unsichtbare frauen

Feministischer Streik – nicht ohne meine Gewerkschaft

AG Feministische Kämpfe in der FAU Dresden

| AG Feministische Kämpfe der FAU Dresden

Warum treten Frauen Gewerkschaften bei? Warum brauchen sie Gewerkschaften überhaupt? Und wenn ja, welche? Die AG „Feministische Kämpfe“ der „Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen-Union Dresden“ stellt sich vor und gibt Einblicke in ihre Aktivitäten und gewerkschaftliche Praxis. Die Gewerkschafter*innen machen ihre Arbeit und Erfahrungen sichtbar und beantworten die Frage, warum es getrennte Frauen*-Gruppe(n) innerhalb der Gewerkschaft gibt. (GWR-Red.)

Wir – die AG Feministische Kämpfe der FAU Dresden – wurden angefragt, ob wir für diese Ausgabe der GWR einen Artikel schreiben. Wir haben uns sehr über die Anfrage gefreut und… uns im gleichen Moment gefragt, wann wir das auch noch machen sollen. Gerade laufen die Vorbereitungen für den Aktions- und Streiktag am 8. März 2021 auf Hochtouren. Wir verbringen sehr viel Zeit in Onlinetreffen und nehmen daraus immer noch Aufgaben mit nach Hause – neben der Lohn- und Hausarbeit. Die Ressourcen für einen schönen, runden und analytischen Artikel sind also schlicht nicht da. Aber gleichzeitig wollten wir das machen und haben uns gedacht: Lassen wir doch die Leser:innen der GWR in unsere Arbeit, die wir sowieso machen, reingucken. Und dabei geht es nicht nur darum, was wir machen, sondern auch, wie wir das machen.

Feministischer Streik?

Seit Jahren wächst die internationale feministische Streikbewegung, und selbst in Deutschland ist sie mittlerweile angekommen. Viele Menschen machen sich also schon lange Gedanken darüber, wie feministischer Streik möglich gemacht werden kann. Was würden denn Frauen und Queers bestreiken? Wo arbeiten und lernen wir denn? Vielfach in den sogenannten „systemrelevanten“ Berufen, wie Krankenpflege, Soziale Arbeit und Bildung… Es sind Pflegeheime, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten. Es sind aber auch die Kneipentheken und Supermarktkassen. Und nicht nur das – vergessen wir nicht die vor allem von FLINTA (Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen) geleistete Haus- und Sorge-Arbeit, sei es im Job, zu Hause, in der Nachbar:innenschaft… Oft arbeiten wir eben nicht in einem klassischen Produktionsbetrieb, wo im Streikfall (hoffentlich) die gesamte Belegschaft Streikposten steht und mit verschränkten Armen das Werkstor bewacht. Wo das „Fließband“ still steht. Unsere Arbeit ist oft unsichtbar und wird erst dann sichtbar, wenn sie plötzlich nicht mehr geleistet wird. Deshalb also: STREIK!

Foto: AG Feministische Kämpfe der FAU Dresden

Um diesen für uns selbst und andere denkbar zu machen und praktisch werden zu lassen – nicht nur, aber auch am 8. März –, organisieren wir uns in der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiter_innen Union (FAU). Ohne bezahlte Funktionär_innen organisieren wir unsere Belange in lokalen Syndikaten selbst, versuchen mehr zu werden, um unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern und konkrete Probleme auf Arbeit, aber auch in Schule oder Nachbar:innenschaft anzugehen und zu lösen. Dabei steht der Gedanke im Hintergrund, langfristige Strukturen aufzubauen und zu erproben, die uns dazu in die Lage versetzen, den Kapitalismus zu überwinden und mit deren Hilfe wir eine andere Gesellschaft aufbauen können.

