kleine unterschiede

Patriarchale Gewalt als ständige Erfahrung

Frauen* in Pakistan wehren sich gegen Übergriffe und Ausgrenzung

| Interview: Silke

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Die Alltagsrealitäten von Frauen* in Pakistan sind vielfältig, doch trotz der großen Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen verschiedenen Klassen, sozialen Gruppen und Regionen sind Gewalt, Diskriminierung und Benachteiligung überall erschreckende Normalität. Die Aktivistin Amna Mawaz Khan, die in der feministischen Women Democratic Front aktiv ist, gibt im Interview mit der Graswurzelrevolution einen Überblick über die Lebensumstände von Pakistanerinnen* und über die feministischen Bewegungen, die gegen die patriarchalen Strukturen aufbegehren. (GWR-Red.)

GWR: Wie ist die wirtschaftliche und soziale Situation der Frauen* in Pakistan?

Amna Mawaz Khan: Um die Situation der Frauen* in Pakistan zu verstehen, müssen wir uns die komplexen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen anschauen. Wir haben es in Pakistan mit einer Melange aus Feudalismus und Kapitalismus zu tun, einem kolonialen Staatsapparat sowie einer religiösen Indoktrinierung auf fast allen Ebenen der Regierungs-, Bildungs- und Sozialstrukturen. Offiziell gibt es im islamisch geprägten Staat zwar kein Kastensystem, aber die historisch verfolgten Kasten – bei uns heißen sie „zaat“ – werden noch heute in allen Ethnien marginalisiert.
Wenn wir Klasse, Ethnie, zaat, Religion und Religionsgemeinschaft als Machtstrukturen betrachten, dann zeichnet sich in all diesen Bereichen die Unterdrückung aufgrund des Geschlechts als die massivste Form der Diskriminierung ab.
Selbst wenn eine Frau* der oberen Mittelschicht oder gar der gesellschaftlichen Elite angehört, also wirtschaftlich gesehen viel besser gestellt ist als die Frauen* der Unterschicht, ist ihre Situation so lange prekär, bis sie sich erfolgreich auf einen patriarchalen Deal eingelassen hat, also geheiratet und einen Sohn geboren hat. Mit den Jahren altert sie, wird zu einer Matriarchin und perpetuiert alle Ungerechtigkeiten gegenüber denjenigen Frauen*, die keinen solchen Status im Schoß des Patriarchats errungen haben. Nur langsam setzt sich die Option einer regulären Berufstätigkeit für besser gestellte Frauen* im großstädtischen Milieu durch; traditionell gilt es als unschicklich, dass eine Frau* „aus gutem Hause“ arbeiten geht und ein eigenes Einkommen erwirtschaftet.
Während besser gestellte Frauen* in der Regel „Dienstmädchen“, also Hausangestellte, haben, können sich Frauen*, die der unteren Mittelschicht oder der Arbeiter*innenklasse angehören, keine Haushaltshilfe leisten. So müssen sie die Haushaltsarbeit allein bewältigen und obendrein noch Geld hinzuverdienen. Dieser Zuverdienst ist meist sehr mager und prekär, da die Frauen* oft schlecht bezahlten, informellen Tätigkeiten im Dienstleistungssektor nachgehen. Hier kommt das Arbeitsrecht kaum zum Tragen, und gewerkschaftliche Organisationsansätze werden systematisch zerschlagen.
So viel zu den Frauen* im städtischen Raum. Die Lage der Frauen* auf dem Land ist noch mal ganz anders. Die meisten können nicht lesen und schreiben, und sie leben wie die Leibeigenen früherer Jahrhunderte. Aber auch hier gibt es, gemäß den patriarchalen Mustern, Statusunterschiede zwischen den Frauen* – die Zugehörigkeit zu einer „höheren“ zaat sowie Heirat und die darauf folgende Geburt männlicher Kinder können eine Frau* im Ansehen steigen lassen.
Die Position von Transfrauen in der Gesellschaft ist äußerst widersprüchlich. Zwar ist oft von den historischen Transfrauen die Rede, die insbesondere im Mogulreich Anerkennung genossen und herausgehobene Positionen bekleideten; aber dieses Narrativ ist teilweise irreführend. Oftmals handelte es sich um kastrierte Eunuchen, ihre offiziellen Positionen waren untergeordneter Natur und ihr Einfluss begrenzt.
Heutzutage haben Transfrauen der wohlhabenderen Klassen vergleichsweise bessere gesellschaftliche Chancen als diejenigen, deren einzige Möglichkeit darin besteht, sich als Schülerin/Adoptivtochter (chehla) in die Obhut einer Meisterin/Adoptivmutter (guru) zu begeben. Das hierarchische Verhältnis zwischen Meisterin und Schülerin ist die prägende Struktur in der pakistanischen Transgender-Community. Häufig führt es zu Missbrauch, ist aber für viele der einzige Schutz vor der „Außenwelt“ und deren heteronormativer Bigotterie gegenüber all jenen, die nicht den frommen Definitionen von Männlichkeit und Weiblichkeit entsprechen.
Nach dieser ausgesprochen knappen Einführung möchte ich nun auf die soziale Lage der Frauen* zu sprechen kommen. Alle Frauen* sind Gewalt ausgesetzt – unabhängig von Klasse, zaat, Biologie, Ethnie oder Religion. Diese Gewalt tritt in vielen Formen auf: als ökonomische Gewalt, emotionaler Missbrauch, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und des Zugangs zum öffentlichen Raum, mangelnde Vereinigungsfreiheit, mangelnde reproduktive Selbstbestimmung, Vergewaltigung, Verstümmelung, Mord. Die Intensität der Gewalt variiert in Abhängigkeit von Ethnie, Klasse, sozialem Geschlecht und Sexualität, aber keine Sekunde lang habe ich die Illusion, dass auch nur eine einzige Frau* nicht mit mindestens einer der genannten Formen der Gewalt konfrontiert ist.

