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Sich fügen heißt lügen!

Erich Mühsam und die Bakuninhütte Ausstellung und Rahmenprogramm in Erfurt

| Ein Wanderfreund

Nach Stationen in den Meininger Museen (2015) und im Tivoli Gotha (2018) ist die Ausstellung über die Geschichte der Bakuninhütte, nahe Meiningen, seit dem 04.10.2020 im Erfurter Naturfreundehaus Charlotte Eisenblätter zu sehen. Bis zum 30.01.2021 können in Erfurt die den aktuellen Forschungsstand berücksichtigenden 25 Ausstellungsfahnen besichtigt werden. Eine Kooperation des Wandervereins Bakuninhütte e.V., dem Landesverband Thüringen der Naturfreunde, dem DGB – Region Thüringen, Arbeit und Leben Thüringen und der Sozialistischen Jugend – Die Falken in Erfurt organisierte seit Jahresbeginn die Ausstellung, welche von einem Veranstaltungsreigen umrahmt wird.

Liederabend in Meiningen und Ausstellungseröffnung in Erfurt

Nach einem Konzert am Vorabend in Meiningen mit musikalisch interpretierten Gedichten des anarchistischen Schriftstellers Erich Mühsam (1878 – 1934) von Isabel Neuenfeldt wurde am Sonntag, 04.10.2020, die Ausstellung „Sich Fügen heißt lügen! Erich Mühsam und die Bakuninhütte“ eröffnet. Auch die Eröffnung wurde musikalisch durch Isabel Neuenfeldt umrahmt (www.isaneu.de).

Knapp 50 Gäste nahmen an der Ausstellungseröffnung teil. Nicht alle Interessierten konnten sich an diesem Tag die Ausstellung ansehen, da die Teilnehmendenzahl coronabedingt begrenzt war. Um die Veranstaltung dennoch einem möglichst großen Personenkreis zugänglich zu machen, wurde ein Livestream vom Eröffnungsprogramm in einem zweiten Raum auf einem großen Screen gezeigt. Der Stream ist zu sehen unter: facebook.com/NaturfreundeThueringen/videos.

Die Stationen der Ausstellung

Einer Einführung in die Geschichte des Anarchismus und Syndikalismus folgt ein Streifzug durch Frühformen der alternativen Lebenskultur, den lebensreformerischen Welten: Wandervogel- und Vagabundenbewegung, Siedlungs- und Genossenschaftsbewegung, Re
formpädagogik, Antimilitarismus, Atheismus, Freie Liebe, Sexualhygiene und Vegetarismus. Mehrere Ausstellungsfahnen berichten über Erich Mühsams Leben und Werk und seinen wiederholten Besuchen in Meiningen. Natürlich wird auch die Geschichte der Bakuninhütte und ihres Erbauerkreises ausführlich dargestellt:

Die Bakuninhütte entstand in den 1920er Jahren auf einer Selbstversorgungsfläche hungernder Arbeiter*innen. Diese kamen aus Meiningen und Umgebung und waren überwiegend in der syndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD) organisiert. Auf dem einstigen Gemüsefeld wurde im Laufe der Jahre erst eine einfache Schutzhütte und später ein Steinhaus gebaut. Es gründete sich der „Siedlungsverein Gegenseitige Hilfe“.

Schnell verbreitete sich die Kunde von diesem wunderschönen Ort. Neben der sonntäglichen Nutzung als Ausflugsziel für Menschen aus der Region und als Urlaubsstätte für Arbeiter*innen aus dem damaligen Reichsgebiet, fanden überregionale Treffen u.a. der syndikalistisch-anarchistischen Jugend statt. 1932 wurde der letzte Erweiterungsbau begonnen.

Doch schon wenig später kam es zur Enteignung durch die Nationalsozialisten; bis 1945 diente die Bakuninhütte der SS, der NS-Jugend und Privatpersonen. Nach erneuter Enteignung wurde sie dem SED-Kreisvorstand Meiningen übertragen und erst landwirtschaftlich, später von der FDJ, dem Kulturbund und der Bereitschaftspolizei genutzt. Nach der Wende scheiterten Bemühungen um Rückübertragung und erst 2005 gelang es, das Anwesen zu erwerben. Seitdem bemüht sich der Wanderverein Bakuninhütte diesen Ort wieder der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die letzten Stationen veranschaulichen die Nutzung der Bakuninhütte nach 1933, nach 1945 und nach 1990 bis in die heutige Zeit.

Rahmenprogramm

Mit fünf Veranstaltungen werden einzelne Aspekte der Ausstellungsinhalte für Interessierte beleuchtet. Die Veranstaltungen werden ebenfalls als Livestream angeboten. Zwei seien hier kurz vorgestellt:

Dr. Dieter Nelles (Ruhr-Universität Bochum) berichtet über das illegale Netzwerk der ITF (Internationale Transportarbeiterföderation) in der NS-Zeit. Die in der ITF organisierten illegalen Gruppen der Eisenbahner, Seeleute, Binnenschiffer und Hafenarbeiter gehörten zu den aktivsten gewerkschaftlichen Widerstandsgruppen und bildeten programmatisch eine eigenständige Richtung des Arbeiterwiderstands. In dem Vortrag wird ein Überblick über den ITF-Widerstand von 1933-1945 gegeben und welche Rolle der Meininger Paul Hildebrandt darin einnahm.

Von Sömmerda in Thüringen, einem Zentrum der Rüstungsindustrie, handelt der Vortrag von PD Dr. Annegret Schüle (Gedenkort Topf & Söhne, Erfurt): Sömmerda wurde 1919 zu einer Hochburg der Freien Arbeiter-Union Deutschland (FAUD). Die anarchosyndikalistische Organisation verband eine revolutionäre Grundhaltung mit striktem Antizentralismus. Der Vortrag stellt diese außergewöhnliche Entwicklung vor, untersucht die Praxis der FAUD im Kampf gegen den Kapp-Putsch, die Rüstungsproduktion und Lohnabbau sowie bei Genossenschaftsprojekten und diskutiert den Umgang mit diesem Erbe in der DDR und im vereinigten Deutschland.

Wanderausstellung

Diese Ausstellung kann nun in zwei Varianten gegen eine Nutzungsgebühr ausgeliehen werden: Entweder auf Rollups oder mit Ausstellungsfahnen zum Hängen. Der Wanderverein Bakuninhütte stellt interessierten Orten gerne Pressetexte und Layout-Material für Plakat und Faltblatt zur Verfügung: https://bakuninhuette.de/geschichte/ausstellungen

Ein Wanderfreund

Kontakt:

ausstellung@bakuninhuette.de

Termine zur Ausstellung auf http://www.naturfreunde-thueringen.de/muehsam