Die AG Feministische Kämpfe innerhalb der FAU Dresden gibt es seit Anfang 2017. Wir beschäftigen uns mit feministischen Themen und der Verbindung von Feminismus und Syndikalismus. Das wollen wir innerhalb und außerhalb des Syndikats voranbringen. Wir thematisieren Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht/Gender im Betrieb, im Alltag, aber auch im Syndikat. Wir entwickeln feministische Aktionsformen und setzen uns seit Ende 2018 mit der Frage auseinander, wie wir streikfähig werden. Und wir meinen tatsächlich Streik im Sinne massenhafter Arbeitsverweigerung.

Wir vernetzen uns mit anderen feministischen Zusammenhängen, einerseits lokal aber auch bundesweit. So existiert seit 2018 der bundesweite Arbeitskreis fem*FAU, in dem sich lokale feministische AGs und feministisch interessierte FAU-Mitglieder austauschen, weiterbilden und konkrete Aktionen planen.

Was haben wir in der AG bisher gemacht? Wir

  • haben die Streikrechtsbroschüre „Streiken ist unser gutes Recht“  mit rechtlichen und praktischen Tipps zur Arbeitsniederlegung mit erstellt
  • haben den Workshop „Wie sag ich‘s meiner Kollegin?“ zu Organisierung am Arbeitsplatz ausgearbeitet
  • haben den Vortrag „Feminismus und Gewerkschaft. Zwei Paar Schuhe oder der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“ als unseren Diskussionsbeitrag zum Zusammengehen von Feminismus und Syndikalismus ausgearbeitet
  • haben eine Lesung zu feministischen Utopien konzipiert
  • haben Branchenaufrufe verfasst, in denen wir branchenspezifische Forderungen und Problembeschreibungen formuliert haben
  • sind lokal und überlokal in Netzwerken organisiert, in denen wir mit Feminist:innen über Streik reden und davon, dass er (als tatsächliche Arbeitsverweigerung) wirklich möglich ist
  • haben in den letzten 2 Jahren am 8. März viel Lärm gemacht und dafür gesorgt, dass der Frauen*Streik im öffentlichen Raum sichtbar und hörbar wird, um zu wachsen
  • setzen uns kontinuierlich auch in der eigenen Gewerkschaft für ein achtsames, herrschafts- und diskriminierungsfreies Miteinander ein.

Feminismus und (basisdemokratische, kämpferische) Gewerkschaften könnten wirklich eine wunderbare Freund_innenschaft haben. Deswegen richtet sich unser entsprechender Vortrag auch an unterschiedliche Zielgruppen (Feminist:innen, Anarch@s, Ge-
werkschafter:innen, Leute in Überschneidungsbereichen). In feministischen Zusammenhängen fehlt uns oft die Perspektive einer langfristigen, verbindlichen Organisierung, in (auch anarchistisch) gewerkschaftlichen Kreisen fehlt oft die Geschlechterbrille. Nimmt mensch beides zusammen, kommen wir unserer Meinung nach sowohl dahin, jede und nicht nur männliche Arbeit im Blick zu haben, als auch dahin, feministische Forderungen wirksam (zum Beispiel durch Arbeitskämpfe) durchsetzen zu können.

Und jetzt reden wir die ganze Zeit von Feminismus (nicht von Frauenbewegung) und das auch mit Absicht, weil es in der von uns präferierten Variante des Feminismus darum geht, dass letztlich alle unter den herrschenden Geschlechterverhältnissen leiden und ihre jeweils eigenen Forderungen und Veränderungsbedürfnisse in diese Bewegung hineintragen sollen. Alle Geschlechter heißt: es gibt davon nicht nur zwei, sondern sehr viele. Zudem überlagern sich verschiedene Formen von Diskriminierung und Herrschaft und erfordern dann vielleicht auch je verschiedene (selbstorganisierte!) Kämpfe, die in unserem Feminismus alle ihren Platz haben sollen. Er soll also nicht nur eine Bewegung weißer cis Frauen sein.