Welche regionalen Unterschiede gibt es? Zum Beispiel zwischen dem ländlichen Raum und der Großstadt?

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Wie gesagt: Da gibt es große Unterschiede. In den ländlichen Regionen arbeiten Frauen*, sofern sie nicht einer „höheren“ zaat angehören oder schon alt sind, praktisch pausenlos von früh bis spät. Sie arbeiten auf den Feldern, versorgen das Vieh, kümmern sich um Reparatur und Instandhaltung – und natürlich um die Familie. Sie müssen früh heiraten, oft einen Mann aus der eigenen Verwandtschaft, und müssen eine Handvoll Kinder gebären.
Den Frauen* der städtischen Arbeiter*innenklasse geht es ähnlich schlecht, aber sie sind mobiler, da sie sich innerhalb der Stadt bewegen müssen, um Geld zu verdienen.
Mein Blick ist durch meine Beteiligung am Aurat March geprägt, einer seit 2018 jährlich in vielen Städten stattfindenden Frauen*demo. Da sehe ich durchaus viele Frauen*, die sich auf neues Terrain wagen und sich den Reaktionen darauf stellen. Zugleich ist mir stets bewusst, dass diese Bewegung von Frauen* bestimmter Klassen getragen wird und wesentlich mit Identitätspolitik verknüpft ist.
In anderen Regionen entwickeln sich andere Bewegungen. In Belutschistan beispielsweise hat der pakistanische Staat systematisch Menschen „verschwinden lassen“, routinemäßig Militäreinsätze durchgeführt, Dutzende junger belutschischer Männer getötet und ihre Leichen weggeworfen wie Müll. Diese traumatischen Erfahrungen haben die Frauen* in eine neue Rolle katapultiert: Sie sind nun Anführerinnen einer Bewegung und verlangen die Herausgabe ihrer Angehörigen, Nachbarn und Genossen.
In der Provinz Sindh gibt es sogar einige ländliche Regionen, in denen eine sozialistisch-feministische Mobilisierung stattfindet. Dies ist zum einen der relativ progressiven Tradition und der historischen Frauen*bewegung in Sindh (Sindhiani Tehreek) zu verdanken, zum anderen den Aktivitäten der Women Democratic Front. Aber machen wir uns nichts vor: Gegenüber der Hegemonie des Feudalismus und der herrschenden, dynastisch geprägten politischen Partei ist diese Bewegung schwach. Die Überschwemmungen, die in vielen Bezirken dieser südlichen Provinz zu einer beispiellosen Katastrophe geführt haben, haben die Situation der Frauen* – ihre Gesundheit, ihre Sicherheit und ihre ohnehin prekäre wirtschaftliche Situation – weiter verschlechtert.

