Review

Superkraft Selbstermächtigung

Neu im Kino: Captain Marvel

| Nicolai Hagedorn

Marvel Studios' CAPTAIN MARVEL Carol Danvers/Captain Marvel (Brie Larson)

Die Marvel-Superheldin „Captain Marvel“ in der gleichnamigen neuen Episode aus dem Marvel-Universum ist, so viel vorweg, im Gegensatz zu der DC-Heldin „Wonder Woman“  tatsächlich eine solche.

Achtung: Der folgende Text enthält einige Informationen zum Film, die spoilern. Wer also ganz unbedarft ins Kino gehen will, sollte erst nach dem Kinobesuch weiterlesen.

Vers alias Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson) ist eine Kree-Soldatin, die in einem intergalaktischen Krieg gegen die Skrull kämpft. Sie stürzt auf die Erde der 90er Jahre, ohne den Planeten zu kennen. Allerdings erinnert sie sich bald bruchstückhaft daran, dass sie doch schon einmal hier gewesen sein muss. Auf der Erde haben sich die außerirdischen Skrull niedergelassen und es gilt, diese zu bekämpfen. Vers´ Mentor und wichtigste Bezugsperson Mar-Vell (Jude Law), Anführer einer Kree-Einheit, unterrichtet sie darin, ihre Superkräfte, die vor allem darin bestehen, mit den Händen zerstörerische Strahlen schießen zu können, sinnvoll, also nicht emotional, sondern bedacht einzusetzen.

Der Kampf der kosmischen Rassen tritt aber bald in den Hintergrund, Vers werden immer neue Geheimnisse offenbar, die ihren Blick auf die Dinge und vor allem auf sich selbst verändern. Gemeinsam mit dem S.H.I.E.L.D – Agenten Nick Fury (Samuel L. Jackson), erkundet sie die wahren Hintergründe des Krieges und die eigentlichen Zusammenhänge, die zu ihrer Rolle darin führten.

Dass “Captain Marvel” aus der üblichen Marvel-Stangenware herausragt, liegt in erster Linie daran, dass Drehbuchautorin und Co-Regisseurin Anna Boden (mit Ryan Fleck) erhebliche Brüche mit den Blockbuster-Konventionen wagt. Im Mittelpunkt steht dabei die im Gegensatz zu der völlig mißratenen Wonder Woman-Figur des letztjährigen DC-Versuchs eine Superheldin, die tatsächlich eine Emanzipationsgeschichte erlebt. Im Verlaufe der Filmhandlung erhellt sich ihre eigene Vergangenheit als Mensch und sie muss erkennen, dass Mar-Vell nicht der ist, für den sie ihn hält. Sie muss sich gegen ihn und ihre eigentlichen Verbündeten stellen.

Trailer zu Captain Marvel – Quelle: Youtube

Der Empowerment-Gedanke ist das zentrale Motiv des Films. Zunächst entzieht Mar-Vell ihr die Superkräfte („Was dir gegeben wurde, kann man dir auch wieder nehmen“), doch in einem ausführlich inszenierten Willensakt aktiviert sie ihre Kräfte selbst wieder und ist schließlich stärker als zuvor – jetzt nennt sie sich auch Carol und nicht mehr Vers. Das ist durchaus besonders, denn im Gegensatz zu ähnlichen Figuren ermächtigt sich Carol selbst, ohne auf (männlichen) Beistand angewiesen zu sein. Auch braucht es keine männliche (Selbst-)opferung, wie in Wonder Woman oder zuletzt Alita: Battle Angel, um Captain Marvel triumphieren zu lassen.

Später fordert Mar-Vell sie zum Kampf Mann gegen Frau. Er steckt die Waffen weg und hält ihr eine pathetische Ansprache nach dem Motto „Jetzt hast du die Chance, zu beweisen, wie stark du bist“ und so weiter. In der Szene wird die Hypermaskulinität der männlichen Figur beinahe karikaturesk überzeichnet. Breitbeinig und angriffslustig fordert er sie mit wildem Blick und bloßen Fäusten heraus, doch die Frau ballert ihn nur mit mildem Lächeln aus den Latschen und er landet schwer geschlagen am nächsten Fels. „Ich habe dir gar nichts zu beweisen“, erklärt sie ihm mitleidig, schleift ihn in sein Weltraumauto und jagt ihn zurück ins Weltall.

Es dürfte interessant sein, wie der Film von dem üblicherweise sehr männlichen Publikum aufgenommen wird, den Action-Hero-Fans dürfte so viel echte Frauen-Power kaum gefallen, bereits im Vorfeld des Filmstarts gab es wilde Diskussionen bezüglich der weiblichen Besetzung.

 

Und die Marvel-Machos werden weitere Rückschläge hinnehmen müssen. Carol Danvers, so Captain Marvels irdischer Name, zeigt null Fleisch, kein bißchen Haut, kein Geknutsche, nichts und eine Lovestory gibt es auch nicht, selbst ihr Mentor ist ihr emotional offenbar vollkommen egal. Gefühle zeigt sie nur gegenüber einer anderen Frau, aber auch das ganz unsexuell – es ist ihre beste Freundin. Auch setzen Boden/Fleck zurückhaltend auf Action- und Kampfszenen und konzentrieren sich vergleichsweise intensiv um die Entwicklung der, allerdings ziemlich kruden, Geschichte und pointierter Dialoge.

So ist „Captain Marvel“ trotz seines oftmals sehr hingezimmert wirkenden Plots, zu vieler Nebenfiguren, die zum Teil unmotiviert ins Drehbuch geschrieben wurden (wohl um die eingefleischten Fans etwas zu besänftigen), trotz einiger überflüssiger Sentimentalitäten und vor allem der unreflektierten Affirmation des Soldatischen ein herausragender Marvel-Film geworden. Was allerdings auch nicht besonders schwierig ist.

Captain Marvel - Spielfilm USA 2018 - Regie: Anna Boden, Ryan Fleck - mit Brie Larson, Samuel L. Jackson, Jude Law - 124 Min. - ab 7. März im Kino

Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Weitere Besprechungen von Büchern, Filmen und Musik finden sich in der Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.