Natürlich können und sollten nicht nur FLINTA feministische Arbeit machen! Von unseren cis männlichen Genossen wünschen wir uns, dass sie uns mindestens solidarisch unterstützen (zum Beispiel durch die Übernahme von Reproduktionsarbeiten wie Kinderbetreuung, Kochen oder Anmelden einer Demonstration). Besser noch werden sie selbst feministisch aktiv, zum Beispiel indem sie miteinander mal über Gefühle reden. Das heißt auch, dass die Aufgaben der AG Feministische Kämpfe nicht ausschließlich von der AG erfüllt werden dürfen, sondern sehr gerne auch von anderen. Aber wir wollen einen geschützten Raum haben, in dem wir feministisch tätig sein können.

Die AG Feministische Kämpfe war ursprünglich für alle Geschlechter offen und ist nach einer Neuausrichtung im letzten Jahr nun eine Interessenvertretung von FLINTA-Personen innerhalb der FAU Dresden, das heißt von Frauen, Lesben, inter, nichtbinären, trans und agender Personen. Die Entscheidung für einen FLINTA-Rahmen ist äquivalent zum gewerkschaftlichen Grundsatz der Selbstvertretung der Arbeiter:innen, der Ausschluss von cis Männern äquivalent zum Ausschluss von Chef:innen. Wir wollen uns damit einen Raum schaffen, in dem wir selbstbestimmt unsere Themen besprechen und unsere Entscheidungen fällen können. Grundsätzlich berichtet die AG, wie jede andere, monatlich der gewerkschaftlichen Vollversammlung. Protokolle sind allen Mitgliedern zugänglich, aber in begründeten Ausnahmefällen behalten wir uns vor, Protokolle nicht öffentlich zu machen. Über manches redet es sich anders (oder gar nicht), wenn cis Männer anwesend sind (oder danach die Protokolle kommentieren) – ebenso wie es sich über manche Themen vor und mit den Chef:innen schwierig sprechen lässt.

Und jetzt reden wir die ganze Zeit von Feminismus (nicht von Frauenbewegung) und das auch mit Absicht, weil es in der von uns präferierten Variante des Feminismus darum geht, dass letztlich alle unter den herrschenden Geschlechterverhältnissen leiden und ihre jeweils eigenen Forderungen und Veränderungsbedürfnisse in diese Bewegung hineintragen sollen.

So wie es Interessengegensätze zwischen Chef:innen und Arbeiter:innen gibt, gibt es auch welche zwischen FLINTA und cis Männern. Eigentlich eine sehr alte Erkenntnis, die aber dennoch manchmal für Besucher unserer Vorträge irritierend ist. Beide Gegensätze sind natürlich starke Vereinfachungen der Realität und eher als Pole zu begreifen, da es sehr verschiedene Formen von Arbeitshierarchien, wie auch von Geschlecht gibt. Das ist einfach im kapitalistischen Patriarchat so, und zwar abgesehen davon, dass cis Männer auch unter Geschlecht leiden, und davon, dass es auch nette und feministische cis Männer gibt. Es gibt ja schließlich auch nette Chef:innen und welche, denen Arbeitsrechte total wichtig sind, die vielleicht sogar drunter leiden, dass sie jemanden entlassen müssen. Diese Analogie lässt sich gut weiterspinnen und führt zu vielen spannenden Erkenntnissen – versucht es selbst mal :)

In diesen von uns selbst so gestalteten Strukturen versuchen wir, Arbeitskampfformen aus männlich dominierten Lohnarbeits-Berufen auf weiblich dominierte Berufe bzw. unbezahlte Haus- und Sorgearbeit zu übertragen oder neue zu erfinden. Dabei kommen umso schönere Ideen heraus, je mehr Menschen mitreden und je mehr Perspektiven diese haben. Also macht doch bitte mit!

Unser Streikaufruf zum 8M 2021: Nicht zurück zum Normalzustand!

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.