Wie steht es um Mädchen*? Wie leben sie, welche Bildungschancen haben sie?

Zunächst ist festzuhalten, dass Kinder generell aufgrund der sozialen Zerrüttung, der wirtschaftlichen Instabilität und der Dauerkrise vielen Formen des Missbrauchs ausgesetzt sind. Es gibt Stereotype, die einigen Ethnien Traditionen homosexueller Pädophilie zuschreiben, aber in Wirklichkeit ist Kindesmissbrauch klassen- und ethnienübergreifend sehr verbreitet.
Mädchen* aus der Arbeiter*innenklasse werden zu einem stillen und zurückhaltenden Dasein erzogen. Sie müssen bei der Kinderbetreuung, beim Kochen und Putzen helfen. Viele gehen bis zu einem bestimmten Alter in eine öffentliche Schule, werden aber von der Schule genommen, wenn sie dort belästigt werden oder wenn ihnen unterstellt wird, sie zögen zu viel Aufmerksamkeit auf sich oder hätten eine romantische Beziehung. Auf dem Land und in armen Gegenden bekommen die meisten Mädchen* überhaupt keine Schulbildung, ganz einfach deshalb, weil ihre Familien es sich nicht leisten können. Ganz oft gehen aus einer großen Familie nur zwei Kinder zur Schule, und das sind dann in aller Regel zwei Söhne.
Die Familien der städtischen Mittelschicht erlauben ihren Töchtern zunehmend den Besuch weiterführender Schulen. In kleineren Städten gibt es allerdings kaum höhere Bildungsinstitutionen für Mädchen*. So bedeutet ein Studium für die betreffenden Mädchen* eine gewaltige Lebensveränderung: Sie ziehen in Großstädte wie Karatschi, Lahore, Islamabad, Quetta, Jamshoro oder Peschawar und leben in Wohnheimen oder zur Universität gehörenden Hostels.
Mädchen* aus der Oberschicht erhalten ihre Bildung an englischsprachigen Privatschulen und gehen zum Studium oft in westliche Länder oder neuerdings auch nach China. Diese relative Bewegungsfreiheit ist nicht frei von Widersprüchen. Die Familien der Oberschicht tragen oft eine liberale Haltung zur Schau. Dass diese zumeist rein kosmetischer Natur ist, zeigt sich bei der Rückkehr der Mädchen* aus dem Ausland: Vielfach werden sie dann in eine Ehe innerhalb ihrer Klasse und Großfamilie gedrängt.

Gewalt gegen Frauen* ist ein riesiges Problem. Welche Formen der Gewalt sind verbreitet, und wie ist die rechtliche Situation?

Eine Genossin sprach einmal von der Atmosphäre der Gewalt auf Pakistans Straßen. Diese Gewalt erstreckt sich auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Gewässer und die Luft.
Frauen* sind in besonderem Maße von der Tradition der karo-kari betroffen, der so genannten Ehrenmorde: Männliche Angehörige töten eine Frau*, die – wirklich oder angeblich – eine außereheliche Beziehung zu einem Mann hat. Vielfach wird die falsche, klassistische Vorstellung kolportiert, dass diese Praxis, ebenso wie vom Panchayat, dem Rat der Dorfältesten, sanktionierte Demütigungen, Gewalttaten oder andere Formen der Unterwerfung, nur im ländlichen Raum und in Stammesgegenden vorkäme. Das ist nicht wahr. Auch im städtischen Raum ist Gewalt gegen Frauen* Alltag: Sexuelle Belästigung, Vergewaltigungen, Säureattentate und Morde sind Teil auch der städtischen Realität. Dank der jährlichen Aurat Marches und ihrer Kommunikation über die sozialen Medien wird dieses Thema in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen und diskutiert. Wir berichten über Morde und Vergewaltigungen an Frauen* und Mädchen* auch aus wohlhabenden und/oder großstädtischen Milieus und initiieren Internetkampagnen für Opfer und Überlebende.
Die von Armeeangehörigen ausgehende Gewalt gegen Frauen* in paschtunischen Regionen gewann durch den „Vorfall von Khaisore“ an Aufmerksamkeit: Nach der Verhaftung des Vaters und des älteren Sohnes einer paschtunischen Familie waren „Sicherheitskräfte“ in deren Haus eingedrungen und hatten die Frauen* der Familie bedroht. Der Vorfall wurde vom jüngeren Sohn der Familie öffentlich gemacht und wurde als Inbegriff der staatlichen Repression gegen ethnische Paschtun*innen gewertet.

