftsleitung ernannte Pseudo-Betriebsräte anstelle echter Betriebsräte, die auf dem Papier noch weniger Legitimation und Durchsetzungskraft haben als die Deutsche Arbeitsfront im Nationalsozialismus. Zudem investiert das Start-up, das bislang über drei Milliarden Euro an Investorengeldern verbrannt haben dürfte, massiv in die Unterdrückung kritischer Berichterstattung. Die notorische Berliner Medienverhinderungskanzlei Schertz Bergmann geht inzwischen ebenso gegen die Berichterstattung der Aktion gegen Arbeitsunrecht vor wie die Kanzlei Irle Moser, die vom Union Buster Tobias Pusch auf Elmar Wigand, die Radio-Sendung arbeitsunrecht FM und die Webseite www.arbeitsunrecht.de, angesetzt wurde.

Nachdem wir sie live und in Schriftform erlebt haben, können wir sagen: Der Hardcore-Jurist Tobias Pusch und seine Arbeitsrechtskanzlei Pusch Wahlig zählen zu den gefährlichsten Union Bustern Deutschlands. Sie untergraben nicht nur bei Flink Betriebsratsgründungen, sie sind auch beim Autoverleiher Sixt und dem Getränkelieferdienst Flaschenpost federführend. Und das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Immerhin weist die Kanzlei-Webseite 66 Anwält*innen auf, die alle durch Mandate ernährt werden wollen. Da dürfte einiges zusammen kommen.

Auch hier ist es wichtig, auf einen Begriff zu kommen. In den USA ist der Begriff SLAPP etabliert. Das ist einerseits die Abkürzung für „Strategic lawsuit against public participation“ (Strategische Prozessführung gegen öffentliche Beteiligung), andererseits heißt Slap „Ohrfeige“. Die Methode, kritische Berichterstattung zu unterbinden, ähnelt strukturell der Betriebsratsbehinderung. SLAPP zielt darauf, Kritiker*innen zu stressen, einzuschüchtern und bestenfalls finanziell zu ruinieren. Medienkanzleien setzen aktive Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Initiativen und Journalist*innen mit Hilfe von Unterlassungsaufforderungen, Vertragsstrafen, Androhung von Schadenersatz und Strafverfahren finanziell massiv unter Druck. Dabei handelt es sich um einen Kampf mit sehr unterschiedlichen Ressourcen. Wie im Union Busting können Unternehmen ihre Anwaltskosten als gewinnmindernd absetzen. Privatpersonen, Initiativen und Nichtregierungsorganisationen dagegen bleiben auf den Kosten sitzen, selbst wenn sie die von den Unternehmen provozierten juristischen Auseinandersetzungen gewinnen. Deren dicke Schriftsätze zu bearbeiten kostet Zeit, die oftmals perfiden, hahnebüchenen bis absurden Konstruktionen zu beantworten, kostet Nerven und erzeugt nicht selten Gefühlszustände zwischen Brechreiz und Hass. Das ist der Zustand, in dem sie dich haben wollen. Du machst Fehler oder fängst an, aus Angst vor Fehlern und ständig neuen juristischen Nachstellungen, Themen zu vermeiden, zu umschiffen. Du entwickelst Angst und nennst irgendwann nicht mehr Ross und Reiter*in, kritisierst Unrecht und Ungerechtigkeiten nicht mehr in der gebotenen Schärfe, sondern nur noch in verklausulierter Form.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht konnte schon einige Unterlassungsaufforderungen abwehren. Darunter von so prominenten Unternehmen wie dem Großschlachter Tönnies, dem die Berichterstattung zu den Bedingungen der Werkvertragsarbeit in der Fleischindustrie missfiel. Tönnies hatte, wie Flink, auf die Medienkanzlei Schertz Bergmann gesetzt.
Einen Unterlassungsantrag von Flink und Schertz Bergmann vom September 2022 wehrte die Aktion gegen Arbeitsunrecht erfolgreich ab. Unter anderem wollte Flink nicht mit dem Begriff „Totschläger in Nadelstreifen“ in Zusammenhang gebracht werden, mit dem wir allerdings die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig bezeichneten. Das war jedoch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Um SLAPP-Angriffe abzuwehren, gilt es folgende vorläufige Faustregeln zu beachten:

  • Lass Dich nicht einschüchtern! Mach weiter! (Was schwerer getan als gesagt ist.) Mach Dir klar: Dass der Gegner dich bekämpft, zeigt, dass deine Kritik Wirkung zeigt. Du bist auf dem richtige Weg.
  • Such dir gute Anwält*innen, die dir den juristischen Kram abnehmen
  • Habe nicht zu viel Respekt vor dem Berufsstand der Ju-rist*innen und ihren Schriftsätzen! Nimm dir Anfeindungen, Lügen, Drohungen nicht zu sehr zu Herzen. Nimm sie vor allem nicht persönlich.
  • Beschäftige dich umso stärker mit dem betreffenden Konzern und seinen Dienstleistern, je mehr sie das zu verhindern suchen.
  • Nicht jammern, sondern organisieren! Bitte um Hilfe und Solidarität! Biete anderen Gleiches an!
  • Mach Deinen Fall öffentlich!
  • Schließ Dich mit anderen Betroffenen zusammen und gehe gemeinsam mit Ihnen strategisch vor.
Stress mit Pusch Wahlig, Schertz Bergmann, Irle Moser?

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht sucht in diesem Sinne Betroffene, die von Union Busting und SLAPP durch die Kanzleien Pusch Wahlig, Schertz Bergmann und Irle Moser betroffen sind oder waren.

(1) Betriebsräte in der GWR? Ihr hört richtig! Dass ein orthodoxer Flügel der anarchistischen Szene mit kategorischer Ablehnung von Betriebsräten dem Union Busting unfreiwillig in die Karten spielt, dass Betriebsräte sehr wohl Relikte der Novemberrevolution von 1918 sind, deren Potential zur Emanzipation der Werktätigen die Union Buster mit Recht mehr fürchten als viele Revolutionsromantiker*innen wahr haben wollen, führen wir in einem Folgeartikel gerne aus.
(2) Jakob Moneta: Gegen „Kapitalismus ohne Gewerkschaften“, in: SoZ – Sozialistische Zeitung, Nr. 17, 19.8.1999, S. 6, www.vsp-vernetzt.de/soz/991706.htm, abgerufen 29.3.2012

Jessica ist Campaignerin und Social Media Managerin, Elmar ist Pressesprecher der aktion ./. arbeitsunrecht. Er ist in Teilzeit für Flink gefahren und versucht, in Berlin einen Betriebsrat bei Flink zu gründen. Flink versucht, ihn aufgrund kritischer Berichterstattung loszuwerden.

Kontakt:
kontakt@arbeitsunrecht.de
Weitere Infos:
https://arbeitsunrecht.de

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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