nie wieder!

Das braun-blaue Sammelbecken

Die AfD ist der parlamentarische Arm der rechten Bewegungen in Deutschland

| Harry Waibel

Mit der Gründung der Partei „Alternative für Deutschland“ im Jahr 2013 begann für die rechte Bewegung mit ihren vielfältigen Gruppen und Organisationen in Deutschland ein neues Kapitel. Der folgende Artikel beleuchtet einige Gruppierungen, Medien und Personen, die für den Aufstieg der heute vom Neonazi Björn Höcke dominierten AfD eine Rolle spielten und spielen. (GWR-Red.)

Man sollte diese rechte Partei nicht unterschätzen wegen ihres niedrigen geistigen Niveaus und ihrer Theorielosigkeit. Dagegen steht auch die Tatsache, dass sich in den gegenwärtigen Führungsetagen der AfD in der Regel akademisch geschulte Frauen und Männer befinden, die über außerordentliche Techniken und Mittel der Propaganda verfügen, die sie für ihre Zwecke einsetzen. Gerade diese Konstellation von rationalen Mitteln und irrationalen Zwecken, entsprechen in gewisser Weise der zivilisatorischen Gesamttendenz, die auf eine Perfektion der Techniken und Mittel hinausläuft, während der gesamtgesellschaftliche Zweck dabei unter den Tisch fällt. Diese Propaganda ist vor allem darin famos, dass sie bei den rechten Parteien und Bewegungen die Differenz zwischen realen Interessen und den vorgespiegelten falschen Zielen ausgleicht. Sie ist wie einst bei den Nazi-Faschisten geradezu die Substanz der Sache selbst. Wenn Mittel in wachsendem Maß für Zwecke ausgetauscht werden, so kann man sagen, dass in diesen rechtsradikalen Bewegungen die Propaganda ihrerseits die Substanz der Politik ausmacht. Es ist ja kein Zufall, dass die sogenannten Führer des Nationalsozialismus, Hitler und Goebbels, in erster Linie Propagandisten waren und dass ihre Produktivität und Phantasie in die nationalsozialistische Propaganda eingegangen sind.

PEGIDA

Ein Jahr nach Gründung der AfD wurde in Dresden unter dem Titel „Patriotische Europäer gegen die Islamisieerung des Abendlandes“ (PEGIDA) eine islamfeindliche, rassistische und rechte Organisation gegründet. Seit dem 20. Oktober 2014 veranstaltet sie in Dresden völkische Demonstrationen und Kundgebungen gegen eine von ihr behauptete Islamisierung und gegen die Einwanderungs- und Asylpolitik Deutschlands und Europas. Ähnliche, deutlich kleinere Aufmärsche finden, zum Teil durch rechtsextreme Personen oder Gruppierungen angemeldet und organisiert, in weiteren Städten statt. Bei PEGIDA in Dresden treten neurechte und rechtspopulistische Akteur:innen aus Deutschland und anderen Staaten Europas auf. Insgesamt radikalisierte sich die Bewegung seit 2015 und verkleinert sich seit Ende desselben Jahres hinsichtlich der Teilnehmer:innenzahlen an Demonstrationen kontinuierlich. Seit Mai 2021 wird die Bewegung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen als „erwiesene extremistische Bestrebung“ eingestuft und beobachtet.

Identitäre Bewegung

Die völkisch-nationalistische Gruppe „Identitäre Bewegung“ gründete sich in Deutschland im Zusammenhang mit dem rassistischen Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrzin, das er 2010 veröffentlichte. Es ist das nach 1945 am meisten verkaufte Sachbuch in Deutschland.

„Reichsbürger“

Die rechtsextreme Gruppe der „Reichsbürger“ entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verrstärkt in Erscheinung. Der Bundesverfassungsschutz rechnet der Gruppe im September 2017 rund 15.000 Personen zu. Rund 13.000 Straftaten werden „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ seit deren Erfassung zugerechnet, davon 750 Gewaltdelikte. Im Jahr 2018 gehen die Sicherheitsorgane des Staates davon aus, dass sie sich weiter vergrößern und gegenwärtig liegt die Zahl ihrer Anhänger:innen bei 18.000 Personen. Etwa 1.200 „Reichsbürger“ haben „waffenrechtliche Erlaubnisse“, das heißt sie sind bewaffnet; mit Hilfe des Bundesamtes für Verfassungsschutz war es gelungen, 450 „Reichsbürgern“ diese Erlaubnis zu entziehen. Anfang April 2018 wurden, im Auftrag der Bundesanwaltschaft, in den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Thüringen Wohnungen von „Reichsbürgern“ durchsucht, denen vorgeworfen wird, sie hätten eine rechte, terroristische Vereinigung gegründet. Die acht beschuldigten Personen kämpfen für das Ziel, die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik durch eine Monarchie (Kaiserreich) zu ersetzten.

Hooligans

Die „Hooligans gegen Salafisten“, gegründet 2014, sind keine feste und einheitliche Gruppierung. 2012 gründete sich das Internet-Netzwerk GnuHonnters, das aus 17 Hooligan-Gruppierungen aus ganz Deutschland bestand. Diese Gruppierung sah zunächst vor allem die eher linksgerichteten Ultra-Gruppen als Feindbilder. Zu den Gründungsmitgliedern zählten von Beginn an rechtsextreme Kader aus ganz Deutschland. Auf Initiative einiger GnuHonnters entstand das Internet-Forum „Weil Deutsche sich’s noch trauen“, in dem sich etwa 300 Hooligans trafen, die vor allem dem rechten Lager zuzurechnen sind. In dem Forum entstand der Plan einer Aktionsfront, die sich gegen den Salafismus richtet. Aus diesem Netzwerk entstand schließlich Anfang 2014 die Initiative „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Die Gruppe rief vor allem im Internet und auf Facebook gegen Salafisten auf. Die Facebook-Gruppe erreichte dabei einen Personenkreis von 40.000 Anhängern. Am 28. September 2014 fand in Dortmund ein erstes Kennenlernen statt, bei dem sich rund 300 Hooligans trafen. Dabei waren unter anderem der unter dem Namen SS-Siggi bekannte, 2021 verstorbene Neonazi Siegfried Borchardt (Die Rechte) sowie der Pro-NRW-Ratsherr Dominik Horst Roeseler anwesend, letzterer diente als Sprecher der Gruppe. Es folgten Kundgebungen in Essen, Mannheim und Nürnberg, die jedoch über 300 Personen nicht hinaus kamen. (1)

Anhänger der AfD, die mit ihrem Verhalten und ihren Äußerungen für die antihumanen Grundaussagen der AfD stehen:

Hohmann

Martin Hohmann war Major der Reserve, ehemaliger Kriminaloberrat beim Bundeskriminalamt (BKA) und Ex-Bundestagsabgeordneter der CDU. Von 1984 bis 1998 war er hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Neuhof bei Fulda (Hessen). Am 3. Oktober 2003 hielt er in Neuhof, anlässlich des deutschen Nationalfeiertages, vor etwa 120 Zuhörern, eine geschichtsrevisionistische und antisemitische Rede, bei der er den Juden die Schuld an den stalinistischen Massenmorden in der Sowjetunion gab. In dieser Rede stellte er die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, im Angesicht der schlechten Wirtschaftslage, die Zahlungen an die Europäische Union (EU), die Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen und an die jüdischen Opfer des Holocaust zu verringern. Seine Rede beendete er mit dem Ausruf: „Unser Leitspruch sei: Gerechtigkeit für Deutschland, Gerechtigkeit für Deutsche“. (2)
Niemand der Zuhörer:innen nahm Anstoß an dem, was Hohmann vorgetragen hatte, erst als der CDU-Ortsverband Neuhof den Text der Rede auf seine Internetseite stellte, erschien am 27. Oktober 2003 ein kritischer Artikel bei hagalil.com.

„Compact“ bildet zusammen mit den Zeitschriften „Sezession“ und „Junge Freiheit“ das publizistische Rückgrat der rechten Bewegung.

Wegen dieser Rede wurde Hohmann am 14. November 2003 aus der Fraktion der CDU/CSU ausgeschlossen. Im selben Jahr erhielten die Unions-Parteivorsitzenden, Angela Merkel und Edmund Stoiber, ein Protestschreiben gegen den Parteiausschluss von Hohmann, das von etwa 1.600 Mitgliedern der Unionsparteien unterschrieben worden war. Sie begründeten ihre Solidarität mit Hohmann mit der Behauptung, seine Rede sei nicht antisemitisch gewesen. (3)
Hohmann trat bei der Bundestagswahl 2005 als parteiloser Direktkandidat in Fulda an und scheiterte mit nur 21,5 Prozent gegen einen Kandidaten der CDU, der fast 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Er wurde dann Ehrenmitglied der Wählervereinigung „Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland – Liste Henry Nitzsche“ des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und Rassisten Henry Nitzsche aus Kamenz/Hoyerswerda. Hohmann erhielt 2016 als Parteiloser auf dem Listenplatz 1 der Partei „Alternative für Deutschland“ die meisten Stimmen aller gewählten Kandidaten des Kreistages in Fulda. Anfang 2016 wurde er Mitglied der AfD und zog bei der Bundestagswahl 2017 erneut als Abgeordneter in den Bundestag ein. (4)

Elsässer

Seit 2010 ist Jürgen Elsässer Chefredakteur und Mitherausgeber der rechten Monatszeitschrift „Compact“, neben Andreas Abu Bakr Rieger und dem Verleger Kai Homilius . Nach deren eigenen Angaben hat die Zeitschrift eine Auflage von etwa 40.000 verkauften Exemplaren. Seit 2008 betreute Elsässer die vom Homilius Verlag herausgegebene Buchreihe „Compact“. Seit 2012 organisiert er eine jährlich stattfindende „Konferenz für Souveränität“ zu einem bestimmten politischen Thema. Im November 2014 trennte sich Rieger als Gesellschafter und Redakteur von „Compact“ und wurde von der Firma Nordheide Kontor GmbH in Neu Wulmstorf ersetzt. Rieger begründete seinen Ausstieg mit dem Hinweis, dass die Zeitschrift gleich rassistische und nationalistische Positionen vertrete, wie PEGIDA. (5) Seit der Gründung der AfD wirbt Elsässer für sie und besonders seit der „Flüchtlingskrise“ 2015 unterstützt er deren Politik und Politiker:innen. „Compact“ bildet zusammen mit den Zeitschriften „Sezession“ und „Junge Freiheit“ das publizistische Rückgrat der rechten Bewegung.

Kubitschek

Die zweimonatlich erscheinende „Sezession“ wurde 2003 gegründet und sie wird herausgegeben vom „Institut für Staatspolitik“ (IfS), das im Mai 2000 von Götz Kubitschek, Karlheinz Weißmann, Stefan Hanz und weiteren vier Rechten gegründet worden war. Zusammen mit dem IfS gründete Kubitschek den Verlag „edition antaios“, den er seit 2012 in Verlag Antaios umbenannte. Das IfS versucht literarisch und organisatorisch nationalistische Konservative und Neonazis ideologisch und strategisch zu verbinden, um die Schlagkraft der Rechten zu steigern.
Seit Beginn der rassistischen Mobilisierungen durch rechte Organisationen, wie Pro Chemnitz, PEGIDA, AfD und organisierten Neonazis, instrumentalisierten sie den gewaltsamen Tod von Daniel H. in Chemnitz. Am 1. September 2018 fand bei einer gemeinsamen Demonstration, sie nannten es „Schweigemarsch“, ein Zusammenschluss verschiedener rechter Gruppen statt, unter Führung der AfD.

Extremismus der Mitte

Bereits im Oktober 2010 hatten Oliver Decker und Elmar Brähler, im Auftrag der SPD-eigenen Friedrich-Ebert-Stiftung, festgestellt, dass der Extremismus der Mitte weiter zugenommen habe. Die Rechte entwickele sich also in die Mitte der Gesellschaft hinein und ergänze damit den Extremismus, der an den Rändern der Gesellschaft verortet worden war. In der Mitte der Gesellschaft grassieren Ängste vor einem sozialen Abstieg und die durch die Hartz-IV-Gesetze und den Restriktionen gegen Migrant:innen zu Tage getretenen Effekte der Entsolidarisierung gegenüber “sozial Schwachen”, sorgten für ein gesellschaftspolitisches Klima, das autoritäre Aggressionen und disziplinierendes staatliches Vorgehen ausdrücklich legitimiert.
Wie dramatisch sich die politische Situation in Deutschland darstellt, zeigt eine demoskopische Untersuchung von Oliver Decker von der Universität Leipzig: danach sind etwa 40 Prozent der befragten Deutschen bereit, ein autoritäres System zu unterstützen. Fast jeder Zweite im Osten und knapp jeder Dritte im Westen stimmte der Aussage zu, Deutschland sei im gefährlichen Maße „überfremdet“. (6)

Fazit

Weil die bisherigen Anstrengungen der Antifaschist:innen und die ordnungsrechtliche, staatliche Repression, nicht in der Lage waren die rassistische Dynamik zu stoppen, reicht es nicht aus, den Kampf gegen die neuen Rassisten nur verstärken zu wollen, er muss auf eine neue Ebene gehoben werden. Der von den herrschenden Politiker:innen verbreitete Rassismus und Nationalismus ist bereits zu einem Rassismus und Nationalismus der Massen geworden. Deutsche männliche Jugendliche und junge Männer sind als Gewalttäter sichtbare Exponenten des Rassismus und ein starker Rückhalt geht für sie von dem breiten Konsens aus, der sich in großen Teilen der deutschen Bevölkerung festgesetzt hat. Um aus dieser Misere heraustreten zu können, braucht es eine gesellschaftliche Erhebung, die den anti-rassistischen Kampf zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung erweitert und durch die einzelne Teile der rassistischen Ideologie kritisiert und letztlich aufgehoben werden. Die Abgrenzung von den neuen Rassist:innen muss inhaltlich bestimmt sein und darf nicht länger allein reduziert werden auf die direkte Konfrontation der staatlichen oder gesellschaftlichen Kräfte. Die mittlerweile ritualisierte Bekämpfung der Neonazis mit Spezialprogrammen ist gescheitert. Für grundlegende Auseinandersetzungen zum Rassismus in Deutschland ist mehr nötig, als die bisher alles dominierende staatliche Repression und die appellative Politik hervorgebracht haben: Aufklärung über die Ursachen.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Hooligans_gegen_Salafisten#cite_note-DW-8
(2) Widmann, Peter: Antisemitismus und Rassismus in Deutschland nach 1945, in: Christian Delacampagne: Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf und Zürich, 2005, S. 241.
(3) Gessler, Philipp: Antisemitismus und Antizionismus in der bundesrepublikanischen Linken bis 1989/90 und ihr Fortleben bis zur Diskussion über den Libanon-Krieg 2006, in: Matthias Brosch/Michael Elm/Norman Geißler/Brigitta Elisa Simbürger/Oliver von Wrochem: Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland. Vom Idealismus zur Antiglobalisierungsbewegung, Berlin 2007, S. 347.
(4) https://de.wikipedia.org/w/index.php?
title=Martin_Hohmann&oldid=175548763.
(5) http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/compact-veranstaltung-krude-thesen-der-homosexuellenhasser-a-935310.html.

Der Historiker Harry Waibel arbeitet zu den Themenschwerpunkten Neonazismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in der DDR sowie Rassismus in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart. Sein im Sommer 2023 in der GWR 480 erschienener Artikel „Vom Querdenken zur Querfront“ gehört auf graswurzel.net zu den meistgelesenen Artikeln des Jahres.

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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