Mädchen* aus der Arbeiter*innenklasse werden zu einem stillen und zurückhaltenden Dasein erzogen. Viele gehen zwar in eine öffentliche Schule, werden aber von der Schule genommen, wenn sie dort belästigt werden oder wenn ihnen unterstellt wird, sie zögen zu viel Aufmerksamkeit auf sich oder hätten eine romantische Beziehung. Auf dem Land bekommen die meisten Mädchen* überhaupt keine Schulbildung, weil ihre Familien es sich nicht leisten können. Ganz oft gehen aus einer großen Familie nur zwei Kinder zur Schule, und das sind dann in aller Regel zwei Söhne.

Eine unter der Militärdiktatur Mohammed Zia-ul-Haqs erlassene Hudood-Verordnung schrieb 1979 fest, dass eine Frau*, die eine Vergewaltigung überlebt hat, vor Gericht vier männliche Zeugen beibringen muss, die bestätigen, dass die Vergewaltigung tatsächlich gegen ihren Willen geschah; ansonsten kann die betroffene Frau* selbst des Ehebruchs angeklagt werden. Erst vor kurzem hat ein neu erlassenes Gesetz zum Schutz der Frauen* dafür gesorgt, dass Vergewaltigungen nach dem regulären pakistanischen Strafrecht und nicht mehr gemäß der Hudood-Verordnung geahndet werden. Damit wird Vergewaltigung wieder zu einer Straftat, auch ohne dass die lächerlichen Bedingungen der Hudood-Verordnung erfüllt sind.
Der atavistische Charakter des Staates und seiner Justiz, geprägt von kolonialen Begrifflichkeiten und Unnahbarkeit, lässt jedoch viele gesetzliche Verbesserungen ins Leere laufen.

Wie steht es um Transgender-Personen?

Transmänner bleiben in Pakistan oft sozial unsichtbar. Was den Status von Transfrauen betrifft, hat sich auf juristischer Ebene viel getan. Beispielsweise hat ein Gericht entschieden, dass für den Eintrag im Personalausweis drei Gender-Kategorien zur Auswahl stehen müssen. Aber politisch wird in letzter Zeit von rechten Medien, rechten politischen Parteien und religiösen Organisationen stark gegen das progressive Gesetz zum Schutz der Rechte von Transgender-Personen mobilisiert. Sie behaupten, das Gesetz fördere die Homosexualität.
Diese Kampagne der Rechten hat selbst innerhalb der Transgender-Community tiefe Gräben aufgerissen. Die Spaltung verläuft zwischen den Klassen: Auf der einen Seite stehen die Transgender-Aktivist*innen, die aufgrund ihres Aktivismus, ihrer sozioökonomischen Klasse, ihrer Repräsentation in den Medien und ihrer Präsenz in staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen in der Lage waren, das Bedürfnis nach Wahrung ihrer Rechte in eine rechtliche Form zu gießen und die Verabschiedung des Gesetzes durchzusetzen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die vom Milieu der Guru-Chehla-Struktur geprägt sind und aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit leichter von rechten Propagandist*innen unter Druck gesetzt werden können.
Die Zahl der Todesopfer aus der Transgender-Community wächst kontinuierlich. Im ganzen Land werden Dutzende Transfrauen von Männern ermordet. Fast alle Transfrauen, insbesondere diejenigen, die auf den Straßen betteln oder ihren Lebensunterhalt als Tänzerinnen auf Veranstaltungen bestreiten müssen, sind Belästigung und Missbrauch ausgesetzt. Auch Angehörige der Polizei belästigen und missbrauchen regelmäßig Frauen* aus dieser Community bei Razzien gegen angeblich illegale Aktivitäten. Zudem erleben viele Chehlas, also jüngere Transfrauen, Missbrauch durch ihre Gurus, also ältere und einflussreichere Transfrauen.

In Pakistan gibt es mehrere feministische Gruppen und Bewegungen. Was sind ihre wichtigsten Ziele, und worin unterscheiden sie sich?

In Pakistan gibt es viele feministische Gruppen. Einige sind auf Großstädte beschränkt, zum Beispiel diejenigen, die sich für den Zugang der Frauen* zum öffentlichen Raum einsetzen, oder diejenigen, die im Aurat March als Bewegung für die Emanzipation der Frauen* aktiv sind. Diese Gruppen haben jedoch ihre Beschränkungen, sie sind bestimmt durch Klasse, Mobilität und städtisches Milieu. Dennoch sind sie wichtig, um den herrschenden gewaltförmigen Diskurs zu verändern.
Andere Bewegungen, zum Beispiel die belutschischen Frauen*, die sich bei „Voice of Baloch Missing People“ (dt. „Stimme der belutschischen Vermissten“) engagieren, haben ganz spezifische Forderungen an das pakistanische Militär und die Geheimdienste, die gemeinsam für zahlreiche Fälle von Mord, Folter und Entführung verantwortlich sind. Rechte Medien versuchen, die Bewegung unsichtbar zu machen, aber viele Frauen* kämpfen weiter unnachgiebig gegen das staatliche Unrecht. Wir sehen: Es gibt viele verschiedene Gruppen, und ihre Ziele sind so verschieden wie ihre Lebenswirklichkeiten.

Erzählst du uns von deiner Bewegung, der Women Democratic Front? Wie ist sie organisiert?

Im Anschluss an den ersten Aurat Azadi March 2018 haben einige von uns, allesamt Frauen* und Mitglieder der Awami Workers Party (AWP), die Women Democratic Front (WDF) gegründet. Ursprünglich war die WDF als eine Teilorganisation der AWP gedacht, da es im herrschenden Patriarchat, das Frauen* in ihrer Bewegungsfreiheit und ihren Organisationsmöglichkeiten einschränkt, für die Partei als solche sehr schwer war, mit Frauen* zu arbeiten – besonders mit Frauen* aus der Arbeiter*innenklasse und der unteren Mittelschicht. Übrigens bestand die WDF bereits Jahre vor ihrer offiziellen Gründung als Regionalorganisation in Sindh.
Die WDF versteht sich als Kaderorganisation marxistisch-leninistischen Zuschnitts, was mich als Anarchistin ebenso frustriert wie die generelle Unfähigkeit der Linken in Pakistan, sich von horizontalen, weniger cliquenhaften Strukturen inspirieren zu lassen, wie sie in internationalen Bewegungen, aber auch in unserer eigenen Geschichte zu finden sind. Zugleich muss ich aber sagen, dass ich das Privileg genieße, zwischen Deutschland und Pakistan zu pendeln; da käme es mir recht reaktionär vor, meinen Genossinnen*, die ihre mühsamen Kämpfe unter widrigsten Bedingungen in Pakistan führen, vorzuschreiben, wie sie das anstellen sollen.
Wahlen zu allen Gremien der WDF finden alle drei Jahre statt. Die Gremien gibt es auf drei Ebenen: Bezirksgremien aus vier oder mehr Mitgliedern, sechs nationale Gremien und auf übergeordneter Ebene das föderale Gremium.

Vor einigen Wochen habt ihr eine Erklärung mit dem Titel „We want peace“ (dt. „Wir wollen Frieden“) veröffentlicht. Wie wirkt sich der Krieg auf die Lage der Frauen* aus?

Unsere Erklärung ist vor dem Hintergrund einer breiten Protestbewegung im Swat-Tal zu sehen. Die Menschen dort leiden unter der starken Präsenz der Taliban. Am zehnten Jahrestag des Angriffs auf den Schulbus von Malala Yousafzai verübten die Taliban in Swat, im Bezirk Charbagh, einen weiteren Anschlag auf einen Schulbus voller Kinder. Dabei wurden viele Kinder verletzt, der Busfahrer wurde getötet.
Inmitten der ohnehin himmelschreienden patriarchalen Gewalt lähmt der Krieg die Frauen* noch mehr. Dies ist ein neokolonialer Krieg: Auf der einen Seite steht das Militär als Vertreter des formalen, organisierten Gewaltmonopols des Staates, auf der anderen eine brutale, informelle Organisation, deren Handeln eine Mischung aus Guerillataktik und purem Terror gegen die Bevölkerung ist. Diese Konstellation lässt denjenigen, die als Besitz der Männer gelten, nicht viel Raum zum Atmen.

Vielen Dank für das spannende Interview mit so vielen Informationen und Details!

Übersetzung: Tanja Unger

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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