Die französische Tageszeitung „Le Monde“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 9. April 2022 ausführlich über Kriegsverbrechen durch ukrainische Soldaten. Demnach zirkulierten seit dem 27. März in den sozialen Netzwerken Filmaufnahmen ukrainischer Armeeangehöriger, wie sie russischen Kriegsgefangenen Verletzungen zufügen und sie dann exekutieren. In einem Video filmen Soldaten in der Nähe eines Hangars, wie sie selbst aus nächster Nähe in die Beine von drei Uniformierten schießen, deren Hände hinter dem Rücken gefesselt sind und die klar erkennbar die weiße Armbinde tragen, die sie als Soldaten der russischen Armee identifiziert.
Gezielte Erschießungen
Ein weiteres Video von längerer Dauer zeigt ein Vorkommnis im Anschluss an einen Hinterhalt auf einer Landstraße in der Ukraine: Vier menschliche Körper liegen da in Tarnkleidung mit der weißen Armbinde auf der Straße. Pfützen aus scharlachrotem Blut verschmieren den Asphalt. Ihre Gesichter sind nicht sichtbar. Doch Atemgeräusche eines der am Boden Liegenden wecken die Aufmerksamkeit der ukrainischen Soldaten. Der linke Arm des Verletzten macht eine leichte Bewegung. Er scheint bewusstlos zu sein, gibt aber laute Geräusche von sich. Sein Kopf ist unter dem Kragen seiner Jacke verborgen. Man hört die Stimmen der über ihren Gefechtssieg jubelnden ukrainischen Soldaten. „Der Hurensohn da lebt noch“, sagt einer von ihnen. Dann sind zwei Schüsse aus einer Kalaschnikow zu hören, die in der Brust des schwer Atmenden einschlagen. Doch die Atemgeräusche gehen weiter. Ein dritter Schuss – und die Atmung hört auf. Die Kamera vollzieht einen Panoramaschwenk, und drei eindeutig identifizierbare Gesichter ukrainischer Soldaten tauchen auf.
Dieses zweite Video wurde nach Prüfung durch Journalist*innen der „New York Times“ am 4. April 2022 für authentisch erklärt. Die Szene spielte sich am Dorfrand von Dmytriwka ab, westlich von Kiew, nicht weit von Butscha, dem Ort des Massakers der russischen Armee an ukrainischen Zivilist*innen. Kurz zuvor hatte das ukrainische Verteidigungsministerium an diesem Ort die Zerstörung eines russischen Armeekonvois gemeldet.
„Keine Gefangenen machen“
In einem Interview für den Youtube-Kanal „Vozdukh“ erklärte der Kommandeur der georgischen Legion in Diensten der ukrainischen Armee, Mamuka Mamulaschwili, dass seine Truppeneinheit „keine russischen Kriegsgefangenen mehr macht“. Dieser neue Umgang mit Kriegsgefangenen sei eine „Antwort auf das Massaker von Butscha“. (1) So also sieht die Rache der ukrainischen Armee aus.
Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hat bereits in einem Bericht vom 31. März 2022 Vorwürfe wegen Gewaltakten, begangen von ukrainischen Soldaten gegen russische Kriegsgefangene, erhoben. Darin stützt sie sich auf dieselben Videodokumente und fordert eine umfassende Untersuchung über diese Exekutionen. Solche Verbrechen gegen russische Kriegsgefangene sind inzwischen zum Teil von der ukrainischen Regierung eingestanden worden, und Olexij Arestowitsch, ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, sprach am 27. März 2022 auf Telegram von einer „schlechten Behandlung gefangener russischer Kämpfer“ und fügte hinzu: „Ich möchte unsere militärischen Streitkräfte daran erinnern, dass Vergehen gegen Kriegsgefangene als Kriegsverbrechen gelten, die sogar von der Militärgerichtsbarkeit nicht amnestiert werden.“
Zwischen Eingeständnis und Abwehr
Ganz anders, ebenfalls am 27. März 2022, reagierte jedoch Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee, der Russland beschuldigte, „gefälschte Videos“ zu produzieren, um die ukrainischen Streitkräfte zu diskreditieren. Dies tat Saluschnyj jedoch gerade selbst, indem er die verlogene Beschuldigungsstrategie Putins reproduzierte.
Und wie gerufen publizierte die russische Zeitung „Prawda“ am 7. April 2022 zur eigenen Legitimation eine Erklärung des französischen Journalisten Dimitri de Kochko: „Sie können so viele russische Zeugenaussagen sammeln wie Sie wollen, so viele schreckliche Dokumente über Folter wie Sie wollen, die von der Elitetruppe des Asow-Regiments in der ukrainischen Armee oder anderen Nazis begangen worden sind, die werden nicht gezeigt. Man verbietet uns das, uns westlichen Journalist*innen.“
Die kritischen Äußerungen aus den Reihen der Selenskyj-Administration werden Lügen gestraft und könnten leicht der Heuchelei bezichtigt werden, wenn man sich die systematische Unterstützung des faschistischen Asow-Regiments durch führende Vertreter der Ukraine-Regierung vor Augen führt. Der bereits seit mehreren Wochen immer wieder durch seine äußerst gefährlichen und aggressiven Forderungen gegenüber dem Westen und auch der BRD auffallende ukrainische Botschafter in der BRD, Andrij Melnyk, gilt seit Langem als Anhänger ukrainischer Nazis. 2015 besuchte er in München das Grab des NS-Kollaborateurs Stepan Bandera und bezeichnete ihn auf Twitter als „unseren Helden“. Und als am 19. März 2022 die ARD-Tagesschau die neonazistische Unterstützung sowohl der deutschen „Identitären Bewegung“ als auch der Partei „Der III. Weg“ für das ukrainische Asow-Regiment kritisierte, mischte sich dieser unangenehme Diplomat wieder ein und verteidigte die rechtsextreme Ausrichtung des Asow-Regiments als „russisches Fake-Narrativ“. Dabei ist die Asow-Führungsperson Andrij Bilezkyj eindeutig ein Neonazi, und es sind dem „Regiment Asow (…) in der Vergangenheit bereits vermehrt Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen“ worden. (2)
Ein Faschist als Parlamentsredner
Und nicht genug damit: Am 7. April hielt der ukrainische Präsident und Kriegsherr Selenskyj eine Video-Rede vor dem Parlament Griechenlands, in der er von Mariupol als einer Stadt mit einer „bedeutenden griechischen Gemeinde“ sprach. Und dann übergab er das Wort tatsächlich einem griechisch-ukrainischen Kämpfer des Asow-Regiments. Das führte zu Empörungsbekundungen bei den Oppositionsabgeordneten des griechischen Parlaments. Die Wortübergabe wurde dort als „Provokation“ gewertet. (3)
Was ist die antimilitaristische Lehre daraus? Ein Krieg, auch ein Besatzungskrieg, besteht aus zwei Armeen. Sie beide begehen Kriegsverbrechen. Haben wir uns nie gefragt, wie die ukrainische Seite immer nur prahlen konnte, sie hätte vor Kiew rund 70 % der angreifenden russischen Soldaten getötet, wie das aber ohne Kriegsverbrechen hätte vonstatten gehen können? Ja, Putins Armee geht äußerst brutal vor, darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel. Deren Kriegsverbrechen sind quantitativ weit umfangreicher als die der ukrainischen Armee. Quantitativ, nicht qualitativ!
(1) M. Mamulaschwili, zit. nach Emmanuel Grynszpan, Faustine Vincent: „De possibles exactions commises par des militaires ukrainiens“, in: „Le Monde“, 9. April 2022, S. 3.
(2) Katja Thorwarth: „Ukrainischer Botschafter Andrij Melnyk unterstützt ultrarechtes Asow-Regiment“, in: „Frankfurter Rundschau“, online, 9. April 2022.
(3) Meldung: „Malaise après l’intervention d’un soldat du régiment Azov au Parlement grec“, in: „Le Monde“, 9. April, S. 3.