Staudammprojekte versprechen Regierungen in aller Welt Prestige, den Bau- und Betreiberfirmen Profite, der Wirtschaft Wachstum und der Bevölkerung nachhaltige Energieversorgung. Im propagandistischen Feuerwerk unerwähnt bleiben die Zerstörung der Umwelt und Bedrohung von Menschenleben durch diese Großprojekte. Den Menschen vor Ort sind die Gefahren aber nur allzu bewusst, und so formiert sich an vielen Orten Widerstand. Berühmte Beispiele sind die langjährigen Kämpfe gegen die Narmada-Staudämme in Indien oder den Ilisu-Staudamm in der Türkei. Weniger bekannt ist das Ahunan-Staudammprojekt auf Luzon, der Hauptinsel der Philippinen. Die Aktivist*innen vom Defend Ecology Network/Infoshop Etniko Bandido wollen das ändern: Cris gibt im Interview mit der GWR Einblick in die Kampagne. (GWR-Red.)
GWR: Ihr engagiert euch in der Kampagne gegen das geplante Stauwasserkraftwerk „Ahunan Hydropower Dam“. Worum geht es bei diesem Projekt? Was genau soll gebaut werden, von wem, und wo?
Cris: Die Ahunan Power Inc. ist ein eigens gegründetes Joint Venture zweier Großunternehmen: der zum Wirtschaftsimperium des Milliardärs Enrique Razon gehörenden Prime Metro Power Holdings Corporation und der JBD Water Power Inc. Ziel ihres Projekts ist der Bau eines Pumpspeicherkraftwerks in der Provinz Laguna auf Luzon, der größten Insel der Philippinen, mit einer Leistung von 1.400 Megawatt. Die Kosten werden mit 1,1 Mrd. Dollar angegeben. Projektstandort ist ein knapp 300 Hektar großes Grundstück in Pakil, Provinz Laguna.
Ahunan Power wurde am 17. September 2020 gegründet. Als Unternehmensgegenstand werden Entwicklung, Bau, Betrieb, Instandhaltung, Reparatur und Management von Wasser- und sonstigen Kraftwerken sowie der damit verbundenen Anlagen und Geschäftsaktivitäten genannt. Dazu zählen Investitionen, die Beteiligung an Ausschreibungen und das Führen von Verhandlungen über entsprechende Projekte sowie der Stromgroßhandel am Spotmarkt. Die Firma kann dabei als Aktionärin, Mitunternehmerin oder in anderer Form agieren. Das Projekt gliedert sich in zwei Phasen: die erste mit einer Leistung von 700 MW für die Primär- und Minutenreserve, die zweite mit einer Leistung von 500 MW für die Mittellast.
Ihr befürchtet schwere ökologische Schäden. Welche Gefahren seht ihr?
Das Ahunan-Wasserkraftprojekt wird planmäßig über 300 Hektar Land in der Region beeinträchtigen, einschließlich einer Wasserscheide, natürlicher Quellen und einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Die Anwohner*innen fürchten um ihre Trinkwasserquelle, aber auch um die natürlichen Wasserbecken in Pakil, die für religiöse Praktiken genutzt werden. Der Bau des Ahunan-Staudamms bedeutet zudem die Zerstörung von Waldflächen in der Sierra Madre. Die Wälder sind aber ein wichtiger Lebensraum für Tiere und bieten Schutz vor Erdrutschen und Überschwemmungen.
Was sind die sozialen Auswirkungen auf die Bevölkerung der Region?
Der Staudamm soll in großer Höhe erbaut werden. Das bedeutet ein Risiko für die in der Region lebenden Menschen. Wenn der Damm bricht, droht eine menschengemachte Katastrophe: Die ganze Stadt Pakil mit ihren etwa 20.000 Einwohner*innen könnte ausgelöscht werden. Diese Menschen leben hier seit jeher ein ruhiges und friedliches Leben gemäß ihrer spirituellen Tradition, eng verbunden mit dem Berg und der natürlichen Quelle. So wird das Staudammprojekt, wenn es denn durchgesetzt wird, auch spirituelle Praktiken und ein kulturelles Erbe zerstören.
Gegen das Projekt hat sich eine Protestbewegung entwickelt. Welche Gruppen, Organisationen und Spektren sind hier aktiv?
Es besteht ein loses Bündnis von Akteur*innen, die in vorderster Front gegen den Damm kämpfen. Dazu gehören die Gruppe Mamamayang Nagmamahal sa Pakil („Freund*innen Pakils“), die katholische Gemeinde und Bündnispartner*innen wie wir, das Defend Ecology Network. Zusammen wollen wir eine strategische Kampagne entwickeln, um mehr Unterstützung durch verschiedene Organisationen vor Ort zu bekommen.
Was sind eure Aktionen und Vorgehensweisen?
Vor allem haben wir Gespräche geführt und Protestschreiben an die Lokalverwaltung und andere Regierungsstellen verschickt. Wir haben einen Petitionstext entworfen und Banneraktionen durchgeführt. Wir versuchen, jeden Haushalt in Pakil anzusprechen und ein Netzwerk aus potenziellen Unterstützer*innen aufzubauen: in Pakil selbst, in der Provinz Laguna, aber auch darüber hinaus.
In welcher Form seid ihr als Defend Ecology Network mit dem Etniko Bandido Infoshop an der Kampagne beteiligt?
Im März dieses Jahres schrieb mir ein in Pakil lebender Freund und schilderte mir die Situation. Daraufhin haben wir unser Netzwerk aktiviert und begonnen, die Kampagne mit Postern, Flugblättern, T-Shirts und Bannern zu unterstützen. Wir haben einen Workshop zur Kampagnenarbeit durchgeführt, haben den Kontakt zu einem auf Umweltrecht spezialisierten Anwalt hergestellt und vor allem moralische Unterstützung geleistet, also die Leute vor Ort ermutigt, weiterhin selbstbewusst gegen das Staudammprojekt vorzugehen.
Wir tun noch nicht genug, wir müssen noch viel mehr tun, da es ein ungleicher Kampf sein wird, ein Kampf zwischen David und Goliath. Deshalb rufen wir unser internationales Netzwerk auf, uns finanziell und anderweitig zu unterstützen, damit wir die notwendige Kampagnenlogistik aufbauen und erhalten können. Vielen Dank, dass ihr als Graswurzelrevolution uns helft, die Staudammpläne, aber auch unseren Kampf dagegen bekannter zu machen.
Hoffentlich bekommt ihr breite Unterstützung. Wir wünschen euch viel Erfolg für die Kampagne!
Interview: Silke
Übersetzung: Sandra Berger
Weltweiter Widerstand gegen Staudammprojekte – das Beispiel Indien
Über die Widerstandsbewegung gegen den Bau von Großstaudämmen am indischen Fluss Narmada ist im Verlag Graswurzelrevolution ein lesenswertes Buch erschienen: Ulrike Bürger, „Staudamm oder Leben!“, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-939045-15-1. Es sei allen ans Herz gelegt, die sich eingehender mit Großstaudämmen als Scheinlösung für Wasser- und Energieknappheit und der dahinterstehenden Entwicklungsideologie auseinandersetzen und alternative, sozial und ökologisch verträgliche Lösungen kennenlernen